Weiterbildung zum Fachzahnarzt für Parodontologie in Rheinland-Pfalz

Spezialisten für besondere Fälle

Die Landeszahnärztekammer Rheinland-Pfalz hat ihre Weiterbildungsordnung geändert. Künftig wird dort der Fachzahnarzt für Parodontologie eingeführt. Mit dem „Go“ aus dem Ministerium sind die Weichen dafür jetzt gestellt – doch bis die ersten weitergebildeten Kolleginnen und Kollegen in der Versorgung arbeiten können, wird es noch einige Zeit dauern. Zunächst müssen die Strukturen für die Weiterbildung aufgebaut werden. Derweil gibt es auch skeptische Töne.

In Westfalen-Lippe gibt es den Fachzahnarzt für Parodontologie schon lange. Jetzt wird diese Qualifikation auch in Rheinland-Pfalz eingeführt. Die Delegierten der Vertreterversammlung der Landeszahnärztekammer Rheinland-Pfalz stimmten am 25. November einer geänderten Weiterbildungsordnung (WBO) zu und gaben damit den Weg frei für die Einführung des Fachzahnarztes für Parodontologie im Bundesland. Das zuständige Gesundheitsministerium hat der Änderung Mitte Februar zugestimmt und damit der neuen Weiterbildung das „Go“ erteilt. Damit kann die Weiterbildung jetzt starten und es können in einem ersten Schritt Weiterbildungsermächtigungen erteilt werden.

Grundsätzlich kann laut der neuen Regelung jeder approbierte Zahnarzt oder Zahnärztin eine Weiterbildung zum Fachzahnarzt für Parodontologie absolvieren und damit eine entsprechende Gebietsbezeichnung erwerben. Gemäß Weiterbildungsordnung umfasst die Weiterbildung mindestens vier Jahre. Sie besteht aus einem allgemein-zahnärztlichen Jahr und drei fachspezifischen Jahren. Sie darf nur durch entsprechend zur Weiterbildung ermächtigte Fachzahnärzte in einer zugelassenen Weiterbildungsstätte in Rheinland-Pfalz (das sind etwa von der Kammer ermächtigte Zahnarztpraxen, Hochschuleinrichtungen oder Krankenhäuser, die die entsprechenden räumlichen und technischen Anforderungen erfüllen) durchgeführt werden.

Fachzahnarzt Parodontologie in Westfalen-Lippe

Die Fachzahnarztweiterbildung Parodontologie existiert im Kammerbereich Westfalen-Lippe bereits seit dem 1. Januar 1983. Mit Stand 31. Dezember 2023 gibt es nach Angaben der Kammer im Land insgesamt 63 Parodontologie-Fachzahnärzte. Die Weiterbildung wurde in enger Zusammenarbeit mit der Poliklinik für Parodontologie und Zahnerhaltung der Universität Münster eingeführt. Näheres regelt die Weiterbildungsordnung. In Westfalen-Lippe habe es trotz des Angebots, diesen Fachzahnarzt zu erlangen, keine nennenswerte Konkurrenz zu den Zahnärztinnen und Zahnärzte ergeben, die als Generalisten parodontologische Leistungen erbringen, so die Kammer.

Die Landeszahnärztekammer wird dazu ein Verzeichnis der in Rheinland-Pfalz ermächtigten Zahnärzte und der zugelassenen Weiterbildungsstätten führen und auf ihrer Webseite veröffentlichen. Eine Weiterbildungsberechtigung werde nur erteilt, wenn der Antragstellende umfassende Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen zum Fachgebiet vorweise, heißt es in der Weiterbildungsordnung.

Ermächtigte müssen benannt werden

Zunächst müssten jedoch die Rahmenbedingungen und entsprechende Strukturen für die Weiterbildung geschaffen werden, erläutert die Kammer. Es gelte vor allem, dafür Ermächtigte zu finden. Sie müssten selbst Fachzahnarzt für Parodontologie sein und seit mindestens fünf Jahre auf diesem Gebiet praktisch tätig sein. Deswegen komme dafür derzeit nur ein sehr kleiner Personenkreis infrage. Erste Anlaufstelle für Interessierte sei derzeit zunächst die Universitätszahnklinik in Mainz, Abteilung für Parodontologie und Zahnerhaltung. Für den Prüfungsausschuss würden drei Prüfer benötigt, von denen mindestens zwei die Fachgebietsbezeichnung führen müssten und von denen mindestens ein Mitglied zur Weiterbildung ermächtigt sein müsse. Nach Angaben der Kammer wird es noch mindestens drei Jahre dauern, bis es in Rheinland-Pfalz die ersten, nach der neuen Weiterbildungsordnung ausgebildeten Fachzahnärzte für Parodontologie in der Versorgung geben wird.

