Ausstellung im Wilhelm-Fabry-Museum Hilden

„Im Kaltlicht der OP-Lampe“

Kay Lutze
Das Wilhelm-Fabry-Museum Hilden zeigt eine Ausstellung zur Medizingeschichte. Präsentiert wird das Werk von Maina-Miriam Munsky. Die umstrittene Künstlerin sagte: „Ich male Operationen, die Geburt und den Tod."

Die kleine Retrospektive zu ihrem 80. Geburtstag widmet sich mit Gemälden und Grafiken dem Geburtsvorgang. Leihgeber sind Jan Schüler und Prof. Dr. Axel Murken, gezeigt werden aber auch Bilder der Künstlerin und ihres Mannes Peter Sorge aus der Sammlung des Fotografen Erhard Wehrmann.

Wie eine Fotografin, die im richtigen Moment den Auslöser drückte

Die Malerin wurde am 24. September 1943 in Wolfenbüttel geboren. Sie gehört zur Schule des neuen Realismus. Ihre klaren, kühl, bisweilen distanziert wirkenden Bilder zeigen den Blickwinkel quasi einer Fotografin, die im richtigen Moment den Auslöser drückte, um sehr emotionale Situationen festzuhalten.

Die Basis für ihr Schaffen legte Munsky zunächst an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig von 1963 bis 1965. Nicht ganz ein Jahr war sie an der Accademia die Belle Arti Florenz bei Ugo Capocchini. Dann ging sie ab Herbst 1966 zu Alexander Camaro und Hermann Bachmann als Meisterschülerin an die Hochschule für Bildende Künste in Berlin.

Teilweise sind ihre Bilder verstörend, wie die Darstellung von ungeborenen Kindern in Reagenzgläsern in dem Werk „Manipulation“ von 1981. Nur wenige Jahre zuvor war das erste Retortenbaby in Manchester zu Welt gekommen. Ihre Werke zum Thema „Geburt“ lassen sich auch als Aufarbeitung eines persönlichen Traumas sehen.

Zur Führung durch die Ausstellung war als Leihgeber auch der Düsseldorfer Künstler Jan Schüler anwesend, der über seine Mutter eine direkte Beziehung zur Künstlerin hatte. Er berichtet, dass Munsky als Studentin eine Affäre mit ihrem Professor hatte und schwanger wurde. Ihre Mutter Gertrud fuhr mit ihr zur Abtreibung nach Amsterdam. In Deutschland war dies damals noch verboten.

Nachdem sie von ihrem Professor schwanger war, fuhr sie zur Abtreibung nach Amsterdam

Der Zyklus zur Geburt entstand in einer Zeit, in der die gesellschaftliche Diskussion um Verhütung, Babypille und Schwangerschaftsabbruch in Deutschland voll entbrannt war. Ihre Arbeiten waren somit sehr politisch und wurden zum Teil sehr kritisch gesehen.

Ein Vorwurf war, sie würde den weiblichen Körper in pornografischer Weise darstellen und so quasi die pornografischen Bilder ihres Mannes Peter Sorge adaptieren. In der Tat mögen einige Arbeiten Munksys für die Zeit Anfang der 1970er Jahre drastisch und provozierend gewirkt waren. So malte sie den Geburtsakt, bei dem das Neugeborene noch mit Nabelschur dem Schoß der Mutter entgleitet, oder eine Kolposkopie 1972.

Im Ausstellungtext steht zu den Geburtsszenen: „Ihre Bilder zeigen, entgegen den typischen Erzählungen einer ausschließlich glücklichen Mutterschaft und dem idealisierten Kult um die Mutter-Kind-Beziehung, eine eher distanzierte Beziehung zu den Neugeborenen, das wir häufig isoliert, inmitten medizinischer Geräte sehen."

Zur Entstehung ihrer Bilder sagte Munsky: „Ich male meine Bilder nach eigenen Fotos und mit dem Pinsel. Ich male Eingriffe in das Leben der Frau, des Kindes. Ich male Operationen, die Geburt und den Tod. Ich male meine Bilder so objektiv, so wahrheitsgemäß wie es mir möglich ist." Munsky bekam 1970 die Erlaubnis in der Entbindungsstation der Städtischen Frauenklinik in Berlin-Neukölln zu hospitieren und Fotos als Vorlagen für ihre späteren Gemälde und Lithografien zu machen.

Oft wurden ihre Werke abgehängt. Von der Ausstellung “Künstlerinnen international 1877-1977“ in der Orangerie von Schloß Charlottenburg in Berlin wurde sie zunächst ausgeschlossen, aber auf weiteren Stationen der Schau dann doch gezeigt. Ihr wurde vorgeworfen, ihre Bilder seien nicht weiblich genug.

Zur Frauenbewegung hat sich Munsky einmal so geäußert: „Ich habe mich immer sehr für diese Frauenbewegungsgruppen interessiert; da gab es doch Gruppen, die die Abtreibungssache unterstützt haben, und da hab ich immer gedacht: Mensch, das ist doch genau das, was Du ewillst, warum machst Du da eigentlich nicht mit? Aber da war halt immer die Angst, um Gottes Willen, noch was, was dich auffrißt. Und es reicht dann eine Sache oder jetzt mit dem Kind zwei Sachen, die einen auffressen. Aber ich halte die Frauenbewegung für derart wichtig, und ich glaube auch, daß es das ist, was von unserer Zeit, von unseren Jahren, später übrig bleiben wird, und daß das eine Sache ist, die man hinten und vorne und überall unterstützen sollte.“ 1972 bekam Munsky ihren Sohn Daniel und war neben dem Beruf der Künstlerin nun auch selbst Mutter.

Munksys Œuvre war auch in anderer Beziehung sehr politisch. So setzte sie sich kritisch mit der NS-Vergangenheit ihrer Familie auseinander. Ihr Vater Oskar war tief in das NS Regime verstrickt. Sie änderte ihren Vornamen von Meina in Maina und setzte den jüdischen Vornamen Miriam hinzu. Die eigentlich blondhaarige Frau färbte ihre Haare Schwarz und trug schwarze Kleidung. Sie sagte von sich, sie sei Jüdin. 

Beide Künstler, Munsky und Sorge starben im Abstand von nur wenigen Wochen 1999 und 2000 an den Folgen übermäßigen Alkohol- und Nikotinkonsums. Sie wurden zusammen auf dem Alten St. Matthäus Friedhof in Berlin-Schöneberg begraben, in guter Gesellschaft bekannter Persönlichkeiten, unter anderen den Gebrüdern Grimm.

Munsky war lange Zeit in Vergessenheit geraten. Immerhin erwarb das Museum of Modern Art in New York, das MOMA, eine Zeichnung einer Geburtsdarstellung von 1977, und das Städel Museum in Frankfurt am Main zeigt seit 2018 zwei Werke der Malerin. Arbeiten von ihr befinden sich auch noch in anderen deutschen Sammlungen, wie dem Museum Kunst Palast in Düsseldorf oder Berlinischen Galerie.

Die Ausstellung läuft bis zum 22. Oktober 2023 im Wilhelm-Fabry-Museum in Hilden, Benrather Straße 32 a, 40721 Hilden. Während der Laufzeit gibt es ein interessantes Rahmenprogramm mit Führungen und Vorträgen.

Kay Lutze

Historiker, M.A.

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