Langzeitversuch in Groẞbritannien

Unternehmen profitieren von 4-Tage-Woche

Ende Februar wurde für die bislang größte Untersuchung zur Arbeitszeitreduzierung bei vollem Lohnausgleich, an der 61 Unternehmen und rund 2.900 Beschäftigte in Großbritannien teilnahmen, die Folgestudie veröffentlicht. Sie zeigt: 89 Prozent der Unternehmen halten auch ein Jahr nach Studienende an der Regelung fest, weil die positiven Effekte überwiegen.

Die Pilotstudie hatte von Juni bis Dezember 2022 untersucht, wie sich die Einführung einer 4-Tage-Woche oder äquivalenter Arbeitszeitreduzierungen bei vollem Lohnausgleich auf die Zufriedenheit der Beschäftigten und die Unternehmenskennzahlen auswirkte. Nach sechs Monaten zogen die Autoren – basierend auf Verwaltungsdaten der Unternehmen, Umfragedaten von Mitarbeitern und qualitativen Interviews – ein durchweg positives Fazit: 56 der teilnehmenden Unternehmen (92 Prozent) setzten die 4-Tage-Woche fort, 18 von ihnen hatten sie zu einem festen Bestandteil ihrer Unternehmenspolitik gemacht.

Gleicher Lohn bei „sinnvoller“ Reduzierung der Arbeitszeit

Bei der konkreten Ausgestaltung der Arbeitszeitverkürzung waren die teilnehmenden Unternehmen flexibel, sie waren zum Beispiel nicht dazu verpflichtet, eine starre 4-Tage-Woche oder eine andere bestimmte Form umzusetzen, erklären die Studienautoren. Entscheidend sei lediglich gewesen, dass das Entgelt nicht gekürzt wurde und die Mitarbeitenden eine „sinnvolle“ Reduzierung der Arbeitszeit erhielten. Obwohl die Forschenden keine Vorgaben machten, setzte sich ein freier Tag pro Woche als am häufigsten genutzte Regelung (65 Prozent der Fälle) durch.

„Work“ und „Life“ kommen leichter in Balance

Gleichzeitig berichteten die Autoren, das nach sechs Monaten 71 Prozent der Beschäftigten ein niedrigeres Burnout-Risiko zeigten und sich 39 Prozent weniger gestresst fühlten. Ebenso nahmen Angstzustände, Müdigkeit und Schlafprobleme ab, während sich sowohl die selbstberichtete physische als auch die psychische Gesundheit verbesserten. Auch die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben verbesserte sich der Studie zufolge während des Versuchszeitraums. Den Beschäftigten fiel es leichter, Arbeit und Betreuungspflichten (60 Prozent) sowie Job und Hausarbeit (54 Prozent) in Einklang zu bringen.

Gleichzeitig blieben die Einnahmen der Unternehmen während des Testzeitraums weitgehend gleich. Im Durchschnitt stiegen sie sogar um 1,4 Prozent, gewichtet nach Unternehmensgröße, über alle befragten Organisationen hinweg. Die Mitarbeiterfluktuation sank in den teilnehmenden Unternehmen im Testzeitraum um 57 Prozent.

100 Prozent erlebten „(sehr) positive“ Auswirkungen

Ein Jahr nach dem Start des Pilotprojekts erklärte sich fast die Hälfte der ursprünglichen Kohorte (28 Unternehmen) bereit, an der Reevaluation teilzunehmen, um die dauerhaften Auswirkungen der Arbeitszeitreduzierung zu messen. Die einbezogenen Organisationen decken eine Vielzahl von Standorten, Organisationstypen, -größen und -sektoren ab, schreiben die Autoren. Bei 79 Prozent handelte es sich um gewinnorientierte Unternehmen, die übrigen waren Non-Profit-Organisationen. 43 Prozent der Unternehmen hatten zehn bis 49 Mitarbeitende, acht Unternehmen (29 Prozent) hatten weniger als zehn Beschäftigte. Weitere vier Unternehmen (14 Prozent) hatten zwischen 50 und 99 Mitarbeitende, zwei Unternehmen (sieben Prozent) 100 bis 199 Mitarbeitende und zwei mehr als 200 Beschäftigte.