DG-Paro-Spezialisten für Parodontologie

Die Deutsche Gesellschaft für Parodontologie hat 1992 den DG-PARO-Spezialisten beziehungsweise die DG-PARO-Spezialistin für Parodontologie ins Leben gerufen. Diese Ausbildung ist mit der Ausbildung zum Fachzahnarzt oder zur Fachzahnärztin für Parodontologie identisch und beinhaltet ebenfalls eine Ausbildung von circa 5.000 Stunden. Davon müssen zwei Jahre an einer Fachabteilung für Parodontologie einer Universitätszahnklinik oder vergleichbaren Ausbildungsstätten absolviert werden. Die Abschlussprüfung wird vor einer Kommission der DG PARO abgelegt. Die Qualifikation ist gesetzlich geschützt und wird von vielen Zahnärztinnen und Zahnärzten, die diese Ausbildung gemacht haben, auf dem Praxisschild geführt.

Dr. Wilfried Woop, Präsident der Landeszahnärztekammer Rheinland-Pfalz, erläuterte im Gespräch mit den zm die Hintergründe zur neuen Weiterbildungsordnung. Vor einem Jahr hätten die Kammerdelegierten den Vorstand damit beauftragt, ein Konzept zur Weiterbildung für das Fachgebiet Parodontologie zu erstellen. In der Kammer wurden daraufhin in Abstimmung mit Prof. Dr. James Deschner, Direktor der Poliklinik für Parodontologie und Zahn­erhaltung der Universität Mainz, dem Vorstand und dem Satzungsausschuss die entsprechenden Weiterbildungsinhalte erarbeitet. Dabei habe man sich an der lang bewährten Weiterbildung zum Fachzahnarzt Parodontologie in Westfalen-Lippe orientiert.

„Die Zahnmedizin ist bereits eine Facharzt-Disziplin“

Wie ist der Fachzahnarzt Parodontologie Rheinland-Pfalz aus Sicht der BZÄK zu beurteilen?

Der Vorstand der Bundeszahnärztekammer hat sich kürzlich einstimmig dafür ausgesprochen, keine weiteren Fachzahnarzt-Disziplinen einzuführen. Das hat vor allem inhaltliche Gründe. Die Zahnmedizin befindet sich im Präventions-Umbruch. Die Karies-Zahnmedizin wird deutlich weniger, dafür wächst Prävention, Paro und Pflege. Das sind Aufgaben für jede Zahnärztin und jeden Zahnarzt und nicht nur für einzelne Spezialisten.

Wie sehen Sie dadurch die Einheit des Berufsstands gefährdet?

In der allgemeinen Medizin hat die „Facharzteritis“ (Zitat eines Ärztekammerpräsidenten) dazu geführt, dass man Einzelziele verfolgt, gegeneinander arbeitet und eben nicht mehr mit einer Stimme spricht. Für einen kleinen Berufsstand wie die Zahnmedizin wäre das fatal.

Wo sehen Sie den Unterschied zum Facharzt bei den Ärzten? Und die Rolle des Generalisten als Hauszahnarzt?

Im Kontext der gesamten Medizin ist die Zahnmedizin bereits eine „Facharzt“-Disziplin. Will man beispielsweise die Hals-Nasen-Ohrenheilkunde nicht in weitere Facharzt-Disziplinen unterteilen, macht das auch in der Zahnmedizin keinen Sinn. Die Warnemünder Erklärung der Bundeszahnärztekammer sendet mit Unterstützung der Wissenschaft ein klares Signal: Die Hauszahnärztin, der Hauszahnarzt deckt 80 bis 90 Prozent der Patientenbedürfnisse in bester Qualität ab. Für den Rest gibt es den Überweiserkontakt. Dazu zählen spezialisierte Kollegen ebenso wie die bestehenden Fachzahnarzt-Bereiche Oralchirurgie und Kieferorthopädie.

Wie beurteilen sie die Pläne vor dem Hintergrund der gesetzlichen Budgetierung der PAR-Therapie?

Das ist natürlich ein großes Problem für die Versorgung unserer Patienten. Nicht, weil es das Interesse am Paro-Fachzahnarzt verringert, sondern weil es Kolleginnen und Kollegen davon abhält, die Paro als das zu sehen, was sie ist: der neue Kernbereich der Zahnmedizin.

Wie könnte man den Sonderweg in Rheinland-Pfalz (den ja Westfalen-Lippe schon lange beschritten hat) aus Sicht der Bundesebene erklären?

Die Diskussion um die neue Paro-Strecke hat Aufmerksamkeit und Begehrlichkeiten geweckt. Aber 24 Millionen Parodontitiskranke erfordern, dass wir alle uns mit Hirn, Hand und Herz auf dieses Thema einlassen. Sowenig wie wir in der Karies-Zeit Fachzahnärzte für komplizierte Füllungen gefordert haben, sollten wir jetzt über das Weiterreichen von Paro-Patienten nachdenken.

Das Gespräch führte Gabriele Prchala.

