„Die Studierenden sollen nicht die Luft anhalten, wenn ich den Hörsaal betrete!“
Studierende dürfen aktiv bei den OPs dabei sein, er ist zu nahezu jeder Tages- und Nachtzeit für sie da und seine Vorlesungen sind Legende – für dieses Engagement wurde PD Dr. Puria Parvini jetzt von der Goethe-Universität in Frankfurt ausgezeichnet. Hier erzählt er, was gute Lehre ausmacht.
Herr Dr. Parvini, was denken Sie, machen Sie anders als Ihre Kolleginnen und Kollegen? Was macht Ihre Lehre im Vergleich so besonders?
PD Dr. Puria Parvini: Ich mache wirklich nur meine Arbeit (lacht). Aber ich mache meine Arbeit wirklich sehr gerne und ich denke, dies wird von den Studierenden dementsprechend wahrgenommen. Gute Lehre ist für mich ein Zusammenspiel zwischen Studierenden und Lehrenden. Und in diesem Zusammenspiel spielt Empathie eine entscheidende Rolle.
Ich sage den Studierenden immer, sie sollen bloß keine Angst vor mir haben. Sie sollen nicht die Luft anhalten, wenn ich den Hörsaal betrete. Denn zum Denken braucht man Sauerstoff (lacht).
Was zeichnet aus Ihrer Sicht eine exzellente Lehre aus?
Mir ist es wichtig den Inhalt nicht nur als Lehrer zu übermitteln, sondern als Forscher. Ich will die Studierenden zu einem „lebenslangen Lernen“ motivieren und die Neugier für das Fachgebiet wecken. Gute Lehre muss vor allem vielfältig sein, denke ich.
Das praxisbezogene Lernen beweist sich meiner Meinung nach als besonders effizient für die Studierenden. Es gibt in der curricularen Lehre auch viele praktische Kurse für Naht- und OP-Techniken an speziellen Kiefermodellen oder Kurse zum Thema Notfallmanagement an speziell dafür konzipierten Notfall-Puppen, diese versuchen meine Kollegen und ich zu optimieren und so praxisnah wie möglich zu gestalten.
Außerdem sollte eine Atmosphäre des Vertrauens da sein. Wenn im OP zum Beispiel eine Komplikation auftritt, die ein wenig erfahrener Kollege nicht alleine bewältigen kann, muss er sich trauen, sich rechtzeitig zu melden. In der Lehre ist es dasselbe: Wenn der Studierende sich wohlfühlt in der Vorlesung und sich traut, die Zusammenhänge, die er nicht verstanden hat, zu erfragen, dann erreiche ich viel mehr, als wenn er nur versucht hastig alles mitzuschreiben.
Was möchten Sie Ihren Studierenden vor allem mitgeben?
Meine Erfahrungen der letzten 20 Jahre gebe ich sehr gerne weiter – das beinhaltet auch das neueste Wissen und OP-Techniken, die noch nicht in den Lehrbüchern stehen. Das Allerwichtigste ist jedoch: Die Studierenden sollten bei einer Behandlung niemals den Faktor „Mensch“ vergessen! Das heißt, sie sollen sowohl fachlich als auch menschlich in der Lage sein, den Patienten bestmöglich zu behandeln.
Denn wir Zahnmediziner behandeln Menschen – und das ist ein Privileg! Daher möchte ich meinen Studierenden beibringen, dass sie nicht nur die Krankheiten, sondern den Menschen behandeln.
In ihrem Nominierungsschreiben für den 1822-Universitätspreis für exzellente Lehre heben die Studierenden hervor, dass Sie ihnen immer auf Augenhöhe begegnen und sich für alle Fragen Zeit lassen. Wie viele Gedanken machen Sie sich um Ihre Lehrtätigkeit? Sie sind ja kein Pädagoge, sondern Zahnmediziner.
Ich bin jetzt seit 17 Jahren in der Klinik tätig und mittlerweile fühle ich mich tatsächlich mehr als Lehrer denn als Zahnarzt. Ich fange morgens um sechs Uhr an und klappe um Mitternacht meinen Laptop zu. Es gibt keinen Tag, an dem ich kürzer trete. Ich versuche wirklich jeden Tag für meine Studierenden und meine Kollegen da zu sein. Und wenn ich mich selbst fortbilde, verspüre ich eine große Motivation, dass ich das neue Wissen, was ich mir aneigne, an über 500 Studierende und an meine Kollegen weitergeben kann.
Wie haben Sie selbst Ihre Studentenzeit erlebt?