Der am stärksten vertretene Industriesektor war der Marketing- und Werbesektor (29 Prozent). Das Gesundheitswesen sowie die Bereiche Kunst und Unterhaltung und Finanzen waren mit jeweils drei Unternehmen (jeweils elf Prozent) vertreten, im verarbeitenden Gewerbe und Sozialarbeitssektor waren es jeweils zwei Unternehmen (sieben Prozent). Der Rest der Kohorte kam aus verschiedenen Branchen: Architektur, Beratung, Bau und Wohnen, Umwelt, Dienstleistungen, Forschung und Technologie (zusammen 28 Prozent).

Für die quantitative Befragung war ein Forschungsteam aus Boston, USA, und Dublin, Irland, zuständig. Die qualitativen Interviews übernahmen Forschende der Universitäten Cambridge und Salford, Großbritannien, sowie eine Wissenschaftlerin der Universität Brüssel, Belgien.

Nur ein Unternehmen kehrte zu den alten Regeln zurück

Ergebnis: Alle der befragten Manager und CEOs gaben an, dass die Arbeitszeitreduzierung bei vollem Lohnausgleich auch ein Jahr nach ihrer Einführung noch „positive“ (45 Prozent) oder „sehr positive" (55 Prozent) Auswirkungen auf ihre Organisation hat. 78 Prozent der Unternehmen führten ihr ursprünglich nur für den Testzeitraum von sechs Monaten eingeführtes Arbeitszeitmodell unverändert oder leicht modifiziert fort. 18 Prozent verlängerten den Tests über den Zeitpunkt der Folgebefragung (ein Jahr nach dem Start des Projekts) hinaus. Nur ein Unternehmen kehrte zu seinen ursprünglichen Regelungen zurück.

„Die einjährigen Ergebnisse sind ausgezeichnet. Der entscheidende Punkt ist, dass die starken Ergebnisse nach sechs Monaten nicht auf kurzfristige Auswirkungen zurückzuführen sind. Diese Effekte sind real und lang anhaltend.“

Prof. Juliet Schor vom Bostoner Forschungsteam

Die durchschnittliche Arbeitszeitverkürzung über alle Unternehmen hinweg betrug 6,6 Wochenstunden, was einer Reduktion um 17 Prozent entsprach. Die mit Abstand am häufigsten gewählte Reduzierung (69 Prozent der Fälle) betrug sieben bis acht Stunden. Bei der Umsetzung gab es verschiedene Lösungen, aber einen klaren Favoriten: 65 Prozent der Unternehmen gaben ihren Beschäftigten einen festen oder flexibel zu vereinbarenden freien Tag pro Woche. Ungestützt nach den positiven Effekten der Maßnahme gefragt, berichteten 82 Prozent der Unternehmen von einem gestiegenen Wohlbefinden in der Belegschaft, 50 Prozent von geringerer Fluktuation und 32 Prozent von Vorteilen bei der Gewinnung von neuen Mitarbeitenden. Fast jedes zweite Unternehmen (46 Prozent) beobachtete zudem eine gestiegene Produktivität und Leistung im Team.

Eine parallel stattfindende Neubefragung der Beschäftigten zeigte ebenfalls zahlreiche langanhaltende Effekte. Die Mitarbeitenden arbeiteten im Mittel nur noch 33,1 Wochenstunden und berichteten sowohl von einer gestiegenen Jobzufriedenheit als auch von positiven Auswirkungen auf ihre Gesundheit (Tabelle).

Der am häufigsten genannte berufliche Vorteil der kürzeren Arbeitswoche: eine gestiegene Effizienz (38 Prozent). Weitere 30 Prozent berichteten von einer gesteigerten Produktivität und Konzentration bei der Arbeit. Und 13 Prozent erklärten, dass die Richtlinie zu einer besseren organisatorischen Effizienz geführt habe, etwa indem intelligenterer Arbeitsweisen implementiert wurden.

Die Studie:
Pignon et al.: „Making it stick: The UK four day week pilot one year on“, Autonomy Research Ltd, Cranbourne Pilcot Road, Crookham Village, Hampshire GU51 5RU, autonomy.work/wp-content/uploads/2024/02/making-it-stick_-1.pdf

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