Zahnmedizin und Gynäkologie – ein Repetitorium

Mundgesundheit für die werdende Mutter und das Kind

Sebastian Ziller
,
Alice Arndt-Fink
Eine sich ergänzende zahnmedizinische und frauenärztliche Schwangerenbetreuung kann die Zahn- und Mundgesundheit der werdenden Mutter positiv beeinflussen und dem Risiko für Schwangerschaftskomplikationen aufgrund hormoneller Veränderungen und Frühgeburten präventiv entgegenwirken. Sie kann auch die spätere Mundgesundheit des Kindes positiv beeinflussen. Das Thema Mundgesundheit für die werdende Mutter und das Kind ist ebenfalls Schwerpunkt des diesjährigen Tages der Zahngesundheit.

Seit Ende der 1990er-Jahre ist in der Mutterschafts-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses die „bedarfsgerechte“ Beratung durch die Gynäkologin oder den Gynäkologen zur Mundgesundheit gesetzlich verankert [Gemeinsamer Bundesausschuss, 2023]. Da viele Frauen während ihrer Schwangerschaft oftmals keine Zahnarztpraxis aufsuchen, kommt der behandelnden Frauenärztin oder dem Frauenarzt ebenfalls eine Bedeutung bei der Beratung zu. Denn erfahrungsgemäß ist der Aufklärungsbedarf und -wunsch werdender Mütter bezüglich ihrer Gesundheit, einschließlich der Mundgesundheit, nach wie vor groß.

Mundgesundheit in der Schwangerschaft

Eine Schwangerschaft stellt eine besondere Zeit im Leben einer Frau dar. In dieser Zeit verändert sich der ge­samte Körper – auch Strukturen der Mundhöhle sind davon betroffen. Während der Schwangerschaft kann das Risiko für gingivale und parodontale Erkrankungen sowie für Erkrankungen des Zahnhartgewebes erhöht sein. Die häufigsten Erkrankungen der Hart- und Weichgewebe der Mundhöhle in der Schwangerschaft werden nachfolgend näher charakterisiert und durch Empfehlungen zur Prävention und Therapie ergänzt.

Schwangerschaftsgingivitis

Häufig berichten Schwangere über empfindliches, geschwollenes oder blutendes Zahnfleisch. Für die Prävalenz einer Zahnfleischentzündung werden in der Literatur Werte zwischen 30 und 100 Prozent angegeben [Silva de Araujo Figueiredo et al., 2017]. Verantwortlich für die Ausbildung einer Schwangerschaftsgingivitis ist die hormonelle Umstellung in der Schwangerschaft, die Veränderungen in der Zusammensetzung der bakteriellen Zahnbeläge sowie eine Erhöhung der Durchlässigkeit von Blutgefäßen zur Folge hat [Mariotti, 2005; Lindhe et al., 1967]. Deshalb reagiert das Zahnfleisch auf mechanische Reize wie Essen oder Zähneputzen empfindlicher und blutet leichter.

Zudem kann das Weichgewebe ödematös aufgelockert werden. Eine Volumenzunahme des Zahnfleisches begünstigt die Ausbildung sogenannter „Pseudotaschen“. Aufgrund einer erhöhten Entzündungsneigung kann bereits eine geringe Ansammlung an Biofilm zu einer Schwangerschafts­gingivitis führen [Mariotti, 1994; Wu et al., 2015]. Bereits bestehende Entzündungen in der Mundhöhle werden zudem verstärkt. Als Sonderform kann das pyogene Granulom (Granuloma gravidarum oder Epulis) auftreten [Amar et Chung, 2000].

Alles zur Mundgesundheit in der Schwangerschaft

Der Tag der Zahngesundheit 2024 will dieses Jahr schwerpunktmäßig darüber informieren, was Frauen über das Thema Mundgesundheit in der Schwangerschaft wissen sollten. „Auch während der Schwangerschaft werden zahnmedizinisch die klassischen Maßnahmen der Karies‐ und Parodontalprophylaxe empfohlen“, betont Prof. Dr. Christoph Benz, Präsident der Bundeszahnärztekammer (BZÄK), im Vorfeld der geplanten bundesweiten Aktionen zum Thema. Benz verweist auf eine gesunde Ernährung, eine sorgfältige Mundhygiene, eine regelmäßige Fluoridanwendung und regelmäßige zahnärztliche Kontrollen.

