Zahnarzt Christian Bartelt sitzt ab September im Bundestag

„Meine Praxis hat oberste Priorität“

Nach der Sommerpause rückt Zahnarzt Christian Bartelt für seinen zurückgetretenen FDP-Kollegen Hagen Reinhold in den Bundestag nach. In den Sitzungswochen vertritt ihn eine Kollegin in seiner Praxis in der 1.000-Einwohner-Gemeinde Spantekow, damit Bartelt 100 Prozent Politik machen kann. In der sitzungsfreien Zeit will er wieder selbst an seinen drei Behandlungsstühlen sitzen.

Herr Bartelt, aktuell sind Sie Beisitzer im Landesvorstand der FDP Mecklenburg-Vorpommern – nach der Sommerpause sitzen sie für den zurückgetretenen Abgeordneten Hagen Reinhold im Bundestag. Wie fühlt sich das an?

Christian Bartelt: Ich habe mich schon im Vorfeld der letzten Wahl an den Gedanken gewöhnt. Während der Hochrechnungen am Wahlabend saß ich für eine Weile sogar schon virtuell im Bundestag. Am Ende hat es für den zweiten Listenplatz aber nicht gereicht.

Die Nachricht vom Rücktritt Ihres Parteikollegen erreichte Sie im Urlaub.

Richtig. Ich saß auf einem kleinen Tauchschiff mitten in der Bandasee bei Indonesien. Der Urlaub war schon zu Corona-Zeiten geplant und konnte nach drei Jahren jetzt endlich stattfinden. Auf dem Boot war ich außerhalb von Raum und Zeit – mitten auf dem Ozean und ohne Netz. Dann habe ich, als wir das nächste Mal in der Nähe einer Landmasse waren, plötzlich 150 Nachrichten bekommen. Letztlich traf es mich aber nicht total überraschend, Hagen hatte mir gegenüber schon angedeutet, dass er ernsthaft über einen Rücktritt nachdenkt.

Mussten Sie also nur noch den fertigen Plan à la „Was wäre wenn ...“ aus der Schublade ziehen?

So in etwa. Mit dem einzigen Unterschied, dass es jetzt sehr konkret wird. Es ist also nicht nur „Was wäre wenn ...“, sondern mehr ein „Wie löse ich das?“ Dann stellt man sich Fragen wie: Was will ich machen? Was kann ich leisten, was will ich leisten – und wie kriege ich das bewerkstelligt?

Schon bei Ihren ersten Kandidaturen für den Bundestag haben Sie immer erklärt, Ihre Praxis im Kreis Vorpommern-Greifswald weiterbetreiben zu wollen. Wie lösen Sie nun das Problem, dass Sie in den Sitzungswochen im 140 Kilometer Luftlinie-entfernten Berlin eingespannt sind?

Ich habe zum Glück tatsächlich schon eine Kollegin gefunden, die mich in den Sitzungswochen vertreten wird – und dafür sogar noch einmal aus der Rente zurückkommt. Sie hatte früher eine eigene Praxis, hatte in den vergangenen zwei Jahre angestellt gearbeitet und war seit Anfang des Jahres eigentlich im Ruhestand. Mit ihr wird die Praxis halbtags besetzt sein. Das war ihre Bedingung.

Haben Sie schon eine Bleibe in Berlin?

Nein. Zunächst werde ich wohl im Hotel wohnen. Alles weitere sehen wir dann.

Was bedeutet der berufliche Umzug für Sie privat? Sie sind verheiratet und haben drei Kinder.

Was die Kinder angeht, wird das relativ einfach: Mein großer Sohn ist schon erwachsen und in der Ausbildung. Die beiden Kleineren sind 12 und 13 Jahre und gehen ab September beide in ein Sportinternat. Das hat sich unabhängig von meiner Nominierung ergeben. Wenn ich nicht da bin, sind die Kinder also auch nicht zu Hause. Da ändert sich nichts. Einzig für meine Frau wird es schwierig, wenn wir dann alle ausgeflogen sind.

Nach ihrem Einzug sind Sie der zweite Zahnarzt im Parlament. Dr. Christina Baum vertritt jedoch die AfD. Welche Erfahrungen haben Sie in MV mit den Rechtspopulisten gesammelt?

