Vom Zauberstab bis zu Hypnosetechniken
Kinder in der Zahnarztpraxis können immens Freude bereiten, aber es kann auch frustrierend sein, wenn die geplante Behandlung sich ewig hinzieht oder abgebrochen werden muss. Im ungünstigsten Fall wird das Kind dabei noch traumatisiert. Einfache zahnärztliche Untersuchungen oder Prophylaxemaßnahmen sind meist gut möglich. Doch sobald eine invasive Therapie ansteht oder ein Kind bereits nicht so positive Vorerfahrungen mitbringt, wird die Behandlung leider häufig zur Herausforderung.
Dabei gibt es ein paar kleine und leicht umsetzbare Möglichkeiten, die Kinderbehandlungen zeitlich effizienter und entspannter gestalten können. Das Spektrum reicht von einfachen Techniken der Verhaltensführung bis hin zur hypnotischen Kommunikation.
Verhalten positiv verstärken
Eine der oft auch intuitiv verwendeten Techniken ist die „positive Verstärkung“. Dabei wird gewünschtes Verhalten bestärkt. Dies geschieht beispielsweise durch Loben oder auch durch die Möglichkeit, den kleinen Patienten nach einem erfolgreichen Besuch ein kleines Geschenk mitzugeben. Dieses Lob oder Geschenk sollte jedoch spezifisch mit einer Handlung oder einem Verhalten verknüpft werden. Eine Geschenkekiste, aus der sich Kinder eine kleine Belohnung aussuchen dürfen, ist wahrscheinlich in fast jeder Praxis Standard. Hier ist es wichtig, präzise zu sagen, wofür das Kind diese Belohnung verdient hat. Das Kind verbindet dann den Zahnarztbesuch mit dem Aussuchen eines Geschenks und das gewünschte Verhalten wird beim nächsten Mal dadurch verstärkt.
Arbeiten mit der Tell-Show-Do-Technik
Eine der bekanntesten verhaltensführenden Techniken ist die „Tell-Show-Do-Technik“. Sie ist einfach durchzuführen und zugleich sehr wirksam. So funktioniert sie:
1. Tell: Der Behandler erklärt altersgerecht ein Instrument oder eine Prozedur.
2. Show: Der Behandler zeigt dem Kind das Instrument und demonstriert beispielsweise an einem Finger(nagel), wie es genutzt wird oder funktionieren kann (Abbildung 2a).
3. Do: Durchführung der Prozedur (Abbildung 2b)
So können die zahnärztlichen Instrumente wie Spiegel, Sonden und Pinzetten vorgestellt werden. Das Kind lernt hierbei über Verständnis. Dies kann auch mit den anderen hier vorgestellten Techniken und Tipps gut kombiniert werden.
Scheinalternativen geben
Kinder wollen gerne wählen und selbst die Entscheidungen treffen. Bei der Technik der Scheinalternativen werden im Gegensatz zu Ja/Nein-Fragen Optionen vorgeschlagen, die alle erwünscht sind. Beispielsweise kann man fragen: „Darf ich mir zuerst oben oder unten deine Zähne anschauen?“ oder „Möchtest du deine Zähne lieber mit der blauen oder der roten Zahnbürste putzen?“ (Abbildung 3). Dies lenkt das Denken der Kinder und begünstigt den Behandlungsfluss.
Die „Pausen-Hand“ einsetzen
Mittels der „Pausen-Hand“ können Kinder durch das Heben oder Senken des Arms ebenfalls entscheiden, wann es eine Pause gibt. Dadurch fühlen sie sich wahrgenommen und sind der Überzeugung, sie könnten die Behandlung kontrollieren (Locus of Control). Dabei ist es natürlich essenziell, auch auf die Armbewegung des Kindes zu reagieren, sonst verliert das Kind das Vertrauen in den Behandler. Dies kann auch mit einem Zauberstab verstärkt werden (Abbildung 1).
Die Zeit strukturieren
Die Technik der strukturierten Zeit hilft, den Fokus des Kindes auf das Zählen zu verschieben und zugleich eine definierte „Dauer“ der Behandlung anzugeben. Es bietet sich auch an, beispielsweise bis zum Alter oder der Klassenstufe des Kindes zu zählen und dies vorab zu vereinbaren. Bei Erreichen der vereinbarten Zahl erfolgt eine kurze „Pause“, um anschließend erneut zu zählen.
Diese Technik ist bereits eng verknüpft mit hypnotischen Techniken. Die Übergänge von der Verhaltensführung zur Kinderhypnose sind nicht scharf getrennt. Vermutlich hatte schon fast jeder Behandler ein Kind auf dem Behandlungsstuhl, das sich in Trance befand, ohne es zu bemerken. Ein relativ weit verbreitetes Zeichen dafür ist die sogenannte Armkatalepsie (Abbildung 4).
