iMVZ in der Zahnmedizin

Investoren sind ein Problem

Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) hat neue Zahlen zur Entwicklung von iMVZ in Deutschland veröffentlicht. Die Daten erhärten nochmals die Faktenlage: Investoren geht es um die Rendite, ein Gewinn für die Zahnmedizin sind sie aber definitiv nicht – weder als Leistungserbringer noch als Arbeitgeber. Im Gegenteil.

Um in die vertragszahnärztliche Versorgung einsteigen zu können, kaufen Fremdinvestoren bekanntlich häufig ein – kleines oder in finanzielle Schieflage geratenes – Krankenhaus, denn dadurch erhalten sie erst die Befugnis, ein MVZ zu gründen. Über 95 Prozent aller 489 MVZ in Krankenhausträgerschaft sind mittlerweile Investoren-getragen (Stand: 31. Dezember 2023). Keine einzige dieser Kliniken besitzt eine Abteilung mit zahnärztlichem Bezug, umgekehrt steht nur eins dieser insgesamt 468 iMVZ auch im Planungsbereich des betreffenden Klinikums.

Ganz anders sieht das Bild bei den Häusern ohne Investor aus: Bei den 18 Trägerkrankenhäusern, die zahnärztliche MVZ betreiben, handelt es sich ausschließlich um akademische Lehrkrankenhäuser mit einer durchschnittlichen Bettenzahl von knapp 1.100 Betten, die in ihren Regionen die stationäre Versorgung maßgeblich sicherstellen. Davon betreiben 17 Krankenhäuser eigene Abteilungen mit zahnärztlichem Bezug wie der MKG-Chirurgie.

An der Versorgung von pflegebedürftigen und beeinträchtigten Patienten im Rahmen der aufsuchenden Versorgung nehmen iMVZ übrigens nach wie vor kaum teil. Auch an der Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit präventiven Leistungen der Individualprophylaxe beteiligen sie sich nur unterdurchschnittlich.

Das Geld ist in der Stadt, das iMVZ deshalb auch

Laut KZBV lag Ende 2023 schon fast jedes dritte zahnmedizinische MVZ in der Hand eines Investors. Dabei siedeln sich die iMVZ fast ausschließlich in den alten Bundesländern an, Berlin inklusive. In den neuen Bundesländern sind gerade einmal 14 iMVZ beheimatet, davon allein neun in den Großstädten Rostock, Potsdam, Leipzig, Dresden, Chemnitz und Magdeburg. Acht von zehn iMVZ befinden sich in der Stadt und in besseren Gegenden: Nur neun Prozent ihrer Zahnarztstellen liegen in Gebieten mit niedrigem Medianeinkommen. Das 2019 in Kraft getretene Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) mit seinen Sonderweg für die Zahnmedizin hat diese Dynamik somit nicht nennenswert eingebremst.

Je mehr iMVZ es in Deutschland gibt, desto mehr Einheiten fallen auf immer weniger Inhaber. Die Platzhirsche in dem Markt sind aktuell AcuraMVZ und Zahneins mit 96 und 77 Standorten (Colosseum Dental liegt mit 79 MVZ dazwischen, dabei handelt es sich jedoch um ein Family Office). Parallel dazu ging der Anteil aller MVZ ohne Kettenzugehörigkeit von 51 Prozent (Mitte 2016) auf 33 Prozent (Ende 2023) zurück. Von den 1.554 zugelassenen MVZ sind 1.047 im Verbund mit einer MVZ-Kette.

Wer dahinter steckt? Gute Frage!

Insgesamt identifizierte die KZBV in der vertragszahnärztlichen Versorgung 14 Groß- und Finanzinvestorengruppen mit 468 iMVZ, darunter zehn Private-Equity-Gesellschaften und vier Family-Office-Gesellschaften. Die Eigentümer- und Beteiligungsstrukturen sind dabei allerdings so verschachtelt und undurchsichtig, das man die Investoren dahinter kaum ausfindig machen kann.

iMVZ als Arbeitgeber

In den zahnärztlichen MVZ in Deutschland sind 6.070 Zahnärztinnen und Zahnärzte behandelnd tätig, Tendenz weiter steigend. Das heißt, auf jedes MVZ kommen durchschnittlich 3,91 Zahnärztinnen und Zahnärzte. In den iMVZ, arbeiten 1.925 Zahnärztinnen und Zahnärzte, das sind knapp 4,11 pro iMVZ. In großen iMVZ sind bis zu 28 Zahnärztinnen und Zahnärzte tätig, in den kleinsten nur eine/r.