Die Anzahl parodontaler Erkrankungen wächst

Grund für die intensive Befassung der Kammer mit dem Thema und für die Einführung eines solchen Fachzahnarztes sei die wachsende Zahl an parodontalen Erkrankungen in der Bevölkerung, wie es etwa in den Deutschen Mundgesundheitsstudien (DMS) belegt sei. Auch die Wechselwirkungen von Parodontalerkrankungen mit Allgemeinerkrankungen spielten eine Rolle. Den Bedarf hätten auch die großen PAR-Kampagnen von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) und der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) erneut unterstrichen, so der Kammerpräsident. Zwar seien alle Zahnärztinnen und Zahnärzte qua Ausbildung befähigt, Parodontalerkrankungen zu behandeln, bekräftigte Woop. Jedoch gebe es schwere und komplexe Fälle, auch mit Wechselwirkungen und Querverweisen in internistische Bereiche. Diese verlangten nach einer interdisziplinären Herangehensweise und speziellen Abläufen, wie sie in allgemeinzahnärztlichen Praxen in aller Regel kaum zu organisieren seien. Ein weiteres Betätigungsfeld sehe er bei hoch komplexen, Gewebe-regenerierenden Eingriffen, die oftmals ebenfalls den Rahmen einer allgemeinzahnärztlichen Praxis übersteigen. In solchen Situationen seien Spezialisten gefordert, an die sich der Allgemeinzahnarzt im Bedarfsfall dann wenden könnte.

Verschiedentlich geäußerte Bedenken, dass durch den neuen Fachzahnarzt Parodontologie die Einheit des Berufsstands gefährdet sein könnte, teilt Woop hingegen nicht. Er könne die Kritik zwar nachvollziehen, sei hier aber anderer Auffassung, sagte er den zm. Er stehe zu hundert Prozent zum Konzept des Zahnarztes als Generalisten, es gehe hier lediglich um Ergänzung bei komplexen Fällen, nicht um Ausschluss. Die meisten Behandlungen würden auch in Zukunft durch den Allgemeinzahnarzt durchgeführt, erklärte Woop. Er verwies ferner darauf, dass der Fachzahnarzt für Parodontologie bereits in Westfalen-Lippe seit vielen Jahren etabliert sei, ein Nebeneinander der Fachzahnärzte mit den Generalisten existiere dort problemlos. Durch die im GKV-Finanzstabilisierungsgesetz eingeführte Budgetierung der Parodontitistherapie sieht Woop die Weiterbildung nicht gefährdet. Die Sinnhaftigkeit werde dadurch nicht infrage gestellt, erklärte er.

Prof. Dr. James Deschner, Direktor der Poliklinik für Parodontologie und Zahnerhaltung der Universität Mainz, verwies im Gespräch mit den zm auf die Zunahme komplexer Parodontitisfälle in der Bevölkerung – nicht zuletzt aufgrund der Demografie, das heißt der älter werdenden Bevölkerung. Auch die zahnmedizinische Wissenschaft und Ausbildung richte sich inzwischen verstärkt darauf aus. Oft gebe es sehr komplexe Fälle, die eine interdisziplinäre Zusammenarbeit erforderten, etwa im Bereich der Prothetik, der Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie (MKG), der Kieferorthopädie oder der Oralchirurgie.

Therapiebedarf für komplexe Fälle

Deschner nannte Beispiele für komplexe fortgeschrittene Parodontitisfälle und deren Therapiebedarf, etwa regenerative Behandlungen bei tiefen intraossären Defekten oder Furkationsbefall Grad II, Parodontitistherapien bei multimorbiden und polymedizierten Patientinnen und Patienten, schwierige kombiniert parodontologisch-kieferorthopädische Behandlungsfälle sowie die interdisziplinäre Versorgung mit Implantaten bei sehr fortgeschrittenen und/oder rasch progredienten Parodontitiden. Auch parodontal-plastische Behandlungen zur Rezessionsprophylaxe beziehungsweise -deckung erforderten spezielle Fähigkeiten und Fertigkeiten.

Der Fachzahnarzt für Parodontologie werde die anderen zahnmedizinischen Kolleginnen und Kollegen unterstützen und entlasten, zum Beispiel durch Beratung sowie die gemeinsame Behandlung und Weiterbehandlung schwieriger Patientenfälle.

Mit der Bezeichnung „Fachzahnarzt für Parodontologie“ werde für die ärztliche wie zahnärztliche Kollegenschaft wie auch für die Patienten nach außen hin erkennbar, dass eine ausgewiesene und strukturierte Qualifikation erworben wurde, erklärte Deschner weiter. Und die Weiterbildung dokumentiere auch bis in die Medizin hinein, wie hochspezialisiert und komplex die Zahnmedizin inzwischen geworden sei. Die Zahnärztekammer habe diese Bedarfe erkannt und hier mit ihrer Expertise aktiv den Gestaltungsprozess zur Weiterbildung vorangetrieben, hob Deschner lobend hervor.

Nach Angaben der Kammer werden die ersten in Rheinland-Pfalz weitergebildeten Fachzahnärztinnen und Fachzahnärzte in rund vier Jahren der Versorgung zur Verfügung stehen.

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.