Studie aus Österreich

Frauen in Gesundheitsberufen haben ein erhöhtes Suizidrisiko

Heftarchiv Gesellschaft
mg
Forschende der MedUni Wien untersuchten erstmals in Österreich das Suizidrisiko von Gesundheitsberufen im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung. Ergebnis: Frauen sind besonders gefährdet.

Einige ausländische Studien weisen auf ein erhöhtes Suizidrisiko für Angehörige der Gesundheitsberufe hin, insbesondere für Frauen, während andere Untersuchungen auf ein geringeres Risiko in hochqualifizierten Berufen hindeuten. Allerdings sind die Ergebnisse nicht konsistent und variieren in verschiedenen Ländern, beklagen die Wiener Forschenden.

Sie untersuchten darum das Suizidrisiko von vier Gesundheitsberufen (ÄrztInnen, ZahnärztInnen, TierärztInnen und ApothekerInnen) und drei weiteren hochqualifizierten Berufen (NotarInnen, RechtsanwältInnen und SteuerberaterInnen/WirtschaftsprüferInnen) in Österreich im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung.

Zur Ermittlung von Suizidfällen wurden Daten von Berufsgenossenschaften und der österreichischen Todesursachenstatistik aus dem Zeitraum 1986 bis 2020 erhoben und geschlechtsspezifische standardisierte SMRs für die einzelnen Berufsgruppen errechnet. Die maximalen Beobachtungszeiträume waren dabei nicht für alle Gruppen gleich: für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte belief er sich von 1986 bis 2020 (35 Jahre), für Apotheker und Notare von 1991 bis 2020 (30 Jahre), für Steuerberater/Wirtschaftsprüfer von 1994 bis 2020 (27 Jahre) und für Rechtsanwälte von 1998 bis 2020 (23 Jahre). 

Insgesamt 212 Selbstmorde von ÄrztInnen ausgewertet

Um den Vergleich zwischen den Geschlechtern zu erleichtern, wurden für jede Berufsgruppe direkt altersstandardisierte Suizidraten pro 100.000 Einwohner unter Verwendung der Europäischen Standardbevölkerung von 2013 berechnet. Anhand relativer Häufigkeiten wurde außerdem die Verteilung der am häufigsten angewandten Suizidmethoden der österreichischen Allgemeinbevölkerung (zwischen 1998 und 2020) mit denen dieser Berufsgruppen verglichen.

Ergebnisse: Ärzte stellten mit 1.701 Todesfällen die größte Gruppe, Notare mit 46 die kleinste Gruppe. Das mittlere Todesalter der männlichen Berufstätigen lag zwischen 53,5 und 55,7 Jahren. In allen Berufen außer einem (Anwalt) war das mittlere Sterbealter der Männer höher als das mittlere Alter der Frauen. Männer stellten die Mehrheit der Todesfälle in allen Berufen, außer bei den Apothekern (59,6 Prozent Frauen), was höchstwahrscheinlich auf die Überrepräsentation von Männern in diesen Berufen zurückzuführen ist, schreiben die Forschenden. Notare und Rechtsanwälte wiesen mit nur 2,2 Prozent beziehungsweise 3,6 Prozent der verstorbenen Frauen das drastischste Geschlechterungleichgewicht auf.

Bei Männern hatten nur Tierärzte ein erhöhtes Risiko

Von der Gesamtzahl von 334 Suiziden stellten die Ärzte mit 212 erneut die größte, die Notare mit 5 die kleinste Gruppe. Das mittlere Sterbealter durch Suizid lag bei Männern zwischen 47,3 und 55,0 Jahren, bei Frauen zwischen 42,1 und 52,6 Jahren. Zwar wurde die Mehrheit der Suizide in allen Berufen außer bei den Apothekern (61,5 Prozent Frauen) von Männern begangen – aber in allen vier Gesundheitsberufen (Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker) war der Anteil der durch Suizid verstorbenen Frauen höher als der Anteil der weiblichen Angehörigen in der jeweiligen Berufsgruppe. Es gab keine Selbstmorde unter Anwältinnen oder Notarinnen.

Bei den Männern hatten nur Tierärzte ein signifikant erhöhtes Suizidrisiko (SMR 2,12) im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung. Ärzte, Zahnärzte und Steuerberater/Wirtschaftsprüfer hatten ein signifikant geringeres Suizidrisiko (SMR 0,55 bis 0,74). 

Bei den Frauen hatten die Tierärztinnen (2,96), Ärztinnen (1,58) und Apothekerinnen 1,73) hingegen ein signifikant erhöhtes Suizidrisiko; bei Zahnärztinnen war der Wert ebenfalls erhöht (1,74), wenn auch nicht statistisch signifikant. Die vorherrschende Selbstmordmethode unter Angehörigen der Gesundheitsberufe war Vergiftung.

Die vorherrschende Tötungsmethode war Vergiftung

„Die Ergebnisse zeigen, dass unter den männlichen Angehörigen dieser Berufsgruppen nur Tierärzte ein signifikant erhöhtes Suizidrisiko aufwiesen“, bilanziert Claudia Zimmermann von der Abteilung für Epidemiologie der MedUni Wien und Erstautorin der Studie.

In der Allgemeinbevölkerung sterben mehr als drei-mal so viele Männer an Suizid wie Frauen. Diese Kluft zwischen den Geschlechtern sei in den untersuchten Berufsgruppen deutlich kleiner (zum Beispiel doppelt so hohe Suizidrate von Apothekern im Vergleich mit Apothekerinnen) oder kaum mehr vorhanden (gleich hohe Suizidrate bei Zahnärzten und Zahnärztinnen).

Die Forschenden sehen einen dringenden Forschungsbedarf, um die Widersprüchlichkeiten in der verfügbaren Evidenz aufzulösen und die zugrunde liegenden Ursachen des Suizidrisikos in Gesundheitsberufen, insbesondere bei Frauen, aufzuklären. „Aufgrund unserer Erkenntnisse erscheint es notwendig, das Bewusstsein für potenziell erhöhte Risiken bei denjenigen zu schärfen, die Angehörige dieser Berufe professionell unterstützen und psychisch betreuen, und eine gezielte Suizidprävention zu implementieren.“

Originalstudie: Zimmermann C, Strohmaier S, Niederkrotenthaler T, Thau K, Schernhammer E. Suicide mortality among physicians, dentists, veterinarians, and pharmacists as well as other high-skilled occupations in Austria from 1986 through 2020. Psychiatry Res. 2023 May;323:115170. doi: 10.1016/j.psychres.2023.115170. Epub 2023 Mar 15. PMID: 37001488.

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