Zum Vergleich: In den Einzelpraxen und BAG arbeiten im Durchschnitt 1,6 beziehungsweise 2,7 Behandelnde. Die geringeren Durchschnittswerte im Vergleich zu iMVZ erklärt die KZBV mit den früheren Anstellungsgrenzen. 2023 waren von allen angestellten Zahnärztinnen und Zahnärzten 73 Prozent in einer Einzelpraxis oder einer BAG beschäftigt.

Mit der Bildung solcher Großstrukturen steigt der KZBV zufolge auch die Gefahr von regionalen Versorgungslücken im Fall von Insolvenzen – mit gravierenden Folgen für die Patienten, zum Beispiel bei unvollendeten Behandlungen oder wenn sie in Vorauszahlung gegangen sind. Anders als im ärztlichen Bereich gibt es in der zahnärztlichen Versorgung ja keine flächendeckenden stationären Versorgungsstrukturen, die den Ausfall ambulanter Strukturen zumindest partiell auffangen. Das zeigen auch die Erfahrungen mit Dentalketten in Spanien („iDental“,„Funnydent“) oder Frankreich („Dentexia“).

Doch iMVZ sind aus Sicht der KZBV nicht nur ein Problem für die Versorgung. Sie haben mit 36 Prozent auch die schlechteste Teilzeitquote von allen Praxisformen. „Der von den Investoren vorgetragenen Argumentation, iMVZ würden im Gegensatz zu den etablierten Praxisformen und Inhaberstrukturen die Wünsche junger Zahnärztinnen und Zahnärzte nach Anstellung und einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf viel besser berücksichtigen, kann auf Grundlage der vorliegenden Daten nicht gefolgt werden“, bilanziert die KZBV.

Die Skandale um iDental und Dentexia

Bis 2018 betrieb iDental in Spanien insgesamt 26 Zentren mit rund 2.500 Mitarbeitern. 2017 wurde das Unternehmen von dem Investmentfonds Weston Hill übernommen und bereits im Frühjahr 2018 von den spanischen Behörden zwangsweise geschlossen. Zurück blieben schätzungsweise 15.000 Patienten, deren Behandlung teilweise noch gar nicht gestartet oder noch nicht beendet war, aber auch die etwa 2.500 Beschäftigten der Kette. Für Aufsehen sorgte auch Funnydent. Die spanische Kette bot implantologische Leistungen an, für die die Patienten in Vorkasse gehen mussten. 2016 meldete sie überraschend Insolvenz an und tausende Patienten blieben ohne Behandlung zurück.

In Frankreich sorgte 2016 der Fall Dentexia für Empörung: Die Verträge der Zahnarztkette sahen vor, dass die Patienten ihre Implantatbehandlungen aus eigenen Mitteln oder per Kredit im Voraus bezahlen mussten. Dabei wurden die Darlehen von Dentexia selbst vermittelt. Im März 2016 ordnete ein französisches Gericht bei einer geschätzten Schuldenanhäufung von 22 Millionen Euro die Auflösung der Kette an. Als Dentexia geschlossen wurde, standen noch Behandlungen im Wert von über zwei Millionen Euro aus. Über 2.500 Patienten blieben mit unvollendeten Behandlungen oder mit den Folgen von Behandlungsfehlern zurück – und auf den Kosten ihrer Kredite sitzen. Die Politik hat 2023 die Gesetze zur Gründung von Zahnarztzentren wieder verschärft, doch die Skandale gehen weiter (siehe Seite 32).

2020 wurde erstmals auch in Deutschland für eine MVZ-Kette mit Investorenbeteiligung („Dr. Z“) ein Insolvenzverfahren eröffnet. Mittlerweile hat sich der Investor aus der stark verkleinerten Kette zurückgezogen.

