So erreichen Praxen den männlichen ZFA-Nachwuchs

„Zeigen Sie Role-Models“

Sie arbeiten gerne mit Menschen, Medizin und Technik sind ihr Ding – der ZFA-Beruf ist eigentlich genauso attraktiv für Jungs wie für Mädchen. Trotzdem sind nur etwa vier Prozent der Auszubildenden männlich. Jonas Hoff vom Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit in Bielefeld und Praxismanager Petros Prontis aus der Praxis Ku64 in Berlin geben Tipps, wie man männlichen Nachwuchs gewinnt.

Wie wirbt man frei von Geschlechterklischees für einen bestimmten Ausbildungsberuf?

Jonas Hoff: In der Bewerbung von Ausbildungsstellen bietet es sich an, Bilder einzusetzen, um einen kompletten Eindruck von der Arbeit und dem Arbeitsumfeld zu zeigen. Achten Sie darauf, dass diese vielfältig sind und neben Dimensionen wie der Herkunft auch die geschlechtliche Dimension umfassen. Zu sehen sind darauf also weibliche und männliche Personen. Neben der Bildsprache ist aber auch die Textsprache wichtig. Durch die Nutzung von geschlechtersensibler Sprache schließen Sie alle Identitäten ein. Gleichzeitig zeigen Sie dadurch, dass Sie sich für die Gleichstellung der Geschlechter einsetzen. Dadurch wirken die Arbeitsstelle und das Team aktiv Klischees entgegen.

Was müssen Praxen beachten, wenn sie Jungs ansprechen wollen?

Sie sollten darauf achten, nicht selbst zu stark mit Jungen-Klischees zu arbeiten. Dazu gehört zum Beispiel nicht nur die technischen Aspekte nach vorne zu stellen Zeigen Sie den Beruf, wie er tatsächlich ist: abwechslungsreich, mit Fortbildungs- und Aufstiegschancen sowie guten Aussichten auf eine Übernahme und Zukunftssicherheit. Für jeden ist es heutzutage wichtig, dass die Entwicklungschancen und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie genannt werden. Darüber hinaus kann ein Verweis auf aktuelle Themen wie Digitalisierung, Technologisierung und Nachhaltigkeit hilfreich sein. Nutzen Sie als Praxis eine altersgerechte und fachunspezifische Ansprache. Erfahrungsgemäß wählen Schüler häufiger Unternehmen, die duzen und bereits einen festen Tagesplan in ihrem Angebot veröffentlichen.

Viele Jugendliche sind auf Social-­Media-Plattformen wie Instagram oder TikTok unterwegs. Sie als Unternehmen können das für sich nutzen, indem Sie die Jugendlichen auf diesen Plattformen direkt adressieren und zum Beispiel über die Teilnahmen am Boys’Day oder Girls’Day und andere Aktionen informieren. Vielleicht hat ein junges Teammitglied Lust, das Posting zu übernehmen. Es gibt aber auch Agenturen, die dabei helfen. Influencer sind inzwischen mit der erfolgreichste Weg der Ansprache von Azubi-Nachwuchs.

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Was sollte man dann am Aktionstag selbst tun, um Jungs zu begeistern?

Am Tag selbst ist Abwechslung wichtig. Überlegen Sie im Vorfeld, gerne auch im gesamten Team, welche Aufgaben und Tätigkeiten die Teilnehmenden kennenlernen können und verteilen Sie diese realistisch auf den Tag. Achten Sie dabei darauf, dass die Aufgaben schaffbar und möglichst abwechslungsreich sind. Zwischen oder auch innerhalb der verschiedenen Tätigkeiten sind Bewegungsphasen oder -pausen von Vorteil. Versuchen Sie, mit den verschiedenen Aufgaben die Breite des Berufsfeldes möglichst gut aufzuzeigen.

In der Planung und Umsetzung bietet es sich an, Auszubildende oder „Role-Models“ einzubeziehen. Diese haben an vielen Stellen ähnliche Ansichten oder können potenzielle Fragen und Wünsche antizipieren. Der interessierte Nachwuchs kann sich mit ihnen gut identifizieren und so für sich erkennen, dass sie nicht die Einzigen sind, die diesen Weg gehen wollen. Damit der Aktionstag bei den Teilnehmenden im Gedächtnis bleibt, könnten sie eigenständig (gegebenenfalls mit Unterstützung) ein Werkstück oder Give-away anfertigen, das sie anschließend mit nach Hause nehmen. Das fördert nebenbei die Selbstwirksamkeit.