Ein zweites Schwerpunktthema in diesem Jahr ist die Mundgesundheit von Babys und Kleinkindern. Dr. Christian Rath, Geschäftsführer des Vereins für Zahnhygiene (VfZ), ermutigt Mütter und Väter, auch die Mundgesundheit in den Blick zu nehmen und ihr Kind dabei aktiv zu begleiten. Der Bundesverband der Zahnärztinnen und Zahnärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BZÖG) unterstreicht, dass niedrigschwellige Informations- und Unterstützungsangebote für Eltern während und nach der Schwangerschaft wichtig seien. Vor allem Familien in besonderen sozialen Lebenslagen könnten davon profitieren. Dr. Michael Kleinebrinker vom GKV-Spitzenverband (GKV-SV) hebt hervor, dass die Inanspruchnahme der zahnärztlichen Früherkennungsuntersuchungen bei Kindern zuletzt stetig gestiegen ist. Allerdings bestehe bei den 0- bis 6-jährigen Kindern noch Luft nach oben. Wichtig für die frühe Förderung der Mundgesundheit von Kleinkindern sei zudem die Gruppenprophylaxe in den Kitas, ergänzt die Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege (DAJ) und verweist auf ihre Angebote.

Der Tag der Zahngesundheit findet jedes Jahr am 25. September statt. Er wird getragen vom Aktionskreis zum Tag der Zahngesundheit, dem neben VfZ, BZÄK und BZÖG rund 30 Organisationen aus Gesundheitswesen und Politik angehören. Ziel ist, eine breite Öffentlichkeit für die Mundgesundheit zu sensibilisieren. Auf X, Instagram und tagderzahngesundheit.de informiert der Aktionskreis bis zum 25. September über die diesjährigen Schwerpunkte.

Eine Schwangerschaftsgingivitis tritt häufig gegen Ende des ersten Trimenons auf und ist im achten Schwangerschaftsmonat am stärksten ausgeprägt. Kurz nach der Entbindung – und der Normalisierung des Hormonhaushalts – bildet sie sich in der Regel zurück. Bei einem Fortschreiten der Gingivitis kann die Entzündung jedoch auf das Parodontium übergreifen und zu einer irreversiblen Parodontitis führen.

Zur Abklärung, ob bereits eine Entzündung des Zahnhalteapparats vorliegt, empfiehlt sich, bei empfindlichem, geschwollenem oder blutendem Zahnfleisch die Schwangere zahnärztlich untersuchen zu lassen.

Parodontitis 

Die Parodontitis führt zu einer De­struktion der Strukturen des Zahn­halteapparats. Einer Parodontitis geht in der Regel eine unbehandelte Gingivitis voraus. Daher steigt auch während einer Schwangerschaft das Risiko, an einer Parodontitis zu erkranken [Laine, 2002]. Zudem kann bei bereits parodontal erkrankten Frauen eine Schwangerschaft die Progression der Erkrankung begünstigen [Bobetsis, 2020; Moss et al., 2005].

Ob auch umgekehrt eine Parodontitis negative Auswirkungen auf eine Schwangerschaft hat, ist derzeit Gegenstand zahnmedizinischer Forschung. Schwangere mit einer Parodontitis scheinen ein erhöhtes Risiko für eine Frühgeburt, eine Geburt mit geringem Geburtsgewicht und eine Präeklampsie zu haben. Gleichzeitig gibt es Anzeichen dafür, dass eine bestehende Parodontitis das Risiko für einen Gestationsdiabetes erhöht [Abariga et Whitcomb, 2016]. Jedoch ist die aktuelle Datenlage hierfür nicht eindeutig, sodass es sich bislang um Hinweise auf Wechselwirkungen handelt, die einer weiteren wissenschaftlichen Fundierung bedürfen. Idealerweise wird eine Parodontitis bereits bei einem bestehenden Kinderwunsch erkannt und zahnärztlich behandelt. Bei einer bestehenden Schwangerschaft gilt vor allem das zweite Trimenon als sicherster Zeitpunkt für eine Parodontitisbehandlung.