Für die KZBV steht daher fest: „Die damals eingeführten gesetzlichen Regelungen reichen nicht aus, um die Ausbreitung von iMVZ und die mit dieser Entwicklung einhergehenden erheblichen Gefahren für die Patientenversorgung wirkungsvoll einzudämmen.“ Auf Grundlage der statistischen Auswertungen und Gutachten sieht sie „dringenden politischen Handlungsbedarf“.

iMVZ – diese Gefahren sieht die KZBV für die Versorgung

  • Kaum iMVZ im ländlichen und strukturschwachen Raum: iMVZ siedeln sich vornehmlich in Großstädten und Ballungsräumen mit überdurchschnittlichen Einkommen an, die häufig bereits einen hohen zahnärztlichen Versorgungsgrad aufweisen. Zur Versorgung in strukturschwachen, zumeist ländlichen Gebieten leisten iMVZ keinen nennenswerten Beitrag.

  • Tendenz zu Über- und Fehlversorgung: Die Analyse von Abrechnungsdaten zeigt eine Tendenz zu Über- und Fehlversorgungen in iMVZ gegenüber den bewährten Praxisformen.

  • Geringer Beitrag zur Versorgung vulnerabler Patientengruppen: An der Versorgung von pflegebedürftigen Menschen und Menschen mit Behinderung im Rahmen der aufsuchenden Versorgung und von Kindern und Jugendlichen mit präventiven Leistungen der Individualprophylaxe nehmen iMVZ kaum teil.

  • Gefahr von iMVZ-Großstrukturen: Durch größere Kettenbildungen steigt die Gefahr von regionalen Versorgungslücken im Fall von Insolvenzen mit erheblichen Folgen für Patientinnen und Patienten. Da die zahnmedizinische Versorgung fast ausschließlich ambulant erbracht wird und damit gänzlich anders gelagert ist als die Versorgung im ärztlichen Bereich, gibt es auch keine flächendeckenden stationären Versorgungsstrukturen, die den Ausfall ambulanter Strukturen zumindest partiell auffangen könnten.

  • Keine ausreichende Transparenz über Inhaberstrukturen: Die hinter iMVZ stehenden Eigentümer- und Beteiligungsstrukturen sind häufig sehr verschachtelt und können durch die bestehenden Register nicht ausreichend nachvollzogen werden.

Diese Lösungen schlägt die KZBV vor, um den Versorgungsgefahren zu begegnen:

  • Im SGB V wird eine räumliche und fachliche iMVZ-Gründungsbeschränkung für Krankenhäuser verankert: In räumlicher Hinsicht muss das von einem Krankenhaus gegründete MVZ in demselben Planungsbereich wie das Krankenhaus liegen. Zudem sollten zahnärztliche MVZ nur von Krankenhäusern mit einer zahnmedizinischen Fachabteilung beziehungsweise einem zahnmedizinischen Versorgungsauftrag gegründet werden. Zwingend notwendig ist es, den mit dem TSVG beschrittenen Sonderweg für den vertragszahnärztlichen Bereich weiterzugehen und eine räumliche und eine fachliche Beschränkung gesetzlich zu verankern.

  • In Anlehnung an die bereits existierenden Zahnarztregister wird eine Rechtsgrundlage für die Einrichtung von MVZ-Registern auf Bundes- und Landesebene eingerichtet, die Transparenz über die Inhaber- und Beteiligungsstrukturen, insbesondere von iMVZ, schafft und die Prüfung von deren Eignung zur Teilnahme an der Versorgung durch den Zulassungsausschuss ermöglicht. Die Eintragung in das Register sollte verpflichtende Zulassungsvoraussetzung für MVZ sein.

  • Zahnärztliche MVZ werden gesetzlich verpflichtet, in geeigneter Weise auf ihrem Praxisschild und auf ihrer Homepage Angaben über ihren Träger und die gesellschaftsrechtlichen Inhaberstrukturen zu machen.

Mehr Informationen unter https://www.kzbv.de/z-mvz.

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