Die Wahrheit sagen
Vermutlich haben Sie es schon einmal erlebt, dass einem Kind, das ängstlich ist und sich nicht sofort auf den Behandlungsstuhl setzen will, in guter Absicht gesagt wurde: „Heute machen wir gar nichts.“ Doch was ist mit GAR NICHTS gemeint? Keine invasive Therapie? Keine Untersuchung? Keine Prophylaxe? Eigentlich würde dies ehrlich und inhaltsgetreu bedeuten, dass das Kind gleich wieder nach Hause geschickt werden müsste. Kinder können das GAR NICHTS nicht relativierend im Sinne von „Das wird heute ein schöner Zahnarztbesuch“ abstrahieren, sondern nehmen Aussagen wörtlich. Daher empfiehlt es sich, sehr achtsam bei den eigenen Formulierungen zu sein.
Prüfen Sie selbst den Unterschied: „Heute schauen wir uns ERST EINMAL deine Zähne an!“ versus „Heute schauen wir uns NUR deine Zähne an!“ Allein das kann schon den Unterschied machen, ob eine Behandlung stattfindet, erfolgreich ist, zumindest Teilschritte geschafft werden oder nicht. Und noch ein Beispiel, das mit der strukturierten Zeit verknüpft ist, prüfen Sie selbst den Unterschied: „Ich zähle noch bis fünf und dann gibt es eine PAUSE!“ versus „Ich zähle noch bis fünf und dann bin ich FERTIG“. Die erste Formulierung ermöglicht es, die Behandlung fortzusetzen, die zweite streng genommen nicht.
Mit Kinderhypnose behandeln
Die Deutsche Gesellschaft für Zahnärztliche Hypnose e.V. (DGZH) beschreibt Hypnose als einen Weg beziehungsweise ein Mittel, mit dem ein anderer Bewusstseinszustand herbeigeführt werden kann. Die dadurch induzierte Trance (leichte, mittlere, tiefe Trance) ist auch abhängig von dem Patienten selbst, seinem Vertrauen zum Behandler und auch den Vorerfahrungen. Patienten erleben die Zahnbehandlung unter Hypnose entspannt und positiv, was auch für eine gute und langfristige wertschätzende Patienten-Arzt-Beziehung hilfreich ist.
Bei der Hypnose und Tranceeinleitung gibt es viele verschiedene Induktionstechniken. Diese können zum einen informell aber auch formellen Charakter haben. Formale Induktionstechniken (zum Beispiel die Fixationstechnik) sind eher für Jugendliche und Erwachsene geeignet und ermöglichen meist noch tiefere und länger andauernde Trancezustände. Bei kleineren Kindern spielt die nonverbale Tranceführung über Berührungen beispielsweise an Kopf, Schulter oder Bauch eine wichtige Rolle, worüber auch das Atempacing (Anpassung der Kindesatmung an die Atmung der Mutter oder des Behandlers) erfolgen kann.
Kinder gelten als „Trance-Experten“, denn sie gehen in ihrem Alltag – beispielsweise beim Spielen – ständig in Trance, kommen aber auch schnell wieder heraus. Es bietet sich daher an, diese Fähigkeit bei der Tranceeinleitung zu nutzen und Fantasiegeschichten bei der Behandlung einzusetzen. Dabei können Lieblingstiere, -farben, und Fantasie-anregende Metaphern genutzt und diese mit den zeitgleich passierenden Zahnbehandlungsschritten in der Geschichte verknüpft werden (verbale Induktionstechniken): Erlebnisdusche – Wasser; Windböe – Luftpusten; sanftes Kissen für den Zahn – Watterolle.
Die wahrscheinlich einfachste Art, Vorschul- und Grundschulkinder in Trance zu versetzen, ist der Einsatz von Filmen. Daher haben viele Kinderzahnarztpraxen an der Decke über dem Behandlungsstuhl einen Fernseher. Häufig fokussieren sich die Kinder darauf, tauchen ohne viel weiteres Zutun in den Film ein und die Zahnbehandlung kann leichter erfolgen.
Zahnärztliche Hypnose
Weitergehende Informationen zum Thema finden sich auf der Webseite der Deutschen Gesellschaft für zahnärztliche Hypnose (DGZH): www.dgzh.de. Die DGZH bietet auch spezielle Curricula „Zahnärztliche Hypnose und Kommunikation“ und „Kinderzahnärztliche Hypnose und Kommunikation“ zur Fortbildung an.
In Greifswald findet am 9. März 2024 ein Symposium Kinderzahnheilkunde statt (9 bis 15 Uhr, auch als Online-Veranstaltung mit Fortbildungspunkten). Nähere Informationen unter www.dental.med.uni-greifswald.de/fortbildung/symposium-kinderzahnheilkunde.php.