BZÄK kooperiert mit Gynäkologen

Gemeinsam mit dem Berufsverband der Frauenärzte e.V. (BVF) weist die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) am diesjährigen Tag der Zahngesundheit auf die fachärztliche Kooperation in der Schwangerenvorsorge hin und informiert mit einem Fachartikel in der Zeitschrift des BVF und auf dem Instagram-Kanal „Schwanger mit dir“. BZÄK und BVF wollen zum Thema „Mundgesundheit in der Schwangerschaft und in den ersten Lebensjahren des kleinen Kindes“ Kolleginnen und Kollegen beider Fachrichtungen bei ihrer Beratungsarbeit unterstützen. Zudem will man dafür sensibilisieren, dass es durchaus sinnvoll sein kann, gynäkologisch betreute Schwangere mit einem erhöhten individuellen Risiko für Erkrankungen der Zähne und des Zahnfleischs zum Zahnarzt oder zur Zahnärztin zu verweisen.

Bislang gibt es noch keine klare wissenschaftliche Evidenz, ob eine Parodontitistherapie zur Reduktion ungünstiger Schwangerschaftsverläufe beiträgt. Allerdings sollte auf die Therapie während der Schwangerschaft nicht per se verzichtet werden, um einen weiteren Attachmentverlust des Zahnbetts zu verhindern und den klinischen Status der Mutter zu verbessern. Bei gynäkologischen Risiken sollten Gynäkologen und Zahnmediziner gemeinsam besprechen, ob eine Parodontaltherapie durchgeführt werden sollte. Alternativ können begleitende antiinfektiöse Therapiemaßnahmen mit antibakteriellen Mundspüllösungen (zum Beispiel Chlorhexidin) in Kombination mit Maßnahmen wie einer Professionellen Zahnreinigung (PZR) zum Einsatz kommen [Meyer-Wübbold et al., 2020].

Karies 

Während einer Schwangerschaft nehmen sowohl die Speichelpufferkapazität als auch der Kalzium- und Phosphatgehalt ab, wodurch das Remineralisationspotenzial des Speichels reduziert wird [Laine, 2002; Salvolini et al., 1998]. Zudem kommt es gegen Ende der Schwangerschaft zu einer Absenkung des pH-Werts des Speichels und zu einer erhöhten Konzentra­tion des kariesauslösenden Leitkeims Streptococcus mutans. Als Folge dieser Veränderung steigt das Kariesrisiko der werdenden Mutter, worauf in der frauenärztlichen Beratung hingewiesen werden sollte [Laine, 2002; Laine et al., 1986].

Erosionen 

Das Absenken des pH-Wertes in der Mundhöhle und der direkte Kontakt der Zahnoberflächen mit Säuren können zum Abtrag von Zahnhartsubstanz führen. Schwangere können von Erosionen vermehrt betroffen sein. So kann der frequente, direkte Kontakt der Zahnoberflächen mit aggressiver Magensäure im Rahmen einer Emesis gravidarum oder eines Reflux Erosio­nen begünstigen. Zudem kann eine veränderte Nahrungsaufnahme in Form mehrerer Zwischenmahlzeiten das Risiko zusätzlich erhöhen, vor allem wenn säurehaltige Speisen und Getränke konsumiert werden.

Die Mundgesundheit des kleinen Kindes

Frühkindliche Karies (ECC)

Die frühkindliche Karies (Early Childhood Caries, ECC, Abb. 2) stellt nach wie vor eine Herausforderung für die Kinderzahnheilkunde dar. Zehn bis 17 Prozent der Dreijährigen und bis zu 40 Prozent der unter Sechs- bis Siebenjährigen sind von dieser kariösen Zerstörung der Milchzähne betroffen [Team DAJ. 2017]. Damit ist die frühkindliche Karies die häufigste chronische Erkrankung bei Kleinkindern und Kindern im Vorschulalter. Die wichtigsten Risikofaktoren für das Entstehen einer frühkindlichen Karies sind:

  • die regelmäßige Aufnahme zucker- und säurehaltiger Getränke mit der Saugerflasche, insbesondere in der Nacht,

  • eine unterlassene Zahnpflege beziehungsweise der verspätete Beginn des Zähneputzens mit einer fluoridhaltigen Zahnpasta [Heinrich-Weltzien, 2020].


Kariöse Milchzähne können Schmerzen verursachen, das Essen erschweren und so die körperliche Entwicklung des Kindes verlangsamen. Unbehandelt kann eine frühkindliche Karies im schlimmsten Fall zu einem vorzeitigen Verlust der betroffenen Milchzähne führen.

