„Neue Akzente, aber kein völliger Neustart“
Seit Anfang Januar ist Dr. Doris Seiz aus Kelsterbach bei Frankfurt/Main die neue Präsidentin der Landeszahnärztekammer Hessen (LZKH). Sie steht an der Spitze eines ebenfalls frisch gewählten Vorstandsteams. Mit den zm spricht sie über ihre politische Agenda, die sie zusammen mit ihrem Team in Hessen umsetzen will. Zentrale Themen sind unter anderem die Förderung des beruflichen Nachwuchses, Fachkräftesicherung, Digitalisierung und Nachhaltigkeit.
Frau Dr. Seiz, Sie sind seit Ende Januar die neue Präsidentin der LZK Hessen. Ihr Vorgänger, Dr. Michael Frank, war 25 Jahre im Amt und hat die Geschicke der Kammer über zwei Dekaden geprägt. Welche Herausforderungen sehen Sie da für sich in der Umbruchszeit?
Das Amt der Präsidentin ist natürlich eine große Herausforderung und mit viel Verantwortung verbunden. Die Herausforderung wäre aber ungleich größer, wenn ich ganz neu in den LZKH-Vorstand und in dieses Amt gewählt worden wäre. Ich bin aber bereits seit mehr als zehn Jahren Teil dieses Führungsgremiums und habe die Politik meines Vorgängers mitgetragen und mitgestaltet. Deshalb spreche ich gerne von einer gewissen Kontinuität im Wechsel. Ich werde sicher in den kommenden Jahren eigene neue Akzente setzen, aber wir erleben hier in Hessen keinen völligen Neustart.
Eine gewisse Herausforderung — und vielleicht auch so etwas wie ein Umbruch — ist die Tatsache, dass nahezu der gesamte Vorstand gewechselt hat. Die neuen Vorstandsmitglieder müssen sich erst einmal in ihr Amt einfinden, aber dabei werden der Vizepräsident und ich sie nach Kräften unterstützen. In jedem Fall haben die Delegierten mit ihrem Votum ein hoch motiviertes, kompetentes Team zusammengestellt und ich freue mich sehr auf die gemeinsame Arbeit.
In den Kammern und den KZVen kommen jetzt plötzlich Frauen in die Vorstände. Haben die gesetzlichen Vorgaben im Nachhinein doch etwas gebracht?
Die Regelung im Krankenhauspflegeentlastungsgesetz, dass Vorstände künftig nicht mehr rein männlich zu besetzen sind, verpflichtet im zahnärztlichen Bereich die KZVen und die KZBV, nicht aber die Kammern. Ob hier Frauen oder Männer in Vorstände und Präsidien gewählt werden, ist ein rein demokratischer Prozess.
Welche neuen Akzente wollen Sie als erste Frau an der Kammerspitze in Hessen setzen?
Ich denke nicht, dass ich prinzipiell andere Akzente setzen werde, als ein Mann dies tun würde. Die Herangehensweise ist vielleicht manchmal etwas anders, aber grundsätzlich müssen die Probleme und Herausforderungen des Berufsstands gelöst oder positiv beeinflusst werden. Ich habe als Standespolitikerin mit langjähriger Erfahrung im Land und auf Bundesebene eigene Sichtweisen, welche Konzepte tragen. Und dies sind die inhaltlichen Akzente, die ich in den kommenden Jahren in meiner Arbeit setzen werde.
Und welche Schwerpunkte wollen Sie als erstes angehen?
Wir haben viele Themen weit oben auf der Agenda und ich gehe davon aus, dass diese Themen auch in den anderen Kammern die oberen Plätze auf der Dringlichkeitsliste einnehmen. Wie schaffen wir es, gut ausgebildeten Nachwuchs für die Praxen zu gewinnen, im Zusammenhang mit dieser Frage das Berufsbild der Zahnmedizinischen Fachangestellten attraktiver zu machen und die Ausbildungsqualität zu sichern? Welche Rolle können Social Media und Influencer bei der Verbesserung der Fachkräftesituation spielen? Wie erhalten wir eine gerechte Honorierung für zahnmedizinische Leistungen auf der Höhe der Zeit? Wie stärken wir die zahnärztliche Selbstverwaltung, das Verständnis für deren Bedeutung bei unseren Mitgliedern und die Bereitschaft, in diesem Bereich mitzuarbeiten und sich einzubringen? Und wie erhöhen wir dauerhaft die Attraktivität der Niederlassung im ländlichen Raum? Dies sind nur einige Beispiele für die grundlegenden Fragen, denen wir uns widmen müssen.