Ich bin damals einen anderen Weg gegangen als die meisten Zahnmedizinstudierenden: Ich kam 1986 aus dem Iran nach Deutschland, habe zunächst die Schule besucht und dann für die Universität Mainz ein Stipendium erhalten. Mein Studium musste ich selbst finanzieren, also habe ich dort in der Klinik gearbeitet. Dies hat mir rückblickend sehr geholfen. Denn ich habe dort sehr viel lernen können. Ich habe viele Patienten als Menschen kennengelernt und ebenso viele Lehrende.
Mein Vorbild ist der persische Arzt und Philosoph Avicenna, der im 11. Jahrhundert sein Wissen an alle Menschen weitergegeben hat, ungeachtet von deren Religion oder Herkunft. Für ihn war das Verhältnis zwischen Lehrer und Schüler etwas Heiliges, etwas Familiäres. Ich habe viel über sein Leben gelesen und immer versucht, ihn als mein Vorbild zu nehmen.
Demgemäß versuche ich immer, einen guten und respektvollen Umgang mit meinen Kollegen zu pflegen. Und genau dies sind die Studierenden ja – meine zukünftigen Kollegen! Daher sollte man ihnen schon im Studium auf Augenhöhe begegnen.
In einer Umfrage des Studierendenparlaments des FVDZ von 2022 und 2023 berichten viele Zahnmedizinstudierenden von einem rauen Umgangston und sogar Schikane im Studium. Lob und Respekt seien vielerorts Mangelware. Sind die Bedingungen im Zahnmedizinstudium so unfair?
Was Sie beschrieben haben, das sind meistens Kommunikationsprobleme oder Probleme, die sich über einen längeren Zeitraum aufgestaut haben. Meiner Meinung nach ist eine gute Kommunikation in der Lehre außerordentlich wichtig. Probleme müssen, sobald sie da und noch klein sind, gelöst werden. Studierende und Lehrende sollten immer alle Unstimmigkeiten miteinander besprechen und kommunizieren können, damit es gar nicht erst zu solch einem rauen Umgangston kommt, den viele beklagen. Aber genau dies ist eben leider nicht immer der Fall. Ich denke, man muss wirklich beide Sichtweisen – der Studierenden und der Lehrenden – betrachten.
Hinzu kommt: Das Wissen verzigfacht sich immer wieder. Und die Menge, die die Studierenden zu lernen haben, nimmt von Jahr zu Jahr zu. Die Vorlesungszeit reicht einfach nicht immer aus, die komplexen Themen von A bis Z zu unterrichten, so dass keine Fragen mehr übrig bleiben. Das heißt, die Studierenden müssen sich vor der Vorlesung bereits vorbereiten, dann sind sie in der Vorlesung und danach müssen sie diese entsprechend nacharbeiten.
Die Studierenden der Zahnheilkunde haben wirklich einen enormen Druck. Sie müssen nicht nur die Theorie lernen, sondern auch direkt am Patienten arbeiten. In der Vorklinik haben sie die Möglichkeit, die gelernte Theorie erstmals am Phantomkopf in die Praxis zu übertragen – aber der Phantomkopf blutet nicht und er hat auch keine privaten oder beruflichen Probleme. Wenn dann also in der Klinik erstmals der Faktor „Mensch“ dazukommt, entsteht plötzlich sehr viel Druck. Und diesen Druck sachlich, fachlich und neutral zu bewältigen, fällt nicht jedem leicht – den Studierenden nicht und auch nicht den Lehrenden.
„Ich unterrichte nicht bloß Studierende, sondern bilde meine zukünftigen Kollegen aus!“
Puria Parvini
Was müsste sich insgesamt im System verändern, damit solche Kommunikationsprobleme weniger werden?
Nicht nur die Studierenden haben lange Arbeitszeiten. Die Unikliniken sind da, um die vielen Studierenden auszubilden und damit die Lehrenden sich weiterbilden. Wir haben drei Säulen: die Lehre, die Forschung und die Patientenbehandlung. Das heißt, der Arbeitsalltag an einer Universitätsklinik ist unglaublich abwechslungsreich – aber ebenso fordernd (lacht). Man muss sich in alle drei Bereiche sehr gut einarbeiten – und meiner Meinung nach, darf die Lehre nicht vernachlässigt werden. Denn: Wir bilden die Zukunft aus!
Ich persönlich wollte immer gerne in einer Uniklinik arbeiten. Warum? Weil ich es unglaublich mag und spannend finde, mich selbst immer wieder fortzubilden und am Puls der Zeit zu bleiben. Außerdem gefällt mir das Arbeiten mit jungen Menschen, die ein wirkliches Interesse an einem Themengebiet haben, sehr. Ich habe mir also gezielt diese Plattform ausgesucht: Hier an der Uniklinik wird mir die Möglichkeit gegeben etwas zu bewirken.