Bei der Prävention einer frühkindlichen Karies spielen die Eltern eine Schlüsselrolle, da sie sowohl die Ernährung als auch den Einfluss potenzieller Risikofaktoren entscheidend mitbestimmen. Möglichst früh sollten deshalb erste Mundhygienemaßnahmen etabliert werden. Dabei gilt, Säuglinge und Kleinkinder spielerisch an das Zähneputzen heranzuführen, sodass die Zahnpflege von Anfang an als etwas Selbstverständliches im Rahmen der allgemeinen Körperhygiene erlebt wird. Im Vordergrund steht dabei nicht das Erlernen einer Zahnputztechnik, sondern das Ritual. Das Nachputzen erfolgt anschließend durch die Eltern.

Mit dem Durchbruch der Milchzähne sollte der erste Besuch in der Zahnarztpraxis stattfinden. Die Zahnärztin oder der Zahnarzt beurteilt die Zahn­entwicklung und die Mundgesundheit des Kindes und gibt Hinweise zu passenden Mundhygienemaßnahmen und einer zahngesunden Ernährung. Zudem lernt das Kind von klein auf, die Zahnarztpraxis als gewohnte Umgebung kennen. Zur effektiven Karies­prävention sollten Mundhygienemaßnahmen durch eine zuckerarme Ernährung und geeignete Fluoridierungsmaßnahmen ergänzt werden.

Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH)

Seit einigen Jahren wird über eine steigende Zunahme der Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH) – im Volksmund Kreidezähne genannt – berichtet. In bestimmten Altersgruppen scheint die Prävalenz der MIH mittlerweile die von Zahnkaries überholt zu haben [IDZ, 2014]. Die Kenntnis über die Zahnentwicklungsstörung MIH ist für Gynäkologinnen und Gynäkologen im Zusammenhang mit einem zunehmendem Aufklärungsbedarf werdender Eltern von Relevanz.

Prinzipiell kann eine MIH alle Milch- und bleibenden Zähne betreffen, wobei die ersten Backenzähne und die Schneidezähne der bleibenden Zähne die am häufigsten betroffenen Zahngruppen darstellen [Kühnisch et al., 2021] (Abb. 3).

Die Ätiologie der MIH ist bislang ungeklärt. Da die Schmelzbildung der bleibenden Backenzähne und der Schneidezähne zwischen dem achten Schwangerschaftsmonat und dem vierten Lebensjahr des Kindes erfolgt, werden Störungen der schmelzbildenden Zellen während dieser Zeitspanne vermutet. Als Ursache für die Schmelzreifungsstörung werden unter anderem Umwelttoxine wie Dioxine oder Bisphenol-A-(BPA), durch verlängertes Trinken aus Plastiktrinkflaschen, sowie respiratorische oder bläschenbildende Erkrankungen in den ersten beiden Lebensjahren des Kindes diskutiert [Kühnisch et al., 2021; Dulla et Meyer-Lueckel, 2021]. Nähere Erkenntnisse zu den Ursachen sind aktuell Gegenstand zahnmedizinischer Forschung.

Klinisch äußert sich die MIH durch scharf begrenzte Opazitäten im Zahnschmelz von weißer, gelblicher oder bräunlicher Farbe [Kühnisch et al., 2021]. Bei ausgeprägtem Schweregrad der Hypomineralisation treten Defekte in Form von Struktureinbrüchen des Zahnschmelzes bereits schnell nach dem Zahndurchbruch auf [Bekes et Stein, 2022]. Zahnschmelzeinbrüche können bereits vor dem Durchbruch der Zähne angelegt sein oder bei Belastungen wie Kauen auftreten.

Eine kausal ausgerichtete Präventionsstrategie ist aufgrund der bislang ungeklärten Ätiologie der MIH nicht möglich. Im Vordergrund steht daher die engmaschige Betreuung und die symptomatische Behandlung der MIH in der Zahnarztpraxis, die sich nach dem Schweregrad der Ausprägung richtet. Milde Formen der MIH können symptomlos verlaufen. Mit zunehmendem Schweregrad können zunehmend Empfindlichkeiten und Schmerzen bei thermischen, mechanischen oder chemischen Reizen auftreten. Dies kann zu Einschränkungen in der Mund­hygiene und der Kaufunktion führen. Erleichterungen können desensibilisierende Gele oder Versiegelungen zum Schutz der Zahnhartsubstanz bringen. Starke Strukturdefekte des Zahnschmelzes führen jedoch häufig zu restaurativen Maßnahmen oder zur Extraktion betroffener Zähne.

