Mit additiver Fertigung zur personalisierten Zahnmedizin
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wahrscheinlich steht gerade in der restaurativen Zahnheilkunde keine Technologie so für innovative Fertigung wie der 3-D-Druck. Viele Vorteile liegen auf der Hand und vor allem die günstigen Preise mancher Geräte verlocken zum Einstieg. Dabei ist es mit den 3-D-Druckern wie mit allen digitalen Technologien in der zahnärztlichen Praxis und im zahntechnischen Labor: Es gibt sogenannte offene Systeme, das heißt, ich besorge mir die einzelnen Komponenten und versuche, den Workflow selbst aufzubauen. Hier sind vergleichsweise geringe finanzielle, dafür aber hohe zeitliche Investitionen einzuplanen. Und für die Funktionsfähigkeit, die Aufbereitung der Datensätze, die Speicherung der Daten und die Qualität der entstandenen Werkstücke sind wir dann nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch selbst verantwortlich. Greifen wir auf eine von der Dentalindustrie angebotene Lösung zu, so haben wir in der Regel einen abgestimmten Workflow und eine Service-Hotline, wenn irgendetwas nicht funktioniert. Die höheren Investitionen für eine derartige Lösung verstehen sich von selbst – die vermeintlich niedrigen Anschaffungspreise und die Begeisterung für einen 3-D-Drucker relativieren sich, wenn die Einbindung ins bestehende System komplex ist.
Das aus meiner Sicht spannendste Potenzial des 3-D-Drucks steckt jedoch im gedruckten Produkt. Wenn sich eine neue Technologie wirklich etablieren soll, muss sie einen echten Mehrwert für alle Beteiligten – Zahntechniker, Zahnärzte und vor allem Patienten – mitbringen. Wenn sie nur eine alternative Fertigungsmöglichkeit für ein gleiches Ergebnis darstellt, würde sie die Welle der Innovationseuphorie nicht lange überstehen. Der echte Mehrwert des 3-D-Drucks ergibt sich aus dem Potenzial, patientenspezifische digitale Restaurationen zu erstellen.
Im Beitrag von Josef Schweiger wird hier die geschichtete Krone genannt, die so mit keinem anderen rein digitalen Verfahren darstellbar ist. Aus ästhetischer Sicht ist dies eine neue Dimension, denn selbst wenn wir heute Kronen digital subtraktiv herstellen, sind diese entweder aus nur einem Material oder einer vorgefertigten Schichtung, was nicht dem natürlichen Vorbild entspricht, oder sie werden mühsam per Hand fertiggestellt. Dies wiederum entspricht nicht der digitalen Idee und unterscheidet sich kaum von der analogen Herstellung. Die additive Fertigung, der Überbegriff für den 3-D-Druck, eignet sich also für den nächsten Schritt in der restaurativen Zahnheilkunde, nämlich der personalisierten Zahnmedizin. Denkbar ist nämlich durchaus, dass wir Materialien patientenspezifisch herstellen.
Stellen Sie sich vor, Sie wissen ziemlich genau, welche biologischen oder mechanischen Materialeigenschaften Sie für einen bestimmten Patienten in einer bestimmten klinischen Situation benötigen. Aber jedes Material, das heute zur Verfügung steht, stellt einen Kompromiss dar und erfüllt ihre Anforderungen nicht komplett. Hier kann durch ein „Abmischen“ verschiedener Materialien während des additiven Fertigungsprozesses das für den Patienten optimale Material erstellt werden. Die Möglichkeit, durch Zugabe von bestimmten bioaktiven Substanzen auch die biologische Umgebung positiv zu beeinflussen, eröffnet noch einmal eine neue Dimension in der Zahnmedizin. Bis diese Dinge praxisreif nutzbar sind, wird noch einige Zeit vergehen. Allerdings werden die Innovationszyklen durch die derzeit erhobene hohe Datenmenge und die Auswertungsmöglichkeiten mittels Künstlicher Intelligenz kürzer werden. Und es wird Zeit für eine echte Innovation in unserem Bereich, der 3-D-Druck als Möglichkeit für personalisierte Zahnmedizin hat definitiv das Potenzial dafür.
Deshalb startet die zm in dieser Ausgabe eine Serie zu diesem Thema, um Sie mit der Technologie und deren Möglichkeiten vertraut zu machen.
Viel Spaß beim Lesen,
Ihr Florian Beuer