Thüringen, Sachsen und Brandenburg

Zur Wahl steht auch die Versorgung

Im September werden in Thüringen, Sachsen und Brandenburg neue Parlamente gewählt. Wie viel wissen die Fraktionen der Parteien über die Situation der Zahnärzteschaft vor Ort? Und welche Ideen haben sie, um die zahnärztliche Versorgung langfristig zu garantieren? Wir haben nachgefragt.

Am 1. September stehen die Wahlen in Thüringen und Sachsen an, in Brandenburg am 22. September. Was die zahnärztliche Versorgungslage angeht, stehen alle drei Bundesländer vor ähnlichen Herausforderungen: Während rein rechnerisch noch keine Unterversorgung vorliegt, lässt die demografische Entwicklung, vor allem die Altersstruktur der Niedergelassenen, künftige Engpässe erwarten. In Sachsen beispielsweise liegt das Durchschnittsalter der Praxisinhaber nach Angaben der dortigen KZV bei 54 Jahren und nur etwa jeder dritte findet eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger. In Thüringen schlossen im vergangenen Jahr 97 Praxen, nur 30 davon wurden übernommen. Die KZV im Land Brandenburg (KZVLB) rechnet damit, dass in den kommenden sieben Jahren rund 40 Prozent der heute praktizierenden rund 1.500* Zahnärztinnen und Zahnärzte in den Ruhestand gehen – nur jede zweite Praxis werde wohl weitergeführt, lautet die Prognose.

Wir haben die Parteien in den Bundesländern und zusätzlich das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) eingeladen, ihre Ideen für die flächendeckende Sicherung der zahnärztlichen Versorgung zu teilen.

Wie hält man den Nachwuchs im Bundesland?

Die Rückmeldungen zeigen, dass viele Themen, die den Berufsstand bewegen, den Parteien bekannt sind. Das kann Dr. Thomas Breyer, Präsident der Landeszahnärztekammer Sachsen, bestätigen. Er ist mit der Zusammenarbeit mit der sächsischen Staatsregierung in der vergangenen Legislaturperiode grundsätzlich zufrieden. „Die Politik nimmt uns wahr, hört uns zu und verspricht Unterstützung. In der neuen Legislatur kommt es darauf an, diesen Willen zeitnah umzusetzen. Geredet wurde genug, jetzt müssen Taten folgen“, so Breyer.

Beispiel zahnärztlicher Nachwuchs: Hier scheinen die Parteien inzwischen erkannt zu haben, dass man früh beginnen muss, Fachkräfte für die Versorgung im Land zu gewinnen, etwa durch einen Ausbau von Studienkapazitäten. Idealerweise sollte damit eine Landeszahnarztquote – also die Verpflichtung, nach dem Studium für eine gewisse Zeit im Land zu bleiben – einhergehen.

In Thüringen, wo ein Bündnis aus Linke, SPD und Grünen regiert, ist die „Land(zahn)arztquote“ seit Juli 2024 Realität. Dabei wurde gesetzlich festgelegt, dass über eine Vorabquote Zahnmedizinstudienplätze in Thüringen an Bewerberinnen und Bewerber vergeben werden, die sich verpflichten, nach ihrem Abschluss mindestens zehn Jahre zu bleiben. Aus Sicht von Dr. Christian Junge, Präsident der Landeszahnärztekammer Thüringen, ist das jedoch nur ein erster kleiner Schritt in die richtige Richtung. „Wie ihre Vorgänger hat es auch die rot-rot-grüne Landesregierung sträflich vernachlässigt, die Voraussetzungen für das Studium der Zahnmedizin an der Universität Jena nachhaltig und attraktiv auszubauen“, berichtet Junge. „In der nächsten Regierung muss deshalb zur Chefsache werden, bis spätestens 2029 eine moderne Universitätszahnklinik zu errichten und die Zahl der dortigen Studienplätze deutlich zu erhöhen.“

In Sachsen mahnt die Zahnärzteschaft eine Zahnarztquote bei der Vergabe von Studienplätzen an. „Wir stehen zur Landarztquote für mehr medizinisches Personal in ländlichen Regionen“, antworten darauf die Grünen. „Wir wollen das Medizinstudium in Pécs (Ungarn) auch auf die Zahnmedizin ausweiten.“ Diese Möglichkeit wollen sie prüfen, versprechen auch SPD und CDU.

In Brandenburg beklagt Rouven Krone, Vorstandsmitglied der KZVLB, im Zusammenhang mit der universitären Ausbildung eine verpasste Chance: Zwar habe die amtierende rot-schwarz-grüne Landesregierung den Aufbau der „Modellregion Gesundheit Lausitz“ und die Gründung einer medizinischen Universität in Cottbus beschlossen, dabei allerdings keine öffentliche Fakultät für Zahnmedizin vorgesehen. Das könne man niemandem mehr erklären, so Krone.

