Umgang mit der privaten Gebührenordnung

Wie Sie die § 2-Vereinbarung der GOZ gekonnt nutzen

Die abweichende Vereinbarung gemäß § 2 Absatz 1, 2 GOZ findet in vielen Praxen keine Anwendung. Zu groß sind offenbar die damit verbundenen Unsicherheiten. Hier zeigen wir, was möglich ist.

Die GOZ-Analyse der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) macht es deutlich: Im Schnitt werden zahnärztliche Leistungen mit einem Steigerungssatz von 2,36 berechnet. Finden Sie sich und Ihre Praxis in diesem Wert wieder? Dann wird auch in Ihrer Praxis die abweichende Vereinbarung gem. § 2 Abs. 1, 2 GOZ keine große Rolle spielen. Wie bei der Mehrzahl Ihrer Kolleginnen und Kollegen. Dies mag daran liegen, dass viele Fragen im Zusammenhang mit der abweichenden Vereinbarung unklar sind. Wer, wie, was? Klar, dass diese Unsicherheit die Bereitschaft senkt, mit Patienten über betriebswirtschaftliche Notwendigkeiten zu reden. Wir wollen daher versuchen, ein wenig zum Verständnis der § 2-Vereinbarung beizutragen und damit Hürden abzubauen.

Wieso, weshalb, warum eine § 2-Vereinbarung?

Für den Einstieg in die Welt des § 2 GOZ bietet es sich an, die Reihenfolge der Sesamstraße-Fragen umzukehren und zunächst zu beleuchten, wieso es überhaupt eine solche Möglichkeit gibt, weshalb die § 2-Vereinbarung gerade in der letzten Zeit wieder vermehrt in den Fokus der berufspolitischen Diskussion geraten ist und warum es sich auch für Zahnärztinnen und Zahnärzte lohnt, sich mit der abweichenden Vereinbarung zu beschäftigen.

Um sich die Bedeutung des § 2 GOZ zu erschließen, sollte man sich zuerst klarmachen, dass jede Gebührenordnung einen Eingriff in die freie Berufsausübung darstellt, der einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bedarf. Die hierzu bestehenden Überlegungen lassen sich letztlich so zusammenfassen, dass im Grundsatz die Inanspruchnahme heilkundlicher Leistungen nicht mit anderen Gütern oder Dienstleistungen vergleichbar ist und die Bevölkerung – in bestimmten Grenzen – auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten Zugang zu diesen Leistungen haben muss.

Gesundheit soll bezahlbar bleiben, deshalb gibt es Obergrenzen. Sie soll aber auch nicht im Rahmen eines Preiswettbewerbs kommerzialisiert werden, deshalb gibt es Untergrenzen. Auf der anderen Seite stehen sich auch beim Abschluss eines Behandlungsvertrags mündige Bürger gegenüber, die zumindest grundsätzlich in der Lage sind, ihre jeweiligen Interessen selbstbestimmt wahrzunehmen. Ein vollständiger Ausschluss der Privatautonomie im Hinblick auf die Vergütung ist im Bereich der privatzahnärztlichen Versorgung bereits deshalb wohl nicht vertretbar, da die „schutzbedürftigen“ Patienten – jedenfalls in der Bismarck‘schen Definition – ohnehin in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind. Eine Öffnungsoption wie im § 2 GOZ sorgt also für den Erhalt der Privatautonomie im – privaten – Behandlungsverhältnis. Zumindest, soweit es um die Vereinbarung des Steigerungssatzes geht. Die Vereinbarung von „neuen Leistungen“ oder Punktzahlen ist nämlich nicht möglich.

Diese Rest-Vertragsfreiheit war für das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 13. Februar 2001 wohl tragender Grund dafür, nicht schon 13 Jahre eines unveränderten Punktwerts als ausreichend anzusehen, um den Gesetzgeber zum Handeln aufzufordern. Eine Verletzung von Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten sei, so das Gericht, „nicht ersichtlich, solange der Beschwerdeführer von den Gestaltungsmöglichkeiten, die ihm die Gebührenordnung für Zahnärzte eröffnet, keinen Gebrauch macht“. Nun feierte der Punktwert von 11 Pfennigen bereits seinen 35. Jahrestag, was aber wirklich kein Grund zur Freude ist. Eine Novellierung der GOZ ist in weiter Ferne und noch weiter entfernt ist wohl eine Anhebung des Punktwerts. „Wenn uns die Politik nicht hilft, müssen wir uns selbst helfen!“, so die Vizepräsidentin der Bundeszahnärztekammer, Dr. Romy Ermler, im Mai 2022. In den Worten des Bundesverfassungsgerichts von 2001 heißt das: „Wir müssen von den Gestaltungsmöglichkeiten, die die Gebührenordnung für Zahnärzte eröffnet, Gebrauch machen!“ Privatautonomie. § 2-Vereinbarung. Und natürlich die Steigerungsmöglichkeiten des § 5 GOZ nutzen.

Aber die Bürokratie ...

„Aber führt das nicht zu noch mehr Bürokratie?“, werden sich viele Praxen fragen. „Dann akzeptiert die Versicherung meine Begründung nicht und ich muss mich wieder damit und dem Patienten auseinandersetzen. Lieber nicht. Und vereinbaren? Den 3,6-fachen Satz kriege ich bei meinen Patienten eh nicht durch. Lieber auch nicht.“ Unterstellen wir einmal, dass beide Aussagen richtig sind.