Ich mache ja seit mehr als 20 Jahren Kommunalpolitik und im Kreistag haben wir eine riesengroße AfD-Fraktion. Die Berührungspunkte sind also ausreichend gegeben. Da habe ich viel erlebt – und bin mal gespannt, wie sich das dann in Berlin verhält.

Wie schätzen Sie denn als Nachrücker zur Mitte der Legislatur Ihren Einfluss ein Themen mitzugestalten?

Ich denke mal, dass ich mich bis Ende des Jahres eingegroovt habe. Ich bin ja nicht ganz neu in der Materie und habe schon einige Verbindungen.

Wie funktioniert das sonst ganz praktisch, übernehmen Sie das Abgeordnetenbüro und die Mitarbeiter von Herrn Reinhold?

Ja, aktuell hoffe ich, alle Mitarbeiter übernehmen zu können. Dazu gehören eine Büroleitung, ein Mitarbeiter für die Presse sowie zwei wissenschaftliche Mitarbeiter. Das hängt aber auch davon ab, welche Themengebiete ich bekomme. Das ist im Moment die große Unbekannte. Hagen hat maritime Wirtschaft gemacht, was ich gerne übernehmen würde. (Da komme ich in gewohnte Strukturen und stecke zum Teil auch schon in der Materie. Mit Bauen und Wohnen habe ich hingegen gar nichts am Hut und auch keine Ahnung. Das habe ich dem parlamentarischen Geschäftsführer auch direkt gesagt.) Jetzt ist innerhalb der Fraktion aktuell aber auch Bewegung und es werden einige Ausschusssitze frei. Welche zwei Themen ich bekomme, kann ich darum noch nicht sagen. Meine Wunschthemen sind die maritime Wirtschaft und Sport- beziehungsweise Gesundheitspolitik. Aber da ist noch einiges im Fluss, das sich hoffentlich in der Sommerpause klären wird.

Was sind denn aus Ihrer Sicht die größten Baustellen in der Gesundheitspolitik?

Huh, das sind wirklich viele. Eines aber steht fest: Wir haben es als Freiberufler im Moment besonders schwer, weil wir einen Gesundheitsminister haben, der sich komplett auf die Kliniken konzentriert und uns gar nicht im Blick hat. Das muss sich zwingend ändern – und das sehe ich auch als meine Aufgabe an.

Sind sie gekommen, um zu bleiben? Sprich: Kandidieren Sie 2025 wieder für den Bundestag?

Also, erstens hat die Kollegin, die mich jetzt vertritt, ganz klar gesagt, dass sie es nur für den überschaubaren Zeitraum von zwei Jahren macht. Erschwerend kommt hinzu, dass ich furchtbar gerne Zahnarzt bin. Das Ist nicht nur meine Existenzgrundlage, sondern auch meine Passion. Deswegen stand für mich von Anfang an fest, dass ich das nicht aufgeben werde.

Nehmen wir mal an, Sie bekommen beides gut unter einen Hut.

Ich schließe nicht aus, dass ich die Arbeit im Bundestag auch länger machen würde, wenn ich merke, dass das so funktioniert. Aber immer unter der Prämisse, dass meine Praxis Priorität hat. Klar, in den Sitzungswochen, wenn ich in Berlin bin, kann ich mich zu 100 Prozent der Arbeit im Bundestag widmen. Aber wenn in Spantekow bin, dann heißt das für mich andersherum auch, dass ich mich zu 100 Prozent der Praxis widme. Und erst wenn ich die Praxistür nach dem letzten Patienten abschließe, geht es wieder politisch los. 

Das ist ja nicht nur beruflich, sondern auch geografisch ein Sprung zwischen zwei Welten: auf der einen Seite eine Gemeinde mit knapp 1.000 Einwohnern, auf der anderen die Bundeshauptstadt ...

Na klar. Spantekow ist zwar ein Mittelzentrum mit eigener Schule, zwei Ärzten und einer Apotheke – wir haben also Infrastruktur. Aber Vorpommern südlich der Peene ist schon ländlicher Raum. Und zwar durch und durch. Ich bin über den Kontrast aber auch ganz froh. Durch regelmäßige politische Termine habe ich bereits einen Bezug zu Berlin und freue mich drauf. Die Hauptstadt, und speziell der Bundestag, ist natürlich eine Blase. Wenn man da regelmäßig zu Hause die Füße auf den Boden stellt, schadet das nicht.

Das Gespräch führte Marius Gießmann.

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.