Prävention und Beratung

Mundhygiene in der Schwangerschaft 

Während der Schwangerschaft ist eine regelmäßig gründlich durchgeführte häusliche Mundpflege besonders wichtig. Beläge auf Zahnoberflächen beherbergen potenziell pathogene Mikroorganismen, die eine Gefahr für Zahnfleisch und Zahnhartsubstanz darstellen. Daher gilt es, diese im Rahmen der täglichen Zahnpflegeroutine möglichst vollständig zu entfernen.

Neben der Reinigung der Zahnflächen spielt die Reinigung der Zahnzwischenräume mit Interdentalbürsten oder Zahnseide eine wichtige Rolle. Langzeituntersuchungen zeigen, dass Hilfsmittel zur Interdentalreinigung zur Prävention einer Gingivitis beitragen können [Holtfreter et al., 2024]. Bei einer bereits bestehenden Entzündung des Zahnfleisches sollten die Mundhygienemaßnahmen intensiviert werden.Als Ergänzung zur mechanischen Reinigung können antimikrobielle Mundspüllösungen angewendet werden. Sollte die Zahnfleischentzündung persistieren, ist ab der zwölften Schwangerschaftswoche ein Termin für eine PZR in der Zahnarztpraxis zu empfehlen (Abbildungen 4 und 5).

Patientinnen, die unter Schwangerschaftsübelkeit oder an einem Reflux leiden, sollten möglichst nicht sofort zur Zahnbürste greifen, sondern idealerweise eine halbe Stunde bis zum Zähneputzen vergehen lassen. Zudem bieten sich bei Übelkeit oder Würgereiz beim Zähneputzen elektrische Zahnbürsten mit einem kleinen runden Kopf sowie milde, geschmacksneutrale Zahnpasten an.

Fluoride in der Schwangerschaft

Aufgrund des erhöhten Karies- und Erosionsrisikos der werdenden Mutter sollte während der Schwangerschaft nicht auf eine regelmäßige lokale Fluoridierung der Zähne verzichtet werden. Basis der Kariesprävention ist die tägliche Verwendung fluoridhaltiger Zahnpasta. Zudem können lokale Fluoridierungsmaßnahmen in der Zahnarztpraxis den Kariesschutz bei einem erhöhten Kariesrisiko ergänzen. Eine systemische, pränatale Einnahme von Fluoridtabletten führt zu keinem vermehrten Kariesschutz für das Kind [Patcas et al., 2012]. Gegen die Anwendung von Fluoriden in der Schwangerschaft im Rahmen der Kariespräven­tion bestehen nach derzeitigem wissenschaftlichem Erkenntnisstand keine Bedenken. In hoher Konzentration wirkt die Plazenta als Barriere; so besteht keine Gefahr einer intrauterinen Fluorose der Milchzähne.

Empfohlene Zahnarztbesuche in der Schwangerschaft

Zur Gesunderhaltung von Zähnen und Zahnfleisch sollte die häusliche Mundhygiene durch die regelmäßige Betreuung in der Hauszahnarztpraxis ergänzt werden. Deshalb soll im Rahmen der ärztlichen Schwangerenberatung bedarfsgerecht über die Bedeutung der Mundgesundheit für Mutter und Kind aufgeklärt werden [Gemeinsamer Bundesausschuss, 2023; Arndt-Fink et Ziller, 2024]. Zu Beginn der Schwangerschaft sollte sich die werdende Mutter in einer Zahnarztpraxis vorstellen. Dort erhält sie eine spezielle Beratung zur richtigen Mundpflege und zu Prophylaxe-Maßnahmen und es wird kontrolliert, ob Zähne und Zahnfleisch gesund sind. Neben der gründlichen Mundpflege zu Hause und den zahnärztlichen Vorsorgeuntersuchungen ist die PZR in der Zahnarztpraxis ein wichtiger Prophylaxe-Baustein während der Schwangerschaft.

Folgende Besuche werden im Verlauf der Schwangerschaft empfohlen (Abbildungen 4 und 5):

  • 1. Trimenon: Hier bietet sich ein Beratungstermin in der Zahnarztpraxis an, in der die Zahnärztin / der Zahnarzt über die Mundgesundheit während der Schwangerschaft aufklärt. Inhalt sind neben Tipps zu Mundhygienemaßnahmen auch Ernährungsempfehlungen, um Zahnschäden durch Säure oder Karies zu vermeiden.

