Österreichische Zahnärztekammer warnt

„Das Kassenzahnarztsystem steht vor dem Zusammenbruch!“

„Dem Land gehen die Kassenzahnärzte aus!“, meldet die Österreichische Zahnärztekammer (ÖZÄK). Mittlerweile seien zehn Prozent der zahnärztlichen Kassenplanstellen unbesetzt beziehungsweise unbesetzbar.

In den vergangenen zehn Jahren ist die Anzahl der Kassenzahnärztinnen und -zahnärzte demzufolge um neun Prozent zurückgegangen und die der Wahlzahnärztinnen und -zahnärzte um denselben Prozentsatz angestiegen. Gleichzeitig wuchs Österreichs Bevölkerung um 7,7 Prozent.

„In den kommenden zehn Jahren werden 46 Prozent der Kolleginnen und Kollegen mit Kassenvertrag ihr Pensionsantrittsalter erreichen“, warnt der Verband. „Viele von ihnen werden unter den derzeitigen Bedingungen keine Praxisnachfolge finden.“ Die kassenzahnmedizinische Weiterbetreuung der Bevölkerung sei somit mehr als unsicher.

„Seit Jahren wird das zahnmedizinische Kassensystem kaputtgespart, weshalb viele junge Kolleginnen und Kollegen den Eintritt ins solidarische Gesundheitssystem meiden und es vorziehen, auf Wahlzahnarztbasis zu arbeiten“, führt die ÖZÄK aus. Gleichzeitig würden auch viele etablierte Kassenzahnärztinnen und -zahnärzte ihre Verträge zurückgeben und das System verlassen.

„Die vor einigen Jahren getroffene Entscheidung der Politik, die Inländer­quote beim Zugang zum Zahnmedizinstudium abzuschaffen, verschlimmert diese Situation noch“, verdeutlichte ÖZÄK-Kassenreferent DDr. Martin Hönlinger bereits Anfang Februar die Situation. Waren einst drei Viertel der Ausbildungsplätze für österreichische Studierende reserviert, bildeten die Universitäten heute zunehmend den Nachwuchs aus dem deutschsprachigen EU-Raum aus. Dessen Versorgungswirksamkeit in Österreich selbst stellt die ÖZÄK allerdings stark infrage.

„Das alles in Kombination mit der Tatsache, dass unser Nachwuchs das Wahlzahnarztsystem dem Kassenvertag vorzieht, sollte den Sozialversicherungsträgern zu denken geben“, mahnte Hönlinger. „Doch anstatt den Kassenvertrag attraktiv zu gestalten, versuchen die Verantwortlichen dort offensichtlich, die Kolleginnen und Kollegen mit einer Einstiegsprämie in ein derzeit unattraktives Kassenvertragssystem zu locken und sie dort zu binden.“

Nicht mit Prämien ködern, sondern das System reformieren

Wenn jetzt keine richtungsweisenden Entscheidungen getroffen werden, werde das öffentliche Gesundheitssystem endgültig kippen, teilt die ÖZÄK nun aktuell mit. Alle Entscheider im Gesundheitsbereich müssten kooperieren, um das kassenzahnärztliche System wieder attraktiv zu gestalten. „Maßnahmen wie der jüngst im Rahmen des Finanzausgleichs durchgezogene Verlust der Parteistellung und der Rechtsmittelrechte der ÖZÄK bei krankenanstaltenrechtlichen Verfahren bringen uns hier nicht weiter“, stellt die Kammer fest. „Die Österreichische Zahnärztekammer war und ist stets kooperativ, wenn es um die Patientenversorgung geht. Es gab und gibt keinen sachlich zu rechtfertigenden Grund, diese wichtige Rolle und Funktion der Österreichischen Zahnärztekammer schlechthin zu beseitigen.“

Die Wahlärzteschaft teilweise ins Kassensystem zwingen zu wollen, sei in diesem Kontext genau so wenig zielführend, wie ein Starterbonus von 100.000 Euro zur Gründung einer Kassenpraxis. Letzterer „ist wettbewerbsrechtlich als bedenklich einzustufen und dient letztendlich nur dazu, um junge Kolleginnen und Kollegen in ein über Jahrzehnte hinweg kaputt gespartes Kassensystem zu locken“, bilanziert die ÖZÄK.

Kammer-Umfragen zufolge wäre die Hälfte der Wahlzahnärztinnen und -zahnärzte bereit, zu besseren Bedingungen ins solidarische Gesundheitssystem einzusteigen. Um diese Bedingungen herzustellen, fordert die ÖZÄK folgende Maßnahmen:

  • Anhebung der zahnärztlichen Kassentarife durch die Sozialversicherungsträger

  • Senkung der Einkommensteuer für Kassenleistungen im niedergelassenen zahnärztlichen Bereich

  • Steuerbefreiung von Überstunden der angestellten Zahnärztinnen und Zahnärzte

  • partnerschaftliche Lösung des Amalgamverbots, das Anfang 2025 in Kraft treten wird

  • Problemlösung in Bezug auf die „unechte Umsatzsteuerbefreiung“

  • mehr Zahnmedizin-Studienplätze und sofortige Wiedereinführung der Inländerquote an den staatlichen Universitäten

  • Weiterentwicklung der Zusammenarbeitsformen im niedergelassenen zahnärztlichen Bereich, um Familie und Beruf (noch) besser in Einklang bringen zu können

  • Wiederherstellung der Parteistellung und der Rechtsmittelrechte der Österreichischen Zahnärztekammer


„Die Zuständigkeit für die Invertragnahme einer ausreichenden Anzahl von Vertragszahnärztinnen und -zahnärzten zur Sicherstellung des niedrigschwelligen Zugangs zum Gesundheitssystems liegt nach der einseitigen Aufkündigung der Sozialpartnerschaft durch die Sozialversicherungsträger alleine auf deren Seite“, hält die ÖZÄK fest. Sie sieht dringenden Handlungsbedarf und fordert im Sinne der Versorgungssicherheit mehr „gesundheitspolitische Dynamik“.

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