Aus der Wissenschaft

Kein Zusammenhang von Diabetes und mundgesundheitsbezogener Lebensqualität?

Heftarchiv Zahnmedizin
Peer W. Kämmerer
In Deutschland ist bei 4,6 Millionen Erwachsenen im Alter von 18 bis 79 Jahren ein Diabetes diagnostiziert worden. Das RKI schätzt die Dunkelziffer auf weitere rund 1,3 Millionen. Zusammen entspricht das einer Prävalenz von etwa 9,2 Prozent in der Altersgruppe – angesichts der Wechselwirkungen der Erkrankung mit der Mundgesundheit eine Herausforderung für die Zahnmedizin. Eine Studie hat jetzt den Zusammenhang zwischen Diabetes mellitus und der mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität untersucht – mit einem überraschenden Ergebnis.

Diabetes mellitus ist eine chronische Krankheit, die durch eine Insulindysfunktion und einen Insulinmangel verursacht wird. Die daraus resultierende dauerhafte Hyperglykämie verursacht unter anderem Defekte und ein Versagen der Nerven, der Augen, der Nieren und des Herz-Kreislauf-Systems. Im Bereich des stomatognathen Systems zeigen sich ebenfalls vielfältige Effekte des Diabetes mellitus; vor allem eine erhöhte Inzidenz von Karies, Zahnfleischprobleme inklusive Parodontitis, Xerostomien, oralen Mykosen, eine erhöhte Wahrscheinlichkeit postoperativer Infektionen und eine beeinträchtigte Wundheilung werden berichtet.

Nach Schätzungen der International Diabetes Federation (IDF) – einem Zusammenschluss aus mehr als 230 nationalen Vereinigungen – lag die Prävalenz von Diabetes mellitus im Jahr 2021 bei mehr als 560 Millionen Erkrankten. Die IDF geht davon aus, dass sich diese Zahl weltweit bis 2045 auf mehr als 780 Millionen Patienten erhöhen wird. Somit ist davon auszugehen, dass auch die Zahnmedizin mit einer weiteren Häufung der Diabetes-assoziierten stomatognathen Pathologien und der direkten Auswirkungen auf die Lebensqualität der betroffenen Patienten zu rechnen hat.

Methode und Ergebnis

Eine iranische Arbeitsgruppe um Homagarani und Kollegen hat es sich daher zur Aufgabe gemacht, die Auswirkungen von Diabetes mellitus auf die mundgesundheitsbezogene Lebensqualität unter Einschluss der vorhandenen Literatur systematisch zu bewerten. Von initial 237 identifizierten Studien wurde anhand von elf final inkludierten Arbeiten (acht Querschnittsstudien und drei Fall-Kontroll-Studien) eine systematische Literaturanalyse und anhand von drei Artikeln (jeweils Fall-Kontroll-Studien) eine Meta­analyse durchgeführt.

Die Metaanalyse der drei Fall-Kontroll-Studien ergab keinen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen Diabetes mellitus und mundgesundheitsbezogener Lebensqualität. Bei den acht Querschnittsstudien zeigte sich ein uneinheitliches Bild: In fünf Studien wurde kein Zusammenhang zwischen Diabetes mellitus und der mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität beobachtet, während drei Querschnittsstudien einen Einfluss zeigten. Allerdings wiesen fünf Studien einen starken Einfluss von Diabetes mellitus auf die drei Bereiche Funktionseinschränkungen, psychische Beschwerden und körperliche Schmerzen nach. Daher schlagen die Autoren vor, dass Ärzte und Zahnärzte diesen Bereichen mehr Aufmerksamkeit schenken sollten. Mit anderen Worten: Die Anamnese bei Diabetikern sollte spezielle Fragen nach der Ernährung, nach Kauproblemen, Schmerzen, wunden Stellen und sonstigen Beeinträchtigungen der Lebensqualität im oralen Bereich beinhalten.

Diskussion

Insgesamt könnte der signifikante Unterschied in der Bewertung eines möglichen Zusammenhangs von Diabetes mellitus und mundgesundheitsbezogener Lebensqualität zwischen den eingeschlossenen Studien auf die Berücksichtigung unterschiedlicher Parameter oder auf unterschiedliche inkludierte Populationen zurückzuführen sein. Ein weiterer möglicher Grund für den fehlenden Zusammenhang zwischen einer Beeinträchtigung der mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität und Diabetes ist, dass bei den betrachteten Diabetikern – sie waren zuvor an Krankenhäuser und Kliniken überwiesen worden – anderen Aspekten der persönlichen Gesundheit mehr Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Schließlich basierten die Ergebnisse hauptsächlich auf Fragebogen­evaluationen und die Patienten waren nicht klinisch untersucht worden.

Schlussfolgerung

In Zusammenfassung der inkludierten Literatur scheint der Diabetes mellitus keinen statistisch signifikanten Zusammenhang mit der generellen mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität zu haben. Nichtsdestotrotz dürften Diabeteskomplikationen wie Xerostomie und Parodontalprobleme das Wohlbefinden zumindest mittelbar beeinträchtigen, auch wenn das den PatientInnen möglicherweise nicht bewusst ist. Zahnärzte können daher eine wesentliche Rolle bei der Sensibilisierung von Diabetikern für diese Probleme spielen und die Lebensqualität der betroffenen PatientInnen verbessern.

Originalpublikation: Homagarani YM, Adlparvar K, Teimuri S, Tarrahi MJ, Nilchian F: The effect of diabetes mellitus on oral health-related quality of life: a systematic review and meta-analysis study. Front. Public Health. 2023. 11:1112008. doi: 10.3389/fpubh.2023.1112008.

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