Studie zum Fachkräftemangel

Engpassberuf ZFA

Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) kommt in einer neuen Analyse zu dem Schluss, dass 2027 insgesamt 728.000 Fachkräfte in Deutschland auf dem Arbeitsmarkt fehlen werden. Darunter: über 11.000 Zahnmedizinische Fachangestellte (ZFA). Weitere Untersuchungen belegen: Schon heute ist die Lage in den Praxen dramatisch.

Bereits 2019 hatte die Bundesagentur für Arbeit (BA) einen Fachkräftemangel in diesem Bereich festgestellt und den Job mit einem Punktwert von 2,5 als Engpassberuf eingestuft. Seitdem hat sich die Situation weiter verschärft: 2022 landete die ZFA auf Platz 1 der Berufe mit der höchsten Knappheit unter allen Fachberufen, in der aktuellen Liste der BA aus dem Juni liegt der Wert unverändert bei 2,8. Zum Vergleich: Bei Medizinischen Fachangestellten (MFA) beträgt er derzeit 2,3. Insgesamt sank die Zahl der Engpassberufe 2023 zwar leicht von 200 auf 183, trotzdem gibt es große Lücken in rund jedem siebten Fachkräfteberuf.

Die Ökonomen am IW untersuchen in ihrer neuen Studie ebenfalls die Entwicklung am Arbeitsmarkt. Sie gehen aber einen anderen Weg: Anstatt die derzeitige Lage abzubilden, werfen sie einen Blick in die Zukunft. Differenziert nach Berufsgattungen zeigen sie, wie sich Beschäftigung und Fachkräftelücke bis 2027 entwickeln werden, wenn die Strömungen der letzten sieben Jahre weiter anhalten. Dabei handelt es sich ausdrücklich nicht um eine Prognose, sondern das Modell schreibt die empirischen Trends der Jahre 2016 bis 2022 bis 2027 fort, indem es in 1.300 Berufen tausende Zeitreihen zu Zuwanderung, Altersstruktur und Berufsverteilung einzeln weiterführt und zu einem Gesamtbild zusammensetzt.

Ihr Fazit: Rund 37.000 offene Stellen blieben unbesetzt, weil es nicht genügend Fachkräfte gibt. Auf 65.000 Stellenausschreibungen kämen gerade einmal 45.000 passend qualifizierte Arbeitslose. Und infolge des demografischen Wandels gingen voraussichtlich jährlich 283.000 Beschäftigte mehr in Rente als nachrücken. Was das für die Praxis heißt? Dass 11.373 ZFA und 16.060 MFA 2027 in der Versorgung fehlen würden.

2027 würden 11.373 ZFA und 16.060 MFA fehlen

Stellschrauben für die Praxen

Die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) hat auf ihrer diesjährigen Klausurtagung mögliche Lösungsansätze für den Fachkräftemangel diskutiert. Als Stellschrauben für die Praxen benennt der Vorstand in seiner Münsteraner Erklärung vor allem das Gehalt, flexible Arbeitszeiten sowie eine verstärkte Einbindung in Strategie- und Entscheidungsprozesse der Zahnarztpraxis.

Eine weitere IW-Studie hat ausgerechnet,dass sich die Fachkräftelücke in Gesundheits- und Sozialberufen in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdreifacht hat. Somit fehlen bundesweit knapp 133.000 Arbeitskräfte in diesem Bereich. Das ist ein Viertel des gesamten Gaps in Deutschland. ZFA rangieren dabei mit einer Lücke von 8.202, einer Stellenüberhangsquote von 67,2 Prozent und 12.207 offenen Stellen auf Platz 3, MFA mit einer Lücke von 6.908, einer Stellenüberhangsquote von 44,8 Prozent und 15.422 offenen Stellen auf Platz 4.

Krasse Zahlen, krasse Probleme. Aber gibt es auch Lösungen?

Ja, sagen die Kölner Wissenschaftler Alexander Burstedde und Jurek Tiedemann: „Dank der starken Zuwanderung könnte sich die Lage in Zukunft zumindest in Teilen entspannen.“ Zwar verabschiedeten sich infolge des demografischen Wandels bis 2027 wohl jährlich 283.000 Beschäftigte mehr in den Ruhestand als nachrücken. Setze sich der aktuelle Trend jedoch fort, werden bis dahin auch 285.000 Menschen jährlich aus dem Ausland in den Arbeitsmarkt einwandern. „Schon heute merken Unternehmen, dass Fachkräfte aus dem Ausland wichtig sind. Unsere Studie zeigt, dass in der guten Integration in den Arbeitsmarkt enorme Chancen liegen“, sagt Burstedde. Essenziell sei daher, die qualifizierte Zuwanderung zu stärken und berufliche Abschlüsse aus dem Ausland schneller anzuerkennen.

Nachqualifizieren und Quereinsteiger werben

Auch für die Autorinnen und Autoren der zweiten Studie ist die Situation nicht hoffnungslos: Wenn man Helferinnen und Helfer nachqualifiziert und Quereinsteiger wirbt, könnten zahlreiche zusätzliche Fachkräfte gewonnen werden. Auch die gezielte Rekrutierung ausländischer Fachkräfte sei eine elementare Stellschraube zur Fachkräftesicherung in Gesundheits- und Sozialberufen.

So rechnet die BA

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) bewertet einmal jährlich die Fachkräftesituation am Arbeitsmarkt. Sie prüft anhand von sechs Indikatoren für alle Berufsgattungen (Deutschland) beziehungsweise Berufsgruppen, ob es sich um einen Engpassberuf handelt:

  • Wie lange dauert es, bis eine Stelle nachbesetzt werden kann (Vakanzzeit)?

  • Wie viele Arbeitssuchende gibt es im Vergleich zum Stellenangebot?

  • Wie hoch ist die berufsspezifische Arbeitslosenquote?

  • Wie verändert sich der Anteil sozialversicherungspflichtiger Fachkräfte aus dem Ausland?

  • Wie viele Menschen kommen aus der Arbeitslosigkeit in den Beruf?

  • Wie entwickelt sich die Bezahlung (Mittelwert)?

Ist der ermittelte Punktwert größer gleich 2,0, handelt es sich um einen Engpassberuf, liegt er unter 1,5, ist es kein Engpassberuf. Liegt er dazwischen, wird die Entwicklung des Berufs weiter beobachtet.

Darüber hinaus sei es wichtig, Gesundheits- und Sozialberufe attraktiver zu gestalten. „Auch wenn viele Berufe in diesem Bereich sehr reguliert und standardisiert sind, sollten Einrichtungen vorhandene Gestaltungsspielräume nutzen, um Mitarbeitende einzubinden und insbesondere bei Schichtarbeit die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben stärker in den Blick zu nehmen“, raten sie. Zusätzlich sollten zur Entlastung der Belegschaft die Bürokratie reduziert und die Nutzung technologischer Unterstützungen verstärkt werden.

Die beiden Studien:

Burstedde, Alexander / Tiedemann, Jurek, 2024, IW-Arbeitsmarktfortschreibung 2027. Aktualisierung mit Daten bis 2022 – Zuwanderung kann Alterung ausgleichen, IW-Report, Nr. 33, Köln

Arndt, Franziska / Tiedemann, Jurek / Werner, Dirk, 2024, Die Fachkräftesituation in Gesundheits- und Sozialberufen, Studie im Rahmen des Projektes Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (KOFA) in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), Köln

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