Hans-Joachim Schinkel zu 25 Jahre Dentists for Africa

„Unser Ziel ist, Verantwortung nach Kenia zu übertragen!“

Seit ihrer Gründung vor 25 Jahren haben die Dentists for Africa (DfA) über eine Million Patienten untersucht und behandelt. Dr. Hans-Joachim Schinkel erzählt, warum er damals gerade in Afrika ein Projekt aufbauen wollte, für welche Werte der Verein steht und wie sich Arbeit, Einstellung und Perspektiven über die Jahre verändert haben.

Warum wollten Sie damals einen Verein in Kenia gründen?

Dr. Hans-Joachim Schinkel: Ich kann durch meinen Beruf in einem anderen Land etwas bewegen, wovon die Menschen dort profitieren. Das ist für mich ein kleiner Beitrag für Gerechtigkeit auf der Welt. Mir war aber schnell bewusst, dass wir verlässliche Partner vor Ort brauchen, um das Hilfsprojekt aufzubauen und langfristig zu betreiben. Deshalb kontaktierte ich 1997 die Missionszentrale der Franziskaner in Bonn. Ich fragte an, ob Interesse für so ein Projekt besteht und bat um Kontaktvermittlung zu einheimischen Franziskanern und bekam deren Zusage. Wir entschieden uns für Afrika, weil dort die Not am größten ist. Im Sommer 1999 starteten wir, damals noch unter dem Namen „Aktionsgemeinschaft Zahnarzthilfe Kenya e.V.“, aus der dann die „Arzt- und Zahnarzthilfe Kenya“ und 2008 schließlich „Dentists for Africa“ wurde. Wir haben einen Container mit zahnärztlicher Ausrüstung gepackt und losgeschickt. 2000 sind dann die ersten Einsatzleistenden nach Kenia geflogen und haben mit der Arbeit begonnen.

Was uns vor Ort wirklich persönlich betroffen gemacht hat, war die Not der Kinder. So entstand die Idee, das Patenschaftsprojekt zu gründen. Mit dem Wunsch nach Förderung von aktiven Selbsthilfegruppen kam 2008 die Witwenkooperative St. Monica Village als dritter Projektpfeiler hinzu. Obwohl die Witwen selbst in so großer Not leben, nehmen sie in ihre Häuser noch zusätzlich Waisenkinder auf und sorgen für sie. Diese Frauen geben letztlich alles, was sie haben, für ihre Kinder. Dann sollten wir wenigstens, die wir so viel haben, diese Menschen unterstützen. Deswegen hat sich das Projekt in Deutschland auch so glaubwürdig entwickelt.

Wie sind das zahnärztliche, das Patenschafts- und das Witwenprojekt miteinander verbunden?

Durch das Patenschaftsprojekt werden die Witwen entlastet und das zahnärztliche Projekt profitiert vom Patenschaftsprojekt: Viele Waisenkinder haben mittlerweile einen zahnärztlichen Berufsabschluss und unterstützen dieses Projekt mit ihrem Engagement und betreiben es gemeinsam mit uns. Die Witwen wiederum haben ein Kinderauswahlkomittee gegründet, das die Auswahl der bedürftigen Waisenkinder für das Patenschaftsprojekt übernimmt. Die Franziskanerinnen halten die drei Projekte zusammen.

Was hat Sie in all den Jahren besonders bewegt?

Schon der erste Patient, den ich behandelt habe, hat mich sehr bewegt. Er litt seit drei Jahren unter Zahnschmerzen habe. Viele Menschen standen um den Behandlungsstuhl herum und waren neugierig. Innerhalb von einer Minute konnte ich den schmerzenden Zahn entfernen und so sein Problem lösen. Das hat mir auch selbst viel Motivation gegeben.

Was bleibt eine Herausforderung in der Zusammenarbeit mit den Projektpartnern?

Es war eine gewisse Zeit notwendig, um zu verstehen, wie bestimmte Dinge in Kenia funktionieren. Die Kenianer leben – wie die meisten Menschen in Afrika – in Verbundenheit mit ihren Mitmenschen und der Natur. Wir verstehen heute, dass die Kenianer Experten in ihrem Land sind und nicht wir! Das bedeutet auch: Ihre Probleme können sie nur selbst lösen. Unsere vielen guten Ideen sind nur etwas wert, wenn sie mit den eigenen Ideen der Kenianer übereinstimmen. Man kann es abgleichen und miteinander sprechen, aber das ist der Grundgedanke, den man verstehen muss.

25 Jahre sind eine lange Zeit. Wie hat sich die Arbeit von DfA im Laufe der Zeit verändert?

Im zahnärztlichen Projekt sind die Behandelnden und Techniker inzwischen meist Kenianer, nicht mehr Deutsche. Die Einsatzleistenden sind weiterhin wichtig, deren Kompetenz sollte nun darauf liegen, die Arbeit zu organisieren und weiterzubilden. In der Verwaltung hat sich eine stabile hauptamtliche Struktur entwickelt, die effizient, transparent und entsprechend den tatsächlichen Bedürfnissen vor Ort agiert. Und im Witwenprojekt kann man nur staunen, wie im Laufe der zwei Jahrzehnte das Selbstbewusstsein der Frauen gewachsen ist. Sie sind strukturierter und organisieren ihre Arbeit im Sinne aller. Sie entwickeln ihre eigenen Projekte und teilen uns ihre Ideen mit. Durch ihre Eigeninitiative und Stärke setzen die Witwen die Durchsetzung ihrer Rechte in Gang, die sie zwar gesetzlich haben, die aber aufgrund der patriarchalen Struktur nicht tatsächlich umsetzbar sind. Darauf bin ich stolz. Das geht weiter und ist ein Prozess.

Wichtige Zahlen der letzten 25 Jahre im Überblick:

  • Rund 10 Millionen Euro Spenden

  • 1 Millionen Untersuchungen

  • 650.000 behandelte Patienten

  • 14 errichtete Zahnstationen

  • 950 Einsatzleistende

  • 661 Mitglieder, Paten und Förderer

  • 1.247 unterstützte Kinder, die eine Zukunftsperspektive bekamen

  • Rund 650 Witwen in der Witwenkooperative St. Monica Village, die ein selbstbestimmtes Leben führen können. Durch das Einkommen der Witwen werden rund 2.600 Familienangehörige unterstützt

Was sind Sie Ihre größten Erfolge?

Klar, wir haben 14 Zahnstationen aufgebaut und eine Schule errichtet. Das eigentlich Wertvolle ist aber, dass wir Prozesse in Gang gesetzt haben, durch die sich die Menschen verwirklichen können. Es gibt in Kenia so viele junge Menschen und so viele Witwen mit unendlichem Potenzial – doch die Bedingungen sind so schlecht, dass sie sich nicht entfalten können. Wenn wir uns mit denen verbünden, die in Kenia dieselben Ziele haben – und das sind für uns die Franziskanerinnen – dann bringt uns das voran.

Zahnärztliche Versorgung in Kenia

In Deutschland kommen auf einen Zahnarzt rund 1.150 Einwohner, in Kenia sind es 42.000. Dabei praktizieren die meisten Zahnärzte in Großstädten und Ballungsräumen, die ländliche Bevölkerung hat somit keinen Zugang zu zahnärztlicher Versorgung. Deshalb konzentriert sich der Verein auf ländliche Regionen.

Dentists for Africa ist als gemeinnützige Organisation auf Spenden angewiesen.

Dentists for Africa e.V.
IBAN: DE86 8205 1000 0140 0467 98
Sparkasse Mittelthüringen
BIC: HELADEF1WEM

Welche Pläne hat die Organisation für die Zukunft?

Unser Ziel ist, den Einzelnen im Blick zu haben, so dass unsere Spendengelder dahin kommen, wo sie hinkommen sollen – nämlich ganz „nach unten“. Und damit unserem Vereinszweck zu entsprechen. Unser Ziel ist es weiterhin, Schritt für Schritt Verantwortung nach Kenia zu übertragen. Es geht uns nicht um Masse, sondern um individuelle Hilfe. Denn selbst in unseren Einflussbereichen erreichen wir nur einen gewissen Prozentsatz an Menschen, die gefördert werden wollen.

Das Gespräch führten Anne-Kristin Henker und Clara Wiest.

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