Arbeitgeber in Probezeit
Generell wird das Onboarding wichtiger fürs Recruiting, weil immer mehr Arbeitnehmer heute die Wahl haben – und die Bindung zu neuen Arbeitgebern sinkt“, schreibt der Berliner Personaldienstleister Softgarden GmbH in seinem Bericht zu einer eigenen aktuellen Befragung. Wenn das Angebot an attraktiven Jobs und Arbeitgebern die Nachfrage dauerhaft und deutlich übersteigt, werde die Einarbeitungsphase zunehmend zur „Probezeit für Arbeitgeber“.
Das Ergebnis der Softgarden-Umfrage unter 2.160 Bewerberinnen und Bewerbern zeigt: Da ist noch Luft nach oben. Im Sommer 2022 gaben 17,8 Prozent der Befragten an, schon einmal während der ersten 100 Tage den Job gekündigt zu haben – vier Jahre zuvor waren es noch 11,6 Prozent.
Angaben zum Onboarding gehören in die Stellenanzeige
Gerade das Onboarding spielte für knapp die Hälfte der Bewerber (49 Prozent) eine wichtige Rolle bei der Entscheidung für oder gegen einen neuen Arbeitgeber. Und das beginnt nicht erst mit der Vertragsunterzeichnung, sondern schon mit der Stellenanzeige: 64,2 Prozent der Bewerber sind der Meinung, dass der Arbeitgeber sie bereits dort über die geplante Einarbeitungsphase informieren sollte, im Karrierebereich einer Unternehmenswebsite erwarten dies 77,6 Prozent, beim Jobinterview fast neun von zehn Befragten (87,4 Prozent).
Ähnlich viele Befragte (89,2 Prozent) fordern ein, dass das Gesagte und die Realität anschließend auch übereinstimmen. Laut Umfrage ist die Diskrepanz zwischen Worten und Taten jedoch groß: In der Praxis machten 2022 nur 52,9 Prozent die Erfahrung, das zugesagte Leistungen vom Arbeitgeber auch eingehalten wurden. Ein konstant schlechter Wert – 2018 waren es 54,8 Prozent.
Wenn sich diese Erwartungen nicht erfüllen, sind die Befragten besonders enttäuscht:
Mehr als neun von zehn (92,3 Prozent) wünschen sich, dass die Vorgesetzten ihre Erwartungen an neue Beschäftigte klar formulieren, diese Erfahrung machten allerdings nur 59,3 Prozent.
90,3 Prozent wollen regelmäßiges Feedback zu ihrer Arbeit, jedoch bekommt dies nur jeder Zweite (50,3 Prozent)
90,1 Prozent fordern mit zunehmender Beschäftigungsdauer mehr Freiheiten, um möglichst selbstständig ihre Aufgaben zu erledigen. Erlebt haben dies 76,8 Prozent.
86,9 Prozent wünschen sich einen gelassenen Chef, der auch bei Fehlern ruhig bleibt. Das erleben jedoch nur 68 Prozent.
81,3 Prozent erwarten in der Anfangsphase ihrer Beschäftigung die volle Unterstützung ihres Vorgesetzten – doch berichten können davon nur 51,5 Prozent.
Eine weitere Befragung des Recruiting-Dienstleisters unter 3.381 Bewerberinnen und Bewerbern zeigte im Sommer 2023, wie im aktuellen Arbeitnehmermarkt deren Anspruchsdenken steigt. Mehr als jeder Zweite (54,3 Prozent) gab ab, dass die Möglichkeit zu Homeoffice oder einem hybriden Arbeitsmodell die Entscheidung für oder gegen einen Job „sehr stark“ oder „stark“ beeinflusst.
Höchstens zehn Minuten darf die Online-Bewerbung dauern
Vor einer Bewerbung checken viele via Google Erfahrungsberichte von Ex-Mitarbeitern, die Länge des Arbeitswegs sowie das Gehalt oder die Angaben zum Arbeitsklima. Außerdem fordern Bewerber heute unkomplizierte Bewerbungsprozesse ein: 90,7 Prozent finden ein rasches Upload eines Lebenslaufs im Rahmen einer klassischen Online-Bewerbung „gut“ oder „sehr gut“, bei der One-Click-Bewerbung, also dem Übermitteln eines auf einem Business-Netzwerk gespeicherten Lebenslaufs als Bewerbung sind es 68,4 Prozent.
„Killerkriterien“, die häufig zum Abbruch eines Online-Bewerbungsprozesses führen, sind dagegen:
„Pflichtfelder, die mit der Stelle nichts zu tun haben“ (66,4 Prozent)
„Schwierigkeiten beim Upload von Dokumenten, wenn zum Beispiel Dateigrößen nicht ausreichen“ (65,7 Prozent)
„Keine Upload-Möglichkeit für den Lebenslauf, stattdessen manuelle Eingabe“ (64,1 Prozent)
„Bewerbung kann nur gestartet werden, wenn ein Account mit Passwort angelegt wird“ (63,6 Prozent)
Für jeden Dritten (34,5 Prozent) ist es bereits ein Ausschlusskriterium, wenn keine Bewerbung vom Handy aus möglich ist. Allzu viel Zeit darf die Bewerbung auch nicht in Anspruch nehmen: 41,4 Prozent halten „maximal zehn Minuten“ für eine angemessene Dauer zur Eingabe ihrer Daten für die Bewerbung in ein Online-Bewerbungssystem. Maximal 20 Minuten sind 25,5 Prozent bereit zu investieren, 30 Minuten nennen nur noch 11,9 Prozent als angemessene Zeitspanne. Darum geben auch 53 Prozent der Bewerber an, es würde die Wahrscheinlichkeit erhöhen, sich zu bewerben, wenn ein Arbeitgeber auf die Anforderung eines Anschreibens verzichtet.
Wird dies dennoch gefordert, bemüht heute schon etwa jeder achte Bewerber (12,7 Prozent) Künstliche Intelligenz, um das Anschreiben zu verfassen. Weitere 36,6 Prozent haben damit zwar noch keine praktischen Erfahrungen, können sich den Gebrauch aber vorstellen.
Trudeln Bewerbungen ein, sollten Arbeitgeber schnell sein
Wenn man eine Stellenanzeige formuliert, sollte man unbedingt berücksichtigen: Das Gehalt hat eine eher untergeordnete Bedeutung. Besonders wichtig sind Bewerbern in der Stellenanzeige „Angaben zur Kultur des Unternehmens als Arbeitgeber“ (61,2 Prozent), noch vor „konkreten Einblicken in die Aufgabe und den Joballtag“ (56,7 Prozent), „Angaben zu den Anforderungen an mich als Bewerber“ (55,1 Prozent) und „Informationen zum Gehalt“ (47,4 Prozent).
Darauf sollten Sie bei Stellenausschreibungen achten:
Remote-Angebote ausbauen und offensiv kommunizieren: Für mehr als die Hälfte aller Bewerber mit Büroarbeitsplatz spielt diese Möglichkeit eine wichtige Rolle bei der Arbeitgeberwahl. Stellenanzeigen mit entsprechendem Angebot werden deutlich häufiger geklickt.
Online-Stellenanzeigen für kleine Bildschirme konzipieren: Der Entwurf sieht an Ihrem 24-Zoll-Bildschirm super aus? Das ist irrelevant. Denn der gesamte Prozess der Arbeitgebersuche und Bewerbung findet zum allergrößten Teil an kleinen Bildschirmen statt. Schauen Sie sich zunächst immer die Smartphone- und Laptop-Varianten an, um über Entwürfe zu entscheiden.
Recruiting funktioniert nicht mehr ohne Suchmaschinenoptimierung (SEO). Denn für die große Mehrheit der Bewerber ist Google nicht mehr aus der Jobsuche wegzudenken. Das gilt für alle Phasen der Suche, besonders für den Hintergrundcheck. Und das gilt für fast alle Zielgruppen, besonders aber für nicht-akademische Fachkräfte, jüngere Bewerber und Frauen.
Verlassen Sie sich bei Google nicht auf Ihren Unternehmensnamen. Der häufigste Suchstring ist „Jobname + Ort“. Das heißt, Sie müssen ihr Job-SEO immer wettbewerbsorientiert denken, überprüfen und optimieren.
Machen Sie Tempo, denn ohne Prozessgeschwindigkeit ist alles nichts. Die Bewerber werden immer ungeduldiger: Die Zahl derjenigen, die für die Eingabe von Daten nicht mehr als fünf Minuten aufwenden wollen, steigt. Vermeiden Sie daher alles, was Bewerber in ihrem Wunsch, Sie kennenzulernen, ausbremst, insbesondere Showstopper wie die Registrierungspflicht oder das zwangsweise Ausfüllen komplexer Lebenslauf-Formulare.
Treffen Sie haltbare Aussagen zur voraussichtlichen Dauer des Bewerbungsprozesses. Bewerber haben die Wahl. Ein verlässlich kurzer Prozess und transparent kommunizierte Rahmendaten sind ein echter Wettbewerbsvorteil in einem Kandidaten-orientierten Markt.
Verabschieden Sie sich vom Anschreiben. Experten halten dessen eignungsdiagnostischen Wert seit Jahren für gering. ChatGPT & Co. dürften dem Format den Rest geben. Schon jetzt nutzt die Hälfte der Bewerber KI, um Anschreiben zu formulieren – oder kann sich eine Nutzung vorstellen.
Setzen Sie in Stellenanzeigen auf handfeste Informationen statt auf den üblichen Marketingsprech. Bringen Sie Transparenz in die Arbeitskultur und den Joballtag – zeigen Sie, was Bewerber bei Ihnen wirklich erwarten dürfen.
Kommt es zur Bewerbung, sollten Arbeitgeber schnell sein: 25,9 Prozent der Befragten erwarten vom potenziell neuen Arbeitgeber in weniger als einer Woche eine Absage oder eine Einladung zum Vorstellungsgespräch, für 56,5 Prozent sind ein bis zwei Wochen das höchste der Gefühle.