Der Geist aus der Flasche

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Über die aus deutscher Sicht unglaublichen Skandale der französischen Zahnmedizin in den vergangenen zehn Jahren haben wir wiederholt berichtet. Sie zeigen, was passiert, wenn eine absolute gesetzliche Deregulierung auf maximales Profitstreben von Dentalketten trifft – häufig auch noch gepaart mit großer krimineller Energie. Die gesundheitlichen und finanziellen Schäden der französischen Patientinnen und Patienten sind enorm. Natürlich lassen sich die Verhältnisse in unserem Nachbarland nicht eins zu eins auf Deutschland übertragen, aber sie machen deutlich, wohin es führen kann, wenn man die Tür einmal aufmacht und dem Markt ungehemmt freien Lauf lässt. Gewinnmaximierung und medizinisch und ethisch fundierte Behandlungswege passen einfach nicht zusammen. In Frankreich hat man jetzt reagiert und das Rad zurückgedreht. Für viele Patientinnen und Patienten kommt das zu spät.

In Deutschland hat die Bundesregierung angekündigt, die investorenbetriebenen MVZ stärker regulieren zu wollen. Es steht aber zu befürchten, dass die Regulierungsbestrebungen – anders als von den zahnärztlichen Standesorganisationen gefordert – nicht sonderlich weit reichen werden. Jedenfalls nicht so weit, dass eine Eindämmung erfolgreich umgesetzt werden kann. Gleichzeitig bringen sich die iMVZ und ihr Dachverband mit einem Gegengutachten in Stellung. Es soll die verfassungsrechtlichen Grenzen der befürchteten gesetzlichen Regulierungen aufzeigen. Wie weit das juristisch trägt, sei dahingestellt, aber es zeigt, dass es schwierig ist, einen Geist wieder in die Flasche zu bekommen, wenn er einmal draußen ist. Da dürfte noch mit harten Bandagen gekämpft werden. Wir werfen in dieser Ausgabe den Blick nach Frankreich, aber auch auf die aktuelle Situation in Deutschland. Eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung hat dabei die Arbeitsbedingungen in den iMVZ unter die Lupe genommen. Die oft genannte gute Work-Life-Balance ist anscheinend häufig mehr Legende als Wahrheit, so das ernüchternde Ergebnis.

Im zahnmedizinischen Teil dieser Ausgabe beschäftigen wir uns mit der Frage „Welche Unterkieferprotrusionsschiene passt zu meinem Patienten?“. Denn bei den zur Behandlung der obstruktiven Schlafapnoe eingesetzten Schienen spielt die individuell auf den Patienten abgestimmte Wahl der richtigen UPS-Bauart eine entscheidende Rolle. Unsere Expertin zeigt die wissenschaftliche und die klinische Evidenz. Außerdem beleuchten wir die Lachgassedierung als eine Alternative zur zahnärztlichen Narkose bei Kindern. Eine Studie aus Greifswald hat das Potenzial der Lachgassedierung für zahnärztliche Kinderbehandlungen analysiert.

Ein weiteres Thema: Süßstoffe. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt in einer neuen Richtlinie, zuckerfreie Süßstoffe nicht als Mittel zur Gewichtskontrolle einzusetzen: Man nimmt nicht ab und sie schaden der Gesundheit, so die WHO und ruft gar zum Kampf gegen Süßstoffe auf. Das wirft natürlich Fragen zur Verwendung von Süßstoffen im Kampf gegen Karies auf. Dazu hat sich die Aktion Zahnfreundlich geäußert, die die WHO-Richtlinie einordnet.

Dass im deutschen Gesundheitswesen das Personal an vielen Stellen immer knapper wird, ist bekannt – ebenso, dass Lücken häufig mit Fachpersonal aus Osteuropa gestopft werden. Aber auch der Globale Süden wird immer mehr zum Opfer des sogenannten Braindrains, bei dem der wohlhabende Norden seine Probleme auf Kosten der Entwicklungsländer zu lösen versucht. Dabei benötigen gerade die afrikanischen Staaten ihr medizinisches Fachpersonal selbst dringend für die Versorgung ihrer Bevölkerung.

Ob fünf Jahre Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ein Grund zum Feiern sind, liegt wohl stark im Auge des Betrachters. Sicher ist aber, dass die europaweit geltenden Datenschutzregeln Einfluss auf jeden von uns haben. Wir schauen uns in dieser Ausgabe an, wo es bis heute die größten Probleme mit der DSGVO gibt.

Viel Spaß bei der Lektüre

Sascha Rudat
Chefredakteur

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