Welche Sachthemen für Zahnarztpraxen sollen unter Ihrer Führung vorangebracht werden?
Neben den genannten Aspekten gibt es Themen, die noch etwas konkreter sind. Wie lassen sich beispielsweise sinnvolle digitale Anwendungen in den Praxisalltag integrieren und welche Schritte bei der Digitalisierung machen überhaupt Sinn, um Abläufe zu verbessern? Und wie setzen wir das Thema Nachhaltigkeit in den Praxen um, denn hier reden wir nicht nur von Mülltrennung und Energiesparlampen, sondern von einem alle Bereiche umfassenden Konzept, das die Attraktivität der Praxis für Patienten und ZFA erhöht, und zudem Ressourcen und damit auch das Budget schont.
Ein besonderer Fokus der Kammer liegt auf der Förderung des beruflichen Nachwuchses mit dem Programm „Meet & Greet“ für angehende und junge Zahnärztinnen und Zahnärzte. Welchen Ansatz hat das Projekt und welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?
Meet & Greet, unser Talkshow-Format, ist nur ein Teil einer Reihe von Angeboten, mit denen wir uns an die neuen und jungen Mitglieder und die Studierenden wenden. Was hier in jedem Fall zu nennen wäre, sind die Veranstaltungen, die wir unter dem Label „Welcome Days“ anbieten, etwa den Tag der Berufseinsteiger mit Brunch und Workshops im Haus der Kammer, der seit mehreren Jahren sehr gut angenommen wird.
Meet & Greet hat den Charakter eines Online-Talks zu unterschiedlichen Themen, in den kleinere Vorträge integriert werden, über die dann in lockerer Runde diskutiert wird. Die online Teilnehmenden können sich selbstverständlich mit Fragen einbringen. Beim letzten Mal Anfang März ging es um das Thema Weiterbildung OCH/KFO. Wir informieren rechtzeitig im Vorfeld mittels App, Newsletter und auf der Webseite. Schauen Sie doch einfach beim nächsten Mal rein.
Wie wollen Sie die Mitarbeit in der Kammer für junge Zahnärztinnen und Zahnärzte attraktiver machen?
Neben einer zeitgemäßen Vermittlung der Kammerthemen und dem großen Nutzen einer Selbstverwaltung für jedes Mitglied – etwa über Social Media und unsere Online-Kanäle – ist es sinnvoll, schon bei den Studierenden das Bewusstsein für die Kammer, deren Aufgaben und Strukturen und deren Nutzen für Zahnärztinnen und Zahnärzte zu schärfen. Wer den Wert einer Institution erkennt, hat eine höhere Bereitschaft sich einzubringen und wird möglicherweise eher den Schritt tun, sich nach dem Examen auf Ebene der Kreisstelle oder in Ausschüssen zu engagieren.
Zum Schluss eine etwas persönlichere Frage: Welche beruflichen Stationen waren für Sie zur Vorbereitung auf Ihr neues Amt besonders wichtig?
Neben meiner Tätigkeit in der Praxis und in der Uniklinik und dem daraus resultierenden guten Netzwerk in diesem Bereich sind es die bereits genannten zehn Jahre Vorstandstätigkeit und die Mitarbeit in vielen Ausschüssen auf Bundesebene und zudem als stellvertretende Vorsitzende der Bundesversammlung. Ich habe dadurch tiefe Einblicke in das standespolitische Geschehen gewonnen und sehr viele gute Kontakte geknüpft, die mir die Arbeit an der Spitze der Landeszahnärztekammer Hessen sicher erleichtern werden.
Das Gespräch führte Gabriele Prchala.