Für jede Behandlung die richtige Brille
Flexiblere Feilen, minimalinvasive Verfahren und digitale Planungshilfen ermöglichen es dem Spezialisten, mehr endodontisch erkrankte Zähne zu retten und für viele Jahre zu erhalten, und dem Generalisten, mehr von den „nicht ganz so komplexen“ Fällen selbst zu behandeln. Dafür sollte er eines auf jeden Fall können: mehr sehen!
Dazu dient klassischerweise das OP-Mikroskop. Doch während es für den Spezialisten zum selbstverständlichen Equipment gehört, ist es in der Hauszahnarztpraxis noch selten anzutreffen. Gegenüber dem Arbeiten mit bloßem Auge bringt die Lupenbrille jedoch bereits eine wesentliche Verbesserung. Sie hilft übrigens auch in der allgemeinen Zahnheilkunde dabei, individuelle Sehschwächen auszugleichen. Dies betrifft zum Beispiel, typischerweise ab dem 40. Lebensjahr, die bekannten Einschränkungen der Akkommodation des menschlichen Auges und andere altersbedingte Phänomene.
Mit der Lupenbrille fällt so manche alltägliche Behandlung leichter. Speziell in der Endodontie kommt man damit zwar nicht an die Leistungsfähigkeit des OP-Mikroskops heran, aber dennoch erweitert sich der Behandlungsspielraum. So ist beispielsweise mit adäquater Beleuchtung die Detektionsrate des vierten Kanals in Oberkiefermolaren der Detektion ohne optische Vergrößerungshilfen signifikant überlegen [Nguyen und Lang, 2019]. Klinisch hat sich herausgestellt, dass zumindest für die Suche nach den Kanaleingängen bestimmte Lupenbrillen dem OP-Mikroskop teilweise ebenbürtig sein können.
Kepler für die Endo, Galilei für die Allgemeinzahnmedizin
Dabei handelt es sich um Lupenbrillen mit Keplerscher Optik. Sie eignen sich für den Allgemeinzahnarzt, der bis zu seinen selbstgesetzten Grenzen auch endodontisch behandelt. Bei der Auswahl sieht er sich nach modernen Modellen um, die sich schnell einmal von 3,5-facher auf 5,7-fache Vergrößerung umrüsten lassen und umgekehrt. Auch schaut er speziell auf kleine Optiken, weil sie eine Optimierung des Neigungswinkels ermöglichen.
In der Regel kommen Lupenbrillen mit Keplerscher Optik auf eine 3,5- bis 6-fache Vergrößerung. Etwas weniger schaffen die Modelle mit Galileischer Optik. Sie vergrößern in der Regel bis auf das 2,5-Fache und schaffen das 3,5-Fache nur bei kleinerem Sichtfeld und mit Randunschärfen. Doch die Galileische Optik bringt eine hohe Schärfentiefe und lässt sich dank ihres geringen Gewichts eher mit einem komfortablen (aber eben etwas schwereren) kabellosen Lichtsystem ausstatten – eine flexible Kombination für die Verwendung in der allgemeinen Zahnmedizin.
Grundsätzlich interessant für alle Lupenbrillen ist die TTL-Technik („through the lens“). Dabei wird die Optik direkt durch eine Bohrung im Brillenglas fixiert. Das macht jede Lupenbrille noch ein Stück leichter. Nach unten geht das Gewicht auch, wenn statt Metall ein Brillengestell aus Kunststoff gewählt wird. Das ist allerdings in der Regel nicht ganz so robust und daher eher reparaturanfällig.
Mehr Licht!
Jede Lupenbrille braucht auch eine adäquate Möglichkeit zur Beleuchtung. Standard sind heute koaxiale LEDs. Dabei ist stets auf den Einsatzbereich zu achten. Soll die Lupenbrille beispielsweise in der Füllungstherapie eingesetzt werden, muss eine unerwünschte Teilpolymerisation lichthärtender Materialien schon vor dem Start der Polymerisationslampe verhindert werden. Dafür sind Orangefilter gedacht, die das blaue (= härtende) Licht blockieren. Oder der Behandler greift von vorneherein zu möglichst tageslichtähnlichen LEDs (zum Beispiel „Lichtfarbe 5700 Kelvin“).
Eine Innovationslinie zeigt in Richtung flexibler und dabei individuell anpassbarer Lupenbrillen. So gibt es heute Designs mit austauschbaren Okularen, mittels Magnethalterung tauschbaren TTL-Systemen und insgesamt vier Vergrößerungsstufen von 2,5-fach bis 5,5-fach.
Die Linsen in den Okularen lassen sich an die individuelle Sehstärke anpassen. Dabei sind monofokale („normale“), bifokale („zweigeteilt“) und multifokale („Gleitsichtgläser“) Ausführungen möglich. Zudem können verschiedene Spezialbeschichtungen die empfindlichen optischen Komponenten kratzfester machen, die Augen vor UV-Licht schützen oder unerwünschte Spiegelungen unterdrücken.
Fazit für die Praxis
Heute steht für jeden Indikationsbereich eine geeignete Lupenbrille zur Verfügung (Tabelle 1). Sie macht Details sichtbar, die man mit dem bloßen Auge nicht erfasst hätte. Diese Detailkenntnis kann für die jeweilige Behandlung von entscheidendem Vorteil sein.
Welche Lupenbrille die richtige ist, variiert von Indikation zu Indikation und ebenso von Behandler zu Behandler, denn die Augen und deren Sehstärke sind sehr individuell. Die größte Bandbreite von Lupenbrillen finden Sie vom 14. bis zum 18. März auf der IDS 2023.
Lupenbrillenoptiken |
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| Galileische Optik | Keplersche Optik |
Geometrie | kegelförmig | zylinderförmig |
typische Vergrößerungsfaktoren | bis 2,5-fach, bis 3,5-fach mit Einschränkungen (kleineres Sichtfenster, Randunschärfen) | 3,5-fach bis 6-fach, aber grundsätzlich kleineres Sichtfenster |
Darstellung | klinisch hilfreich | brillant |
Tiefenschärfe | hoch | grundsätzlich eingeschränkt |
Gewicht | leicht, daher Kombination mit kabellosem Lichtsystem gut möglich | eher etwas schwerer, daher eher in Kombination mit einem kabelgebundenen Lichtsystem |
Preis | erschwinglich | höher |
Indikation | allgemeine Zahnheilkunde | endodontische Behandlung in der allgemeinzahnärztlichen Praxis; ergonomische Optimierung in der endodontologischen Praxis durch Wechsel zwischen Lupenbrille und OP-Mikroskop |
Tab. 1, Quelle: Ehrensberger |
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Brillengestell |
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| Metall | Kunststoff |
Gewicht | eher etwas schwerer | leicht |
Haltbarkeit | robust | eher etwas reparaturanfälliger |
Tab. 2, Quelle: Ehrensberger |
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Beleuchtung |
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| kabelgebunden | kabellos (mit Akku) |
Gewicht | leicht | eher etwas schwerer |
Betrieb am Stück | praktisch einen ganzen Behandlungstag lang | circa 90 Minuten bis einige Stunden, dann Wiederaufladung des Akkus nötig |
Tab. 3, Quelle: Ehrensberger |
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