Dental Emergency Team in Krakau

Das Zahnmobil versorgt Geflüchtete aus der Ukraine

Heftarchiv Gesellschaft
Alexander Schafigh
,
Armin Reinartz
Das Dental EMT hilft seit März ukrainischen Geflüchteten in Polen und wurde beim Einsatzauftakt von PatientInnen förmlich überrannt. Das liegt nicht zuletzt auch am sehr maroden Gesundheitssystem vor Ort, das überlastet scheint.

So einiges mussten wir noch bis kurz vorm ersten Einsatz umplanen und anders angehen: Bis unser Zahnmobil endlich fertig war, vergingen satte zehn Monate. In der Zeit hatte sich die Lage in Moldawien verschärft, wo wir uns ursprünglich platzieren wollten, so dass wir beschlossen, nach Polen auszuweichen. Das Nachbarland der Ukraine erlebte vor allem unmittelbar nach Kriegsbeginn einen riesigen Flüchtlingsstrom und ist neben Deutschland größter Aufnahmestaat in der EU, bei knapp 40 Millionen Einwohnern.

Allerdings merkten wir vor Ort schnell, dass es um das Gesundheitswesen schlecht bestellt ist. Die zusätzlichen Patienten bringen es weit über die Belastungsgrenze. Es gibt so gut wie keine Termine für Zahnbehandlungen. Laut Schätzungen sind zu Beginn dieses Jahres noch bis zu 1,5 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer schutzsuchend in Polen geblieben – und mit der Zeit haben sich natürlich zahnmedizinische Notfälle angestaut.

Kaum angekommen hatten wir alle Hände voll zu tun: Wir behandelten Abszesse, herausgebrochene Brücken und Kronen sowie eine enorme Menge an Karies- und Parodontitis-Fällen. Insgesamt haben wir 400 Patientinnen und Patienten in den ersten zwei Wochen in Krakau versorgt. Dort fanden wir Schutz hinter Klostermauern bei den Dominikanerinnen, wo wir uns im Garten einrichteten. Der Einsatz verlief erfolgreich.

Wie gut kann man vorbereitet sein auf Kriegsgeflüchtete?

Doch wie gut kann man vorbereitet sein, wenn man zu einem Hilfseinsatz ins Ausland aufbricht, ohne genau zu wissen, wie die Umstände vor Ort sein werden. Oder wie groß die Nachfrage nach Hilfe sein wird. Oder inwieweit an das dortige Gesundheitssystem angeknüpft werden kann.

Unser Antrieb war, den Kriegsgeflüchteten mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln zu helfen. So bewarben wir uns um die Aufnahme in den nationalen Krisenstab und stellten unsere Expertise in der zahnmedizinischen Hilfe dar. Die Stuttgarter Hilfsorganisation STELP kam auf uns zu und bot uns den Kauf eines Rettungswagens an, mit dem Ziel, diesen in eine fahrbare Zahnstation umbauen zu lassen. Auch wir hatten in unserer Gründungsphase schon einmal eine solche Idee, hatten diese aber wegen der hohen Kosten in der Schublade verschwinden lassen müssen.

Was für ein Glück – STELP finanzierte am Ende sogar den ganzen Umbau des Mobils. Und wir als Dental EMT besorgten die notwendige Ausstattung – Behandlungsstuhl, Kompressor, Absauganlage, Autoklav und alles andere zahnärztliche Equipment und Mate­rial. Christian Novoselac aus Ludwigsburg, ursprünglich gelernter Anlagenmechaniker, seit 13 Jahren Rettungs­sanitäter und bestens vertraut mit allen Arten von Rettungsfahrzeugen, suchte das passende Fahrzeug aus und führte sämtliche Umbauarbeiten in Eigen­regie aus.

Anfang März verluden wir am Startort in Bornheim kistenweise Instrumente, Hygieneartikel, Sterilisations- und Füllungsmaterial, das Zahnärzte und die Dentalindustrie gespendet hatten oder von uns gekauft worden war. Nun hatten wir eine fahrbare Praxis auf die Beine gestellt und waren ausgerüstet für alles, was auch in einer „festen“ Praxis für die Behandlungen gebraucht wird! Nur die Möglichkeit zu röntgen fehlt uns noch.

Von Bornheim nach Krakau sind es 1.050 Kilometer und 14 Stunden Fahrzeit – bis hinter die schützenden Mauern eines Klosters. Die mobile Zahnstation steht seit der Ankunft sicher im Klostergarten, die Volontärinnen und Volontäre sind im Kloster selbst untergebracht und werden dort auch verpflegt. Die Schwestern kümmern sich schon lange um die Geflüchteten und konnten dadurch eine sehr gute Verbindung zu den Menschen aufbauen, beobachteten wir.

Obdach im Klostergarten

Als die Nachricht auf einem Online-Portal veröffentlicht wurde, dass wir in Krakau bedürftige ukrainische Geflüchtete kostenlos behandeln, löste das einen Ansturm von Anfragen aus. Schon am Abend registrierten wir 500 Anmeldungen und am Ende des nächsten Tages mehr als 1.000. Das bedeutet eine Menge Arbeit. Unsere drei Zahnärzte vor Ort, Ingrid Schwab-Becker, Alexandra Deutsch und Frank Herdach, bewahren die Ruhe und arbeiten nach Kräften. Christian, unser Mann für die Technik und alles andere, unterstützt, wo er kann, und die dominikanischen Schwestern sorgen für das leibliche Wohl. Besser geht’s nicht!

Das angeschlagene polnische Gesundheitssystem, so wurde uns berichtet, ist mit den Geflüchteten völlig überlastet, in der Folge sind Termine erst nach Monaten zu bekommen. Wir hoffen also, mit unserem Einsatz die Situation ein wenig verbessern zu können. Das soll sich durch die Anschaffung eines portablen Röntgengeräts schon bald ändern. Soweit die Zeit und die Kapazitäten es zulassen, wird das Programm in Richtung Prophylaxe und Hygieneschulung in Kindergärten und Schulen erweitert. Aktuell laufen Gespräche über einen Umzug in ein Kloster, das näher an der ukrainischen Grenze liegt. Wir werden berichten.

Wir brauchen dringend freiwillige Zahnärzte und zahnmedizinische Assistenzkräfte, damit das Projekt möglichst unterbrechungsfrei läuft. Ein­sätze ab einer Woche sind möglich. Eine Registrierung bei der polnischen Ärztekammer ist leider unumgänglich. Wir unterstützen dabei gerne, denn inzwischen wissen wir genau, welche Formalitäten nötig sind.

Wer Lust hat, sich zu beteiligen, oder uns Sach- und Geldspenden zukommen lassen möchte, meldet sich unter:

www.dental-emt.org oder
info@dental-emt.org

Jegliche Hilfe ist willkommen!

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