Und ich muss sagen, ich persönlich hatte bisher immer sehr viel Glück – mit meinen Kollegen und mit meinen Studierenden, aber auch mit meinen Vorgesetzten, die mir gegenüber stets sehr wertschätzend aufgetreten sind.
Dennoch erleben Sie als Dozent beide Seiten. Welche Kritik kommt von den Lehrenden?
Ich höre oft, dass beide Seiten, Studierende und Lehrende, wenig Wertschätzung füreinander aufbringen können. Und ich denke, dies ist das größte Problem. Jeder Mensch freut sich über Lob nach einer guten Leistung. Die Studierenden, die Leistung bringen, die fleißig sind, die sich mit Patienten gut unterhalten, die eine gute Diagnostik führen, die sich die Theorie im Studium gut angeeignet haben, die muss man dementsprechend auch loben. Und damit darf man nicht geizen!
Sie selbst haben viel Lob bekommen: Ihre Studierenden beschrieben Sie in der Laudatio als „außergewöhnliche Person“ mit vielen positiven Eigenschaften. „Dr. Parvini ist ein Vorbild, nicht nur als Zahnarzt, sondern auch als Mensch.“ Wie haben Sie die Preisverleihung erlebt?
(lange Pause, ein tiefer Seufzer, dann Lachen) Ich glaube, Sie merken es noch heute: Es macht mich sprachlos. Ich habe nun mehrere Generationen von Studierenden, Zahnärztinnen und Zahnärzten, Weiterbildungsassistenten sowie Oberärztinnen und Oberärzten ausgebildet, die jetzt alle erfolgreich arbeiten. Und ich bin mir meiner Verantwortung stets bewusst. Solch einen Preis zu erhalten, macht mich unglaublich glücklich und es motiviert mich sehr. Ich fühle mich vollgetankt, jung, fit und motiviert, genau dort weiterzumachen.
Das Interview führte Navina Bengs.
„Ein Vorbild als Zahnarzt und als Mensch“
Zum 22. Mal wurde an der Goethe-Universität in Frankfurt der 1822-Universitätspreis für exzellente Lehre verliehen. Den mit 15.000 Euro dotierten 1. Preis erhielt PD Dr. Puria Parvini, M.Sc. M.Sc., der als Leitender Oberarzt an der Poliklinik für Zahnärztliche Chirurgie der Goethe-Universität tätig ist. In ihrem Nominierungsschreiben heben die Studierenden hervor, dass Parvini sich sehr dafür einsetzt, den zahnmedizinischen Nachwuchs auf den aktuellen wissenschaftlichen Stand zu bringen. Sie beschrieben ihn als „außergewöhnliche Person“. Er begegne den Studierenden auf Augenhöhe, nehme sich für alle Fragen Zeit, lasse den Nachwuchs an seiner Forschung teilhaben. Mithilfe einer ausführlichen Dokumentation seiner Patientenfälle fülle er den theoretischen Inhalt seiner Vorlesungen mit Leben. Er ermögliche den Studierenden zum Teil auch eine aktive Teilnahme an Operationen. „Dr. Parvini ist ein Vorbild, nicht nur als Zahnarzt, sondern auch als Mensch“, schloss die Laudatio.
Der 2. Preis (10.000 Euro) ging an Dr. Bianca Bertulat, die als Koordinatorin des Goethe-Orientierungsstudiums Natur- und Lebenswissenschaften der Goethe-Universität wirkt. Mit dem 3. Preis (5.000 Euro) wurde der Religionspädagoge Prof. David Käbisch ausgezeichnet, der die Professur für Religionspädagogik und Didaktik des evangelischen Religionsunterrichts am Fachbereich Evangelisch Theologie innehat.
Der 1822-Universitätspreis für exzellente Lehre wird jährlich gemeinsam von der Goethe-Universität und der Stiftung der Frankfurter Sparkasse vergeben. Er soll das Bewusstsein für die Bedeutung innovativer Hochschullehre schärfen und das Engagement herausragender Lehrender sichtbar machen. Das Nominierungsrecht liegt bei den Studierenden, die Entscheidung fällt eine Kommission, in der alle Statusgruppen sowie die Geschäftsführung der Stiftung der Frankfurter Sparkasse vertreten sind. Die wichtigsten Kriterien für die Vergabe sind: Innovation in der Lehre, besondere Qualität der Lehrveranstaltungen sowie außergewöhnliches Engagement in der Betreuung von Studierenden.