KKH zu Betrug und Korruption im Gesundheitswesen

Betrüger ergaunern Millionen aus Gesundheitstopf

Der Kranken- und Pflegeversicherung der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) entstand durch Betrug, Korruption oder Urkundenfälschung allein 2023 ein Schaden von rund 3,5 Millionen Euro, meldete die KKH anlässlich der Fachtagung „Betrug im Gesundheitswesen“ Mitte Mai in Hannover: „Das ist eine der höchsten Gesamtschadenssummen seit Gründung der bundesweit ersten Stelle zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen bei der KKH vor 23 Jahren.“ Den größten Schadenswert verursachten demnach ambulante Pflegedienste mit rund 1,9 Millionen Euro, gefolgt von Apotheken mit gut einer Million Euro.

Dank des KKH-Ermittlerteams seien 2023 bei den Geldeingängen rund 1,25 Millionen Euro an Regressforderungen verbucht worden, so viel wie nie zuvor: „Ob Pseudo-Pflegepersonal eingesetzt, Arzneien gepanscht, Versichertenkarten missbraucht, nie erfolgte Behandlungen abgerechnet oder Berufsurkunden gefälscht werden: Betrug und Korruption ziehen sich quer durch alle Leistungsbereiche des Gesundheitssystems – von Arztpraxen und Apotheken über Pflegeeinrichtungen, Kranken- und Sanitätshäuser bis hin zu Praxen für Physio- und Ergotherapie.“

Allein im zurückliegenden Jahr seien bundesweit 553 neue Hinweise auf möglichen Betrug bei der KKH-Prüfgruppe Abrechnungsmanipulation eingegangen. Die meisten davon hätten die ambulante (179) und die stationäre Pflege (167) betroffen. Damit fielen rund zwei Drittel aller neuen Fälle auf das Konto von Pflegeeinrichtungen. Rang drei belegten Krankengymnastik- und Physiotherapiepraxen mit 74 Hinweisen.

Die Ersatzkasse hatte zu dem Thema auch eine repräsentative Umfrage bei Forsa in Auftrag gegeben: So hatte die Mehrheit der Deutschen (58 Prozent) selbst schon einmal Erfahrungen mit Betrugsdelikten im Gesundheitswesen gemacht oder kennt Betroffene im eigenen Umfeld. Insgesamt 41 Prozent der Befragten gaben an, dass aus ihrer Familie oder ihrem Bekanntenkreis jemand trotz zuerkanntem Pflegegrad nicht ausreichend versorgt wurde – sei es aufgrund unzureichend ausgebildeter Pflegekräfte oder nicht erbrachter Leistungen. Zudem kennt jeder Vierte in seinem persönlichen Umfeld mindestens einen Patienten, der vom Facharzt an ein bestimmtes Krankenhaus überwiesen wurde, also nicht das Krankenhaus seiner Wahl aufsuchen konnte. Und jeder Fünfte weiß von jemandem, der direkt in der Arztpraxis Bandagen für Rücken oder Knie erhalten hat, oder hat dies selbst erlebt. Befragt wurden bundesweit 1.004 Personen im Alter von 18 bis 70 Jahren vom 2. bis zum 5. April.

Einige wenige schaden dem Ansehen aller

KKH-Chefermittlerin Dina Michels erklärte, dass es immer nur einige wenige Kriminelle seien, die mit ihren Betrügereien dem Ansehen ihrer Berufskolleginnen und -kollegen schaden. Vor allem der Pflegebereich habe sich zu einem Brennpunkt entwickelt, so Michels. „Doch was viel schwerer wiegt, sind die körperlichen und seelischen Folgen bei den Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen“, sagte sie. „Durch solche Machenschaften schwindet das Vertrauen in die qualitativ gute Gesundheitsversorgung in unserem Land.“

Wichtig für die Aufklärung der Fälle sei, dass die Krankenkassen Hinweise auf mögliche Betrugsfälle erhalten, betont die KKH. Die häufigsten Hinweisgeber seien der Medizinische Dienst (MD), andere Krankenkassen sowie die Polizei. Grundsätzlich könne jeder Bürger den Krankenkassen einen Verdacht melden. Meldungen seien online möglich und würden vertraulich behandelt. Sie verwies auf das im Juli vergangenen Jahres in Kraft getretene Hinweisgeberschutzgesetz, das Personen, die verdächtiges Fehlverhalten melden, schützen soll. Auch mittels Künstlicher Intelligenz eröffneten sich neue Chancen zur Bekämpfung von Betrug.

Der GKV-Spitzenverband weist darauf hin, dass alle gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen, ihre Verbände und der GKV-Spitzenverband selbst „Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen“ eingerichtet haben. Grundlagen sind §§ 197a SGB V und 47a SGB XI. Die Ermittlungs- und Prüfungsstellen gingen allen Hinweisen nach, die auf Unregelmäßigkeiten beziehungsweise die „rechtswidrige Nutzung von Finanzmitteln“ im Zusammenhang mit den Aufgaben der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung hindeuten.

Hinweise für die Zahnarztpraxis

Mit dem 2016 in Kraft getretenen Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen hat der Gesetzgeber spezielle Straftatbestände der Bestechlichkeit und der Bestechung im Gesundheitswesen geschaffen (§§ 299a, 299b des Strafgesetzbuches StGB). Diese stellen „korruptive“ Verhaltensweisen von Heilberuflern (und gegenüber diesen) zusätzlich zu den bisher bestehenden Sanktionsmöglichkeiten des Berufs-, Sozial- und Disziplinarrechts unter Strafandrohung. Die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) und die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) haben dazu hier Rechtsgrundlagen und Hinweise für die Zahnarztpraxis zusammengestellt. Die strikte Einhaltung rechtlicher Vorgaben sei Ziel und Auftrag jedes einzelnen Zahnarztes sowie des zahnärztlichen Berufsstands in seiner Gesamtheit, heißt es dort.

Silke Kühlborn von der Staatsanwaltschaft Leipzig sagte auf der KKH-Tagung, dass es mittlerweile gelinge, in Zusammenarbeit mit dem zuständigen Fachkommissariat der Polizei in Leipzig immer mehr Betrugsfälle aufzudecken, vor Gericht zu bringen und rechtskräftige Verurteilungen zu erzielen. Kühlborn: „Auch wenn der Abrechnungsbetrug durch ambulante Pflegedienste häufig im medialen Fokus steht, möchte ich besonders auf den Abrechnungsbetrug durch Vertragsärzte hinweisen. Denn das auf Vertrauen aufbauende Abrechnungssystem ist in besonderer Weise missbrauchsanfällig. Ich gehe hier von einer hohen Dunkelziffer aus. Die Betrugssachverhalte, die wir bearbeiten, zeugen von einer hohen kriminellen Energie der beschuldigten Ärzte. Die entstandenen Schäden gehen zum Teil in die Millionen.“

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