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Und wie hält man mit den Teilnehmenden Kontakt?

Fragen Sie die Teilnehmenden nach dem Aktionstag, ob Sie ihre Kontaktdaten behalten dürfen. Dann können Sie ihnen auch nach dem Aktionstag noch Informationen zukommen lassen. Das können Informationen über freie Ausbildungsstellen oder die Teilnahme an Berufsinformationsmessen sein. Oder Sie bitten um ein Feedback und bleiben so in Kontakt. Befragen Sie die Teilnehmenden dafür ein paar Tage/Wochen nach dem Aktionstag nach deren Meinung und nach Verbesserungsvorschlägen. Dadurch erhalten Sie einerseits wertvolles Feedback und bleiben andererseits mit den ehemaligen Teilnehmenden in Kontakt.

Herr Prontis, Sie haben sieben männliche ZFAs und zwei männliche ZFA-Azubis im Praxis-Team KU64 in Berlin. Wie haben Sie das geschafft?

Petros Prontis: In jedem Fall hilft eine gezielte Ansprache, die die Interessen und Karriereziele der jungen Männer trifft – am effektivsten dort, wo sich potenzielle Auszubildende tummeln: auf TikTok mit unterhaltsamen und kurzweiligen Kurzvideos! Auch wir betonen beispielsweise die technischen Aspekte der Arbeit, wie etwa die mögliche Assistenz in der Chirurgie oder die Schnittstelle zum Dentallabor, wo besonders viel technisches Know-how erforderlich ist. Attraktiv ist unserer Erfahrung nach die Möglichkeit zur beruflichen Weiterentwicklung.

Ein erfolgreiches Beispiel kennen Sie schon: Unser ehemaliger Auszubildender Dominik Demski hat es inzwischen zum Praxismanager unserer zweiten Filiale in Berlin Mitte gebracht und war maßgeblich an der Entwicklung des neuen Standorts beteiligt. Das ist möglich, wenn man möchte und sich reinhängt.

Wie geht es dem Vollblut-ZFA heute?

Mit dem ZFA Dominik Demski haben die zm vor zwei Jahren zuletzt über seinen Job in der von Frauen dominierten Branche gesprochen. Damals war er bereits begeistert dabei, ist direkt nach der Ausbildung vom Chef übernommen worden und inzwischen Praxismanager bei „KU64“ in Berlin-Mitte.

„Ich mache die Arbeit immer noch total gerne. Sie ist so abwechslungsreich, kein Tag endet so, wie ich es mir morgens vorgestellt habe. Ich werde immer wieder aufs Neue überrascht und wachse als frisch gebackener Praxismanager mit meinen Aufgaben. Das mag ich! Nach wie vor sind die Entwicklungsmöglichkeiten attraktiv und dass Praxen immer digitaler werden. Wer gerne auch handwerklich arbeitet, kann in einigen Praxen auch im Zahnlabor tätig sein.

Aber wie in jedem Job ist die eigene Motivation ganz wichtig. In der Schule habe ich manchmal mitbekommen, dass sich junge Leute vor allem bewerben, weil sie es müssen oder sollen. Um die dann in der Praxis nicht gleich wieder zu verlieren, würde ich der Führung und dem Team raten, ihnen sinnhafte Aufgaben zu geben, auf Augenhöhe zu sein und weniger von oben herab zu delegieren. Sprich: fördern und fordern anstatt herumzukommandieren. Eine soziale Kommunikation ist dabei der Schlüssel: Respekt ist keine Einbahnstraße!“

Was genau ist anders bei männlichen Bewerbern?

Im Umgang mit männlichen Bewerbern ist eine offene und einladende Atmosphäre wichtig. Nehmen Sie ihre Fragen ernst: Welche Interessen haben sie, wie kann man diese berücksichtigen? Wir zeigen bei ausführlichen Führungen, wie viel Technik und Hightech in einer modern ausgestatteten Praxis steckt – das kommt immer gut an! Und noch etwas: Männliche Auszubildende wollen ab Tag eins „mit anpacken“ und nicht lange erst die Theorie durchgehen. Wir versuchen das zu berücksichtigen.

Die Gespräche führte Laura Langer.

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