Studie der Universität Mannheim

Schon zwei Minuten Zucker-Aufklärung wirken

Wenn Menschen über den Zuckergehalt einzelner Speisen und Getränke informiert werden, sind sie eher dazu in der Lage, die Menge an Zucker auch in anderen Lebensmitteln korrekt einzuschätzen. Das scheint plausibel, doch die neue psychologische Studie der Universität Mannheim liefert auch eine überraschende Erkenntnis.

Die Forscherinnen wollten herausfinden, wie gut Menschen den Zuckergehalt von Lebensmitteln schätzen können und ob sich die Genauigkeit ihrer Taxierung durch eine kurze Intervention verbessert. Dazu rekrutierten sie 177 Probanden (131 Frauen, 46 Männer) über das Portal Sona Systems. Befragt wurden Erwachsene zwischen 19 und 64 Jahren. 94 Prozent hatten einen Realschul- oder höherwertigen Schulabschluss beziehungsweise einen akademischen Abschluss. Personen, die zum Zeitpunkt der Befragung über Essstörungen wie Anorexia nervosa oder Bulimia nervosa und/oder Diabetes Typ I oder Typ II berichteten, wurden von der Bewertung ausgeschlossen.

Der Zuckergehalt eines Donuts entspricht dem einer ganzen TK-Pizza

Insgesamt wurden 80 Lebensmittel für den Test zusammengestellt, jeweils zehn in acht verschiedenen Lebensmittelkategorien: Obst, Gemüse, Fisch und Fleisch, Milchprodukte und Pflanzenmilch, stärkehaltige Kohlenhydrate, Getränke, Fast Food und Süßigkeiten. Dabei wurden Artikel ausgewählt, die man in einem typischen deutschen Supermarkt oder als Fast Food kaufen kann. Sie unterschieden sich in ihrem Zuckergehalt (von 0 bis 59 Gramm Zucker pro 100 Gramm beziehungsweise Milliliter) und in ihrem Verarbeitungsgrad von unverarbeiteten oder minimal verarbeiteten Lebensmitteln, wie einem Apfel oder einem Glas Milch, bis hin zu stark verarbeiteten Lebensmitteln wie Tiefkühlpizza.

Verwendet wurden typische Portionsgrößen (etwa ein Apfel, 14 Gramm Zucker) oder typische Einkaufsgrößen (eine Tafel Schokolade, 59 Gramm Zucker). Aus den zehn Elementen in jeder Kategorie wählten die Wissenschaftlerinnen zwei Ausgangselemente aus, die repräsentativ für den mittleren Zuckergehalt dieser Kategorie waren. Die verbleibenden acht Artikel wurden in zwei Sätze mit jeweils vier Artikeln aufgeteilt, so dass der mittlere Zuckergehalt für die beiden Sätze ähnlich war. Ein Satz wurde als anfänglicher Schätzsatz verwendet; der andere wurde als Übertragungssatz verwendet. Vor der Schätzung des Übertragungssatzes wurden den Teilnehmenden als sogenannte Seeding-Information Artikelfotos mit ein dazugehörigem Stapel Würfelzucker gezeigt. Der Stapel Zuckerwürfel stellte jeweils den Zuckergehalt des Artikels dar (ein Würfel entsprach 3 Gramm). Bei Bedarf wurden Zuckerwürfel auch halbiert.

Ergebnis: Wer die zweiminütige Aufklärung erhielt, verbesserten sich in der Genauigkeit seiner Schätzung deutlich. Die Abweichungen verringerten sich von von 15 bis 20 Gramm auf 3 bis 4 Gramm. „Bei den Personen ohne Aufklärung blieben die Schätzungen so ungenau wie im ersten Studienteil“, erklärt Erstautorin Dr. Julia Groß. „Wir waren erstaunt, wie gut Personen das soeben Gelernte auf neue Lebensmittel übertragen konnten."

Ein Teelöffel Nutella hat so viel Zucker wie ein Glas Buttermilch

Die Forscherinnen halten die Intervention für eine „sehr schnelle und kostengünstige Möglichkeit, um starke Effekte zu erzielen.“ Groß sieht zudem in der starken Verbreitung von Gesundheits-Apps eine Chance, derartige „Seeding“-Interventionen künftig zu platzieren.

Weitere Beobachtung: Dass ein Fruchtjoghurt mehr Zucker enthält als ein Apfel und Schokolade wiederum mehr als beide Produkte, wusste ein Großteil der Teilnehmenden. „Überraschend war jedoch, dass sie den Gehalt an Zucker in den einzelnen Lebensmitteln grundsätzlich überschätzt haben“, erklärt Groß. „Wir haben erwartet, dass sie ihn eher unterschätzen, da die Menschen grundsätzlich zu viel Zucker konsumieren."

Wichtig ist aus Sicht der Forscherinnen ein wachsendes Bewusstsein für die Verzehrrichtlinien., denn frühere Untersuchungen deuteten darauf hin, dass die von der Weltgesundheitsorganisation empfohlene maximale Aufnahmemenge von 25 Gramm pro Tag für Erwachsene nur wenig bekannt ist.

Groß, J., Loose, A. M., & Kreis, B. K. (2023). A simple intervention can improve estimates of sugar content. Journal of Applied Research in Memory and Cognition. Advance online publication. https://doi.org/10.1037/mac0000122

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