Ob es gelingt, mit dem Privatpatienten einen Steigerungssatz zu vereinbaren, der oberhalb des 3,5-fachen Gebührenrahmens liegt, hängt vom Einzelfall ab. Allerdings gilt dies nicht nur für die Patientenstruktur und die Überzeugungskraft des Zahnarztes, sondern auch für die geplante Leistung. Bei Maßnahmen etwa, bei denen erst durch einen jenseits des Gebührenrahmens liegenden Steigerungsfaktor die gleiche Vergütung erreicht wird, wie in der GKV – eine Liste solcher Leistungen hat die Bundeszahnärztekammer bereits vor länger Zeit zusammengestellt – lässt es sich natürlich leichter argumentieren.

Eine § 2-Vereinbarung ist aber auch innerhalb des Gebührenrahmens möglich. Die GOZ kennt per Definition nur eine einzige „richtige“ Gebühr: das ist die nach der konkreten, individuellen Schwierigkeit per Steigerungssatz nach „billigem Ermessen“ ermittelte Gebühr. Soll davon abgewichen werden, ist eine § 2-Vereinbarung erforderlich, unabhängig davon, ob eine Gebühr oberhalb oder unterhalb des 3,5-fachen Faktors vereinbart werden soll.

Gerade bei Leistungen, bei denen der Behandler schon weiß, dass der Aufwand hoch ist, bietet es sich an, über eine Vereinbarung des Steigerungssatzes auch innerhalb des Gebührenrahmens nachzudenken. Natürlich kann und sollte dem Patienten auch bei Bestehen einer § 2-Vereinbarung in der Rechnung eine Begründung für den erhöhten Steigerungssatz gegeben werden, um zumindest die Möglichkeit einer Erstattung zu schaffen. Voraussetzung für eine Honorarvereinbarung ist eine besondere Schwierigkeit aber gerade nicht.

Natürlich erfordert der Abschluss einer § 2-Vereinbarung es, mit dem Patienten beziehungsweise dem Zahlungspflichtigen zu sprechen. Das aber betrifft schon das „Wie“.

Wer, wie, was vereinbart da überhaupt?

Wenden wir uns also dem „Wie“ zu. Eine Vereinbarung gem. § 2 GOZ ist stets zwischen dem Behandelnden, also dem Zahnarzt und dem Zahlungspflichtigen zu schließen.

Das „Wie“ ergibt sich zunächst unmittelbar aus dem Verordnungstext. So fordert § 2 Abs. 2, dass eine solche Vereinbarung „nach persönlicher Absprache im Einzelfall zwischen Zahnarzt und Zahlungspflichtigem vor Erbringung der Leistung des Zahnarztes schriftlich zu treffen“ ist.

Die persönliche Absprache im Einzelfall geht nun nicht so weit, dass der Steigerungsfaktor jeder einzelnen Position mit dem Zahlungspflichtigen ausgehandelt werden müsste. Es sind, so urteilte das Bundesverfassungsgericht 2001 „keine schutzwürdigen Belange der Patienten erkennbar, die eine Individualvereinbarung nur dann zuließen, wenn der Preis zur Verhandlungssache erklärt wird“. Vielmehr reicht es den Karlsruher Richtern aus, wenn der Patient sich für oder gegen eine solche Vereinbarung entscheiden kann: Den Patienten steht es frei, die Leistung eines anderen Anbieters „einzukaufen“, wenn ihnen der Preis zu hoch erscheint.

Hinzuweisen ist auch darauf, dass der Zahnarzt sich bei der wirtschaftlichen Aufklärung und auch beim Abschluss einer Vereinbarung gemäß § 2 GOZ vertreten lassen kann. Die erforderliche eigenhändige Unterzeichnung der Vereinbarung sollte dann allerdings durch ihn erfolgen.

Nicht ernsthaft erwähnenswert ist es, dass eine solche Vereinbarung stets vor der Erbringung der von der Vereinbarung umfassten Leistung erfolgen muss. Anders hat der Patient eben nicht, bleiben wir bei den Worten des Bundesverfassungsgerichts, die Möglichkeit, die Leistung anderweitig einzukaufen.

Die Inhalte der Vereinbarung sind sehr einfach und sehr übersichtlich. Sie muss die Nummer und Bezeichnung der Leistung, den vereinbarten Steigerungssatz und den sich daraus ergebenden Betrag enthalten. Weiter muss die Feststellung enthalten sein, dass eine Erstattung der Vergütung durch Erstattungsstellen möglicherweise nicht in vollem Umfang gewährleistet ist. Einen „Quittungszusatz“, also die Feststellung, dass der Patient einen Abdruck der Vereinbarung erhalten hat, hat die Rechtsprechung akzeptiert. Ansonsten darf die Vereinbarung keine weiteren Erklärungen enthalten. Der gut gemeinte Versuch, dem Zahlungspflichtigen in der Vereinbarung zu erklären, warum eine solche Vereinbarung nötig ist, führt deshalb in der Regel unmittelbar zur ihrer Unwirksamkeit. Hier lohnt es sich also tatsächlich, sich kurz zu fassen. Muster einer solch kurzen, aber damit sicheren § 2-Vereinbarung stellen Ihnen Kammern oder Berufsverbände gern zur Verfügung, sie sind auf der jeweiligen Internetseite abrufbar.

Stephan Gierthmühlen

Geschäftsführer und
Syndikusrechtsanwalt
Fachanwalt für Medizinrecht
Berufsverband der
Deutschen Kieferorthopäden e.V. (BDK)
Berufsverband der Deutschen Kieferorthopäden e.V. (BDK)

René Krouský

Syndikusrechtsanwaltt
Stv. Hauptgeschäftsführer
der Bundeszahnärztekammer
Bundeszahnärztekammer

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