  • 2. Trimenon: Der Beginn des zweiten Trimenon ist der richtige Zeitpunkt für eine professionelle Zahnreinigung. Neben der mechanischen Beseitigung der bakteriellen Plaque kann es notwendig sein, die häusliche Mundhygiene anzupassen. Falls notwendig, kann hier eine erweiterte zahnärztliche Therapie erfolgen.

  • 3. Trimenon: Zu diesem Zeitpunkt wird bereits über Möglichkeiten der Prophylaxe für das zu erwartende Kind informiert, denn Zahnerhalt beginnt schon vor dem Durchbruch des ersten Milchzahns (ECC-Prophylaxe). In die zahnärztliche Beratung sind auch ernährungsmedizinische Empfehlungen einzubeziehen und ist auf den Zusammenhang zwischen Ernährung und Kariesrisiko hinzuweisen. Das bietet auch für Gynäkologinnen und Gynäkologen im Vorfeld eine gute Gelegenheit, über die Zähne des ungeborenen Kindes zu sprechen. Denn bereits ab der sechsten bis etwa achten Schwangerschaftswoche entwickeln sich die Milchzähne des ungeborenen Kindes.


Die aufgeführten Terminempfehlungen dienen der Orientierung.

Mundgesund von Anfang an

Spätestens mit den ersten Zähnen, um den sechsten Lebensmonat, rücken Mundgesundheit und Zahnpflege des Nachwuchses in den Fokus. Das Neugeborene muss an eine tägliche Mund- und später Zahnreinigung gewöhnt werden. Brechen die ersten Milchzähne durch, müssen diese geputzt werden. Die Untersuchung des kleinen Kindes und Mundhygieneübungen können in der Zahnarztpraxis durchgeführt werden. Um dies an einem Termin nach Durchbruch der ersten Zähne beim acht bis neun Monate alten Kind erstmals durchzuführen, empfiehlt sich die Ausgabe des Zahnärztlichen Kinderpasses in der Schwangerenberatung oder später in der Zahnarztpraxis [Ziller, 2022].

Der „Zahnärztliche Kinderpass“ (Abb. 6) ist mittlerweile – regional angepasst – in allen Bundesländern eingeführt. Er ist in der Regel über die (Landes)Zahnärztekammern zu beziehen. Hier werden auch die zahnärztlichen Befunde der werdenden Mutter dokumentiert. Die zahnärztlichen Vorsorgeuntersuchungen im Mutterpass, im kinderärztlichen U-Heft und im zahnärztlichen Kinderpass sind drei wichtige Instrumente, Informationen zur Mundgesundheitsförderung an die Schwangere und die neuen Eltern weiterzugeben.

Ernährung in den ersten Lebensjahren

Das Stillen des Neugeborenen in den ersten Lebensmonaten hat vielfache positive Effekte für Mutter und Kind. Grundsätzlich wird das kariogene Potenzial von Muttermilch als niedrig bewertet. Zudem kann der bakterizide Wirkmechanismus von in Muttermilch enthaltenen Enzymen und Immunglobulinen das Wachstum kariesfördernder Mikroorganismen wie Streptococcus mutans in der Mundhöhle hemmen. Im Vergleich zu nichtgestillten Altersgenossen weisen gestillte Säuglinge ein niedrigeres Risiko für eine frühkindliche Karies auf [Olatosi et Sote, 2014]. Darüber hinaus fördert der Saugvorgang an der Brust die optimale Entwicklung des kraniofazialen Wachstums; das Stillen wirkt so Fehlentwicklungen der Kiefer und Zahnfehlstellungen vor.

Das Stillen über das erste Lebensjahr hinaus kann möglicherweise die Entstehung einer frühkindlichen Karies begünstigen. Allerdings sind die Zusammenhänge bislang nicht abschließend geklärt und deuten auf weiteren Forschungsbedarf hin.