„Am schwierigsten war das Thema Personal”

„Zu Beginn meiner Selbstständigkeit hatte ich kurz die Sorge, mein Terminbuch nicht füllen zu können. Doch wir wurden von Patienten überrannt, sodass wir nun über Monate ausgebucht sind. Dies zeigt mir, dass der Zahnarztberuf und die Niederlassung attraktiver gemacht werden müssen, besonders weil viele Kollegen in Rente gehen und ihre Praxen oft geschlossen werden. Der Einstieg in die Selbstständigkeit sollte erleichtert und besser gefördert werden. Ein weiteres großes Problem ist es, gut ausgebildetes Personal zu finden. Der Beruf der zahnmedizinischen Fachangestellten sollte attraktiver gemacht werden. Zudem sollte es Quereinsteigern durch Umschulungen ermöglicht werden, ZFA, ZMV oder ZMP zu werden. Praxen die selbst ausbilden, sollten gefördert werden. Was mir ebenso Sorge bereitet, ist der desolate Versorgungszustand der Kinder und Senioren. Wir benötigen mehr Möglichkeiten für Sanierungen in Narkose, bessere Vorsorge und Unterstützung in den Heimen, Schulen und Kitas.”

Sarah Uhlig, seit 2024 niedergelassene Zahnärztin in Bad Saarow, Brandenburg

Bürokratie zurückdrängen – die Investoren auch?

Beim Thema Bürokratieabbau rennt man anscheinend bei allen Parteien offene Türen ein. Das BSW Thüringen erachtet „zahlreiche Dokumentationspflichten als überflüssig“, die Grünen in Thüringen sprechen davon, „unnötige Prozesse“ abzuschaffen und zum Beispiel Doppelbegehungen zu vermeiden. Die AfD in Brandenburg stellt in Aussicht, jede Verordnung einem „Bürokratie-Check“ zu unterziehen. Die CDU in Sachsen, die dort zusammen mit den Grünen und der SPD regiert, plant sogar ein zweijähriges „Bürokratiemoratorium“, in dem keine neuen Regeln erlassen und bestehende geprüft und optimiert werden sollen. Die FDP in Thüringen – die dort nicht als Fraktion, sondern als parlamentarische Gruppe im Parlament vertreten ist – antwortet, dass man auf Landesebene an den bereits vorgelegten Vorschlägen zur Entbürokratisierung der Meldepflicht bei selbstständiger Tätigkeit und zur Koordinierung von Praxisbegehungen festhalten werde und beim Bürokratieabbau mit der Selbstverwaltung kooperieren wolle.

Wenn es um Private Capital in der Versorgung geht, sind die Parteien größtenteils eher dagegen, allerdings nicht durchweg. So schließen die CDU-Fraktionen in Brandenburg und Sachsen die Beteiligung von Finanzinvestoren nicht pauschal aus, sofern diese sich an der Versorgung in der Fläche beteiligen. Die CDU Thüringen schreibt hingegen: „Unsere Wunschvorstellung und unser Zielbild sind selbstständige, freiberufliche Zahnärzte in eigener Niederlassung und keine Investoren als Inhaber von Zahnarztpraxen.“

Von der FDP in Thüringen heißt es: „Wir sind nicht grundsätzlich gegen arztfremdes Kapital, sehen aber Regelungsbedarf: Für uns steht die Erhaltung der Freiberuflichkeit an erster Stelle. Auch darf es keine Rosinenpickerei geben. Wir setzen uns daher für mehr Transparenz und gegen potenzielle Monopolbildungen ein.“ Die Rückmeldungen der anderen Parteien bewegen sich in einem Spektrum, das von „konsequenter“ Ablehnung (Die Linke, Brandenburg) über „bisher eher negativ zu bewertende Erfahrungen“ (AfD, Thüringen) bis hin zur Sorge, „dass Medizinische Versorgungszentren in der Hand von Private-Equity-Unternehmen vor allem die Rendite im Blick haben“ (SPD, Sachsen).

Viele Fraktionen melden zurück, dass sie Einrichtungen wie MVZ und Polikliniken jedoch nicht grundsätzlich ablehnen, sofern sie dem Gemeinwohl verpflichtet sind. So schreibt die SPD Sachsen: „MVZ leisten an vielen Stellen einen Beitrag, indem sie eine fachübergreifende Versorgung der Patientinnen und Patienten gewährleisten können. Darüber hinaus bieten sie gerade­ jungen Ärztinnen und Ärzten die Möglichkeit sich anstellen zu lassen.“ Die CDU in Thüringen bringt zudem das Modell von „Stiftungspraxen“ ins Spiel, die von der 2009 gegründeten „Stiftung zur ambulanten ärztlichen Versorgung in Thüringen“ getragen werden.

Wege aus dem Fachkräftemangel finden

Das Wirtschaftsberatungsunternehmen PwC hat ausgerechnet, dass aktuell ungefähr 290.000 Stellen im deutschen Gesundheitswesen nicht nachbesetzt werden können. Im Jahr 2035 könnten es gar 1,8 Millionen sein, prognostiziert PwC. Auf die Frage, wie sie dem Fachkräftemangel begegnen wollen, präsentieren die Parteien unterschiedliche Ideen. Eine häufig genannte Maßnahme ist neben attraktiven Lebensbedingungen durch eine moderne Infrastruktur vor Ort die Beschleunigung von Anerkennungsverfahren ausländischer Fachkräfte. Letzteres würden nach eigener Aussage in Thüringen die FDP, in Sachsen die Grünen und in Brandenburg die CDU, die Linke und die SPD in Angriff nehmen. In „begrenztem Umfang“ will auch die CDU Sachsen auf Fachkräftezuwanderung setzen. Ihr Plan: „Hier wollen wir mit Anwerbebüros in ausgewählten Ländern für bestimmte Branchen als Vermittler, Berater und Qualifikationsort einen entscheidenden Schritt gehen.“

Die AfD Brandenburg setzt auf heimische Fachkräfte und will Studierenden unter anderem durch ein Mentoring-Programm die Arbeit auf dem Land schmackhaft machen. In Thüringen kann sich die erwiesen rechtsextreme AfD laut offizieller Rückmeldung „qualitätsgesicherte Angebote zur Anschlussqualifizierung ausländischer Fachkräfte durch die Universität Jena“ vorstellen. Laut Aussage von Stefan Möller, Landessprecher der AfD Thüringen, setzt die Partei jedoch nicht auf Zuwanderung, sondern „auf organisches Wachstum aus der eigenen Gesellschaft heraus“. Zudem sollten die nach seinen Angaben jährlich 1.000 bis 1.500 Schülerinnen und Schüler ohne Abschluss in Thüringen nachqualifiziert werden.

Mit Blick auf die wissenschaftliche Datenlage ist das höchstens ein Tropfen auf den heißen Stein. „Seit dem Ende der Pandemie haben wir in Deutschland einen ungedeckten Fachkräftebedarf von 300.000 Menschen pro Jahr“, sagt Alexander Kritikos, Vorstandsmitglied des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). „Die Geburtenschwäche der vergangenen 30 Jahre jetzt durch eine Steigerung der Geburtenstärke auszugleichen, ist noch nicht einmal mittelfristig eine Lösung. Wir brauchen Zuwanderung.“

„Wir sind Infrastruktur!“

„Die Zahnmedizin ist ein wesentlicher Bestandteil der medizinischen Versorgung. Unsere gewählten und zu wählenden Volksvertreter müssen begreifen: Wir sind Infrastruktur! Ich erwarte von der neuen Landesregierung unter anderem Anreize und Unterstützung für Studienabgänger, sich im Land und auch auf dem Land niederzulassen. Ich fordere die Stärkung und Förderung der freiberuflichen Praxen zur Sicherung der flächendeckenden Erfüllung unseres Versorgungsauftrags sowie die Angleichung und Sicherung der Vergütung unserer Leistungen an die seit Jahrzehnten gestiegenen Kostenstrukturen. Entscheidend ist für mich auch das Thema Bürokratieabbau, denn die überschießenden bürokratischen Anforderungen zehren Energie, binden Arbeitskräfte und vernichten potenzielle Behandlungszeit.“

Jens Kießlich-Köcher, seit 1991 niedergelassener Zahnarzt in Tautenhain, Thüringen

Manches muss der Bund regeln

Viele Themen, die der Zahnärzteschaft unter den Nägeln brennen, werden nicht auf Landesebene, sondern im Bund entschieden. Jürgen Herbert, Präsident der Landeszahnärztekammer Brandenburg, nennt als Beispiel den Bürokratieabbau: „Bürokratie beruht häufig auf europäischen und Bundesnormen. Wir wünschen uns dabei die Unterstützung der Landesregierung auf europäischer und Bundesebene, hier über den Bundesrat.“ Auch der sächsische KZV-Chef Dr. Holger Weißig nimmt die Landesregierungen im Bund – etwa zu Themen wie einer Anhebung der GOZ – explizit in die Pflicht: „Wir erwarten von der neu gewählten Landesregierung, dass sie sich mit anderen Bundesländern, die ähnliche Probleme zu bewältigen haben, zusammenschließen und Gesetzesinitiativen auf Bundesebene auslösen.“

Eine Zusammenfassung aller Rückmeldungen der Parteien können Sie über die E-Mail-Adresse zm@zm-online.de anfordern.
*In einer früheren Version hieß es 600 praktizierende Zahnärztinnen und Zahnärzte. Dies war nicht korrekt. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

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