Von alten und neuen Rechten

Das Patientenrechtegesetz feiert in diesen Tagen sein zehnjähriges Bestehen. Das Gesetz hatte im Jahr 2013 unter anderem die Unterstützung bei vermuteten Behandlungsfehlern sowie die Rechte zur Einsicht in Patientenunterlagen neu geregelt. In der Folge war die Zahl der gemeldeten vermuteten Behandlungsfehler stark gestiegen. Vielen Patientinnen und Patienten nutzten die Möglichkeiten, die das neue Gesetz bot. Inzwischen haben sich die Zahlen der Behandlungsfehlervorwürfe auf einem relativ festen Niveau stabilisiert, ebenso wie die Quote der anerkannten Behandlungsfehler, die bei rund einem Drittel liegt – mal etwas mehr, mal etwas weniger. In absoluten Zahlen liegen die Behandlungsfehler in Relation zu den Behandlungszahlen in Deutschland auf einem erfreulich niedrigen Niveau – natürlich gibt es auch hier eine vermutete große Dunkelziffer, über deren Höhe gerne mal spekuliert wird. Aber das haben Dunkelziffern so an sich. Das Recht, prüfen zu lassen, ob eine Behandlung, die nicht wunschgemäß verlaufen ist, wirklich fehlerhaft war, ist ein hohes Gut. Aber im medizinischen Bereich ist bekanntermaßen nicht jeder unerwünschte Verlauf ein Fehler. Menschen sind schließlich keine Autos. Behandlungsverläufe sind vielmehr immer individuell.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat nun kürzlich angekündigt, das Patientenrechtegesetz „fortzuschreiben“. Zuvor hatte auch der Patientenrechtebeauftragte der Bundesregierung eine weitere Stärkung der Patientenrechte gefordert. Was zunächst einmal gut klingt, lässt mit Blick auf die bisherige Gesetzgebung unter der Ägide des SPD-Politikers aufhorchen. Denn ein Patientenrechtegesetz muss auch immer die Rechte der Zahnärzteschaft und der Ärzteschaft im Blick haben. Rechte und Pflichten müssen ausgewogen verteilt sein. Die Erfahrungen zeigen aber, dass sich Lauterbach bisher herzlich wenig um die Belange der „Leistungserbringer“ geschert hat – seien sie auch noch so berechtigt gewesen. Konkrete Pläne für das Gesetz sind noch nicht bekannt. Allerdings deutete Lauterbach bereits an, neben der Überarbeitung des Gesetzes auch die Rechte der Patientenvertreter im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) stärken zu wollen –ein Veto-Recht bei einigen Entscheidungen ist wohl im Gespräch. Es steht zu befürchten, dass die Arbeit in diesem Gremium, das wirklich gut funktioniert, konterkariert wird.

Der Minister sollte vielmehr seinen Blick dorthin lenken, wo Patientenrechte systematisch und strukturell verletzt werden. Das ist in den Kliniken und in den versorgungsfremden MVZ sehr oft der Fall. Denn wenn die Ökonomie im Vordergrund steht, bleiben die Belange der Patientinnen und Patienten gerne mal auf der Strecke. Oder anders gesagt: Wenn ich einen Hammer habe, sieht alles aus wie ein Nagel. Nun scheint das Lauterbach auch durchaus erkannt zu haben, wenn er sagt, dass sich „Patienten darauf verlassen können sollen, dass nur das getan wird, was medizinisch sinnvoll ist“. Wie ernst er es damit meint, wird das angekündigte MVZ-Gesetz aber erst zeigen müssen. Es gilt also wachsam zu bleiben.

Themenwechsel: Gesetzgeberischen Handlungsbedarf gibt es auch an anderer Stelle. Die freiwillige Verpflichtung der Industrie, den Zuckergehalt in Softdrinks zu reduzieren, ist bisher gnadenlos gescheitert. Wie Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) kürzlich mit einer Studie herausgefunden hat, hat sich der durchschnittliche Zuckergehalt in Softdrinks von 2015 bis 2021 lediglich um zwei Prozent reduziert. Es zeigt sich vielmehr, dass die Industrie jeden, aber auch wirklich jeden Trick nutzt, um die Verbraucher zu täuschen. Der von der ehemaligen Bundesernährungsministerin und Weinkönigin Julia Klöckner eingeschlagene Kuschelkurs mit der Industrie muss endlich ein Ende haben. Eine Zuckerabgabe muss her. Anders wird es kaum zu einer erkennbaren Zuckerreduktion kommen.

Viel Spaß bei der Lektüre

Sascha Rudat
Chefredakteur

Mehr zum Thema Zuckerreduktion können Sie auf Seite 30 lesen.

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