Mit der Einführung von Beikost rückt zunehmend die gesunde Ernährung des Nachwuchses in den Vordergrund. Zucker sollte sparsam angeboten werden, da dieser die Bildung eines kariogenen Biofilms auf den Zähnen und von kariogenen Säuren durch Kariesbakterien begünstigt. Neben der Menge spielt vor allem die Frequenz der Einnahme zuckerhaltiger Speisen und Getränke eine zentrale Rolle für die Kariesentstehung. Eine bewusste, zuckerreduzierte Ernährung und ein maßvolles Angebot zuckerhaltiger Speisen und Getränke sind zur Prävention einer frühkindlichen Karies entscheidend. Besonders die hochfrequente, nächtliche Gabe zuckerhaltiger Getränke in Nuckel- beziehungsweise Saugerflaschen stellt eine Gefahr für die Zahngesundheit dar. Daher sollten Kleinkinder möglichst früh das Trinken aus einem Becher oder einer Tasse erlernen. Als Durstlöscher sind Wasser oder ungesüßte Tees am besten geeignet. Zudem sollten (werdende) Eltern über das kariogene Potenzial vermeintlich gesunder Nahrungsmittel wie Honig oder Trockenfrüchte aufgeklärt werden. Auch säurehaltige Speisen und Getränke wie Obst, Rohkost und Säfte können den Zahnschmelz angreifen und Erosionen hervorrufen.

Fluoridierungsempfehlungen in den ersten Lebensjahren

Fluorid verringert die Löslichkeit der Zahnhartsubstanz bei einem Säureangriff und schützt so vor einer Demineralisierung. Gleichzeitig wird durch Fluorid die Remineralisation initialer Kariesläsionen gefördert, indem Kalzium- und Phosphat-Ionen in den Zahnschmelz eingelagert werden. Darüber hinaus besitzen Fluoride eine antimikrobielle Wirkung [Featherstone, 1999; Stößer, 2006]. Dem Nutzen können Veränderungen der Zahnhartsubstanz bleibender Zähne infolge chronisch überdosierter Fluorid­aufnahmen gegenüberstehen. Eine Fluoridanwendung sollte daher kontrolliert erfolgen (Fluoridanamnese), um den höchsten kariespräventiven Effekt bei dem gleichzeitig geringsten Fluoroserisiko zu erzielen. Kinderärzte und (Kinder-)Zahnärzte haben gemeinsam aktuelle Empfehlungen zur Kariesprävention mit Fluorid im Säuglings- und im frühen Kindesalter erarbeitet (Abb. 7) [Berg et al., 2021]. Bei einem hohen Kariesrisiko können diese Empfehlungen durch weitere Fluoridierungsmaßnahmen, zum Beispiel das Auftragen von Fluoridlacken, ergänzt werden. Eltern sowie Patienten werden hierzu in der Zahnarztpraxis informiert.

Fazit

Es gibt also eine Vielzahl von Beratungsinhalten, die sowohl in der Zahnarztpraxis als auch von Gynäkologinnen und Gynäkologen Frauen und jungen Eltern von Beginn der Schwangerschaft bis zum Ende der Stillzeit für deren Zahngesundheit und die der kleinen Kinder vermittelt werden können. Hier sollten die vier Ansatzpunkte Aufklärung, Ernährungslenkung, Zahnpflege und Fluoridnutzung genutzt werden, weil

  • durch die hormonellen Umstellungen eine Schwangerschaftsgingivitis (Zahnfleischentzündung) begünstigt wird,

  • es Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Erkrankungen oder Entzündungen des Zahnfleisches und Frühgeburten gibt,

  • das Stillen des Neugeborenen die Entwicklung von Zähnen, Kiefer, Kiefergelenken und Mundmuskulatur ideal fördert,

  • in den vergangenen Jahren auch in Deutschland ein Anstieg der Zahl von Kindern mit früher Milchzahnkaries zu beobachten ist.


Eine sich ergänzende frauenärztliche und zahnmedizinische Schwangerenbetreuung kann die Mundgesundheit der werdenden Mutter positiv beeinflussen und dem Risiko von eventuellen Schwangerschaftskomplikationen entgegenwirken sowie positiv auf die Mundgesundheit des kleinen Kindes wirken.

Literaturliste

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426578-flexible-1900

Dr. Sebastian Ziller

Leiter der Abteilung Prävention
und Gesundheitsförderung
der Bundeszahnärztekammer
Chausseestr. 13, 10115 Berlin
426579-flexible-1900

Dr. Alice Arndt-Fink

Referentin in der Abteilung Prävention und Gesundheitsförderung der Bundeszahnärztekammer
Bundeszahnärztekammer

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