Benigne Raumforderungen oder seltene Infektion?
Im April 2024 stellte sich ein 39-jähriger Patient mit einer ausgedehnten schmerzhaften Schwellung des Hinterkopfs in der Notfallambulanz der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Universitätsmedizin Mainz vor. Anamnestisch berichtete er von mehreren Schwellungen im Bereich des Kopfes, die schon seit mehreren Monaten bestünden, ihm aber keine Probleme bereiteten. Doch insbesondere die okzipitale Raumforderung sei nun in den letzten Wochen deutlich größer geworden und druckschmerzhaft. Die weitere Anamnese des Patienten war unauffällig.
In der klinischen Untersuchung zeigte sich eine isolierte, pralle Schwellung okzipital mit deutlicher Druckdolenz (Abbildung 1). Entzündungszeichen wie Rötung oder Überwärmung lagen nicht vor. Sonografisch präsentierte sich eine inhomogene, subkutan gelegene Raumforderung mit hyper- und hypoechogenen Anteilen.
Nach Ausschluss eines akut entzündlichen Geschehens und der Verdachtsdