ZahnärztInnen spenden für die Ukraine

Die letzte Reise der C2 führt nach Kiew

Auch gut ein Jahr nach dem gemeinsamen Spendenaufruf von Bundeszahnärztekammer (BZÄK) und der Stiftung Hilfswerk Deutscher Zahnärzte (HDZ) ist die Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung ungebrochen. Mehr als 600.000 Euro und zahlreiche Sachspendenangebote gingen beim HDZ ein – und überall in Deutschland überlassen PraxisabgeberInnen Technik und Mobiliar ausgebombten KollegInnen im ehemaligen Kriegsgebiet.

Es war an einem Sonntagvormittag, als Zahnarzt Otto Müller aus Speyer in einer Radiosendung vom Schicksal seines Kiewer Kollegen Andrij Daniltschuk erfuhr, dessen Praxis von russischen Geschossen verwüstet wurde. Sofort sei ihm klar gewesen, dass er helfen wollte, erinnert sich der 79-Jährige. Wichtig war ihm nur, dass seine letzte Behandlungseinheit samt Röntgen, Steri, Kleingeräten und Instrumenten in die richtigen Hände kam. Also recherchierte er und fand mit der Ukrainehilfe Pfalz eine Organisation, die sowohl über Techniker für den Abbau, über einen Logistikpartner und seit mehr als 30 Jahren über Kontakte zu inländischen Hilfswerken verfügte.

Otto Müller hatte ein gutes Gefühl und so traten seine Siemens C2 und die übrige Praxisausstattung – mit der er seit der Praxisaufgabe 2013 noch einige seiner PrivatpatientInnen versorgt hatte – die Reise nach Kiew an. Johannes Müller, Ehrenamtler bei der Ukrainehilfe Pfalz ist froh über die große Spendenbereitschaft. „Jede Woche rufen bei uns Zahnärztinnen und Zahnärzte an, die sofort oder aber Ende des Jahres ihre komplette Praxis abgeben wollen“, sagt er. Aktuell prüfe die Organisation mithilfe von ehrenamtlich tätigen Dentaltechnikern die Substanz verschiedener Angebote.

„Kriegen die unsere Einheiten überhaupt zum Laufen?“

Auch beim HDZ gehen regelmäßig Sachspendenangebote von Kleingeräten bis zu ganzen Praxen ein, erklärt Stiftungsvorsteher Dr. Klaus-Achim Sürmann. „Der Aufwand für Abbau, Abholung und Transport muss natürlich in einem wirtschaftlich vernünftigem Verhältnis stehen, sonst hat das keinen Sinn“, sagt er und bedauert, das sei nicht immer der Fall. Um die Wirtschaft der gebeutelten Ukraine zu unterstützen und dort geläufige Technik zu spenden, sei das HDZ darum bestrebt, vor Ort Geräte für ausgebombte KollegInnen zu kaufen. Ansonsten sei es immer eine Abwägung im Einzelfall, wie alt und in welchem Wartungszustand die angebotenen Sachspenden seien.

Auch der Zahnarzt Dr. Heinz-Jörg Kost aus Attendorn haderte zunächst, seine Praxisausstattung abzugeben – ebenfalls aus der Sorge heraus, dass diese den KollegInnen in der Ukraine womöglich gar keine große Hilfe sein würden. „Wir haben meine Zweifel, ob die Kollegen dort die Einheiten überhaupt zum Laufen kriegen, im Freundeskreis ausführlich diskutiert“, erklärt der 68-Jährige. Am Ende überzeugten ihn die Ehrenamtler der Organisation „Viele Hände für die Hoffnung“ aber, dass er sich auf das ukrainische Improvisationstalent verlassen kann. Viele Hände – die von sieben Helfern aus der Ukraine und sieben Ortsansässigen – demontierten nach der Entscheidung innerhalb von nur zehn Stunden die komplette Praxis und packten drei Behandlungseinheiten samt Ersatzteilen, Röntgen, Mobiliar, Kleingeräten und Instrumenten in den Hilfs-Lkw. Der brachte die wertvolle Fracht schließlich zu einer Kinderklinik in Charkiw, wo sie eine neue Verwendung finden werden.

Wichtig ist allen die sinnvolle Verwendung

Für Kost ist klar: Die Spende war die sinnvollste Verwendung für seine Praxis. Trotzdem bleibt ein bisschen Wehmut, da er den Zeitpunkt für die Praxisaufgabe nicht vollständig selbst bestimmen konnte. Bereits Ende 2021 hatte ihn ein Personalengpass gezwungen, die Sprechstundenzeiten zu reduzieren, berichtet er. Und da sich anschließend weder neue Mitarbeiter noch ein Übernehmer oder eine Nachfolgerin fanden, machte er im Juni 2022 Schluss.

Zeitgleich mit Kost beendete auch die Plauer Zahnärztin Liselotte Martius nach 44 Jahren ihren Praxisbetrieb. Zuvor hatte sie monatelang vergeblich nach einem Nachfolger für ihre Praxis mit zwei Behandlungsräumen gesucht. Bei der Suche nach einer sinnvollen Verwendung ihrer Praxisausstattung kam sie dann in Kontakt mit Detlef Rutloff, der sich stark in der Ukrainehilfe engagiert.

Mit mehreren Helfern, darunter vier Ukrainern, die in Brandenburg an der Havel leben und arbeiten, wurde schließlich alles demontiert und verladen. Mit der Spende soll ein Behandlungszimmer in der kleinen Stadt Jassinja im Südwesten des Landes entstehen. Dort suchen aktuell Tausende Flüchtlinge Schutz vor den Kriegshandlungen und müssen medizinisch versorgt werden, erklärt Rutloff. Für die zweite Einheit müsse er nun, während der Lkw noch unterwegs ist, nach einer sicheren Verwendungsmöglichkeit suchen. Ursprünglich sollte sie in der Region Bachmut zum Einsatz kommen, die mittlerweile aber schwer umkämpft ist. „Da ändert sich die Situa­tion ja beinahe stündlich. Das können wir vergessen.“

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