Orales Pad entwickelt

„Einmal Zubeißen mit den Zähnen ist wie ein Mausklick“

Forschende haben ein intelligentes orales Pad („oPad“) entwickelt, das es Menschen mit Behinderung ermöglichen soll, digitale Geräte komfortabel mit dem Mund statt mit den Fingern zu bedienen. Und auch für die Zahnmedizin sehen sie Anwendungsmöglichkeiten für das Gerät.

Tragbare Systeme mit weichen taktilen Sensoren, die räumlich-zeitliche Berührungsmuster übertragen, können generell für die Entwicklung der biomedizinischen Robotik von Nutzen sein, berichten die Forschenden. Zwar würden solche Systeme bereits für Aufgaben wie das Tippen und die Bedienung von Geräten eingesetzt, ihre Effektivität bei der Umwandlung von Druckmustern in spezifische Steuerbefehle bleibe bisher aber weit hinter der herkömmlichen Fingersteuerung zurück.

Das soll beim neuen „oPad“ anders sein. Das Pad hat einen Berührungssensor aus einem Kohlenstoff-Nanoröhrchen und einem Silikonverbundstoff und kann verschiedene Berührungen erkennen, so dass es wie ein Touchscreen funktioniert. Kombiniert mit einem neuronalen Netzwerk soll es dazu dienen, mittels Zungenbewegung mit weniger als 50 Kilopascal (kPa) Druck und Zahnbewegungen über 500 kPa Druck auf verbundenen digitalen Geräten Anrufe entgegenzunehmen, Cursorbewegungen zu steuern, Textnachrichten zu schreiben oder einen Rollstuhl zu steuern.

Benutzerfreundliche Schnittstelle für Zunge und Zähne

„Unsere Arbeit wurde von der Notwendigkeit inspiriert, intuitive und zugänglichere Hilfstechnologien für Personen mit eingeschränkter Mobilität zu entwickeln“, sagte Xiogang Liu, leitender Autor der Arbeit, dem Onlineportal Tech Xplore. „Herkömmliche Eingabegeräte wie Touchscreens oder Sprach­erkennung stellen in bestimmten Umgebungen oder für Benutzer mit eingeschränkter Handfunktion häufig eine Herausforderung dar." Ziel sei es darum gewesen, eine flexiblere, benutzerfreundlichere Schnittstelle zu entwickeln, die mit Zunge und Zähnen bedient werden kann und eine sowohl präzise als auch ermüdungsfreie Steuerung ermöglicht.

Das oPad funktioniere dabei ähnlich wie der Touchscreen eines Smartphones, kann aber durch Zungenbewegungen und Zubeißen gesteuert werden, erklärt Liu. „Es besteht aus einem Sensorarray aus Kohlenstoffnanoröhren und Silikon, was in ein flexibles, biokompatibles Pad eingebettet ist, das in den Mund passt. Wenn die Zunge über das Pad gleitet, ahmt es die Bewegungen von Fingerbewegungen auf einem Touchscreen nach, und wenn die Zähne auf das Pad beißen, wirkt es wie ein Mausklick.“

Das Gerät ist zudem leicht, flexibel und kostengünstig herzustellen, was den Einsatz in der Praxis erleichtern könnte, berichten die Forschenden. Die Verwendung rekurrierender neuronaler Netzwerke verbessere dabei die Fähigkeit des Geräts, komplexe Muster von Zungen- und Zahnbewegungen zu erkennen und in Steuerbefehle zu übersetzen.

Mit den Zähnen zu einem sicheren Online-Banking?

„Es könnte auch in Umgebungen Anwendung finden, in denen traditionelle Eingabemethoden unpraktisch sind, wie etwa in sterilen Operationsumgebungen oder bei hohem Kontaminationsrisiko“, sagte Liu. Eine Anwendungsmöglichkeit sieht er auch in der Zahnmedizin – „zur Überwachung der Zähne“ – sowie in der Sprachtherapie, wo es zum Testen der motorischen Koordination verwendet werden könnte. Die Forschenden halten sogar eine neue Form der biometrischen Identifizierung mittels oPad für denkbar, die es Benutzern ermöglicht, mithilfe ihrer Zähne sicher auf ihre Geräte oder Konten zuzugreifen.

Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg. Aktuell hat das oPad noch deutliche Limitationen, räumen die Forschenden ein. So könne es bei längerem Gebrauch zu Beschwerden führen. Außerdem müssten die Nutzenden das Gerät häufig herausnehmen, wenn sie etwa über längere Zeiträume sprechen – und natürlich zum Essen.

In der Zukunft soll darum an der Benutzerfreundlichkeit des oPads gearbeitet werden. Aber auch die Sensoranordnung wollen die Forschenden für komplexere Zungen- und Zahnbewegungen sowie breitere Anwendungsmöglichkeiten modifizieren, damit zukünftig etwa Prothesensteuerungen oder Einsätze in der Robotik möglich sind. Außerdem planen sie umfassende klinische Studien, um die Verwendbarkeit des oPads und seine Wirksamkeit in realen Umgebungen zu bewerten, insbesondere für Menschen mit schweren Mobilitätseinschränkungen.

Literaturliste

  • Bo Hou et al.: A tactile oral pad based on carbon nanotubes for multimodal haptic interaction, Nature Electronics (2024). DOI: 10.1038/s41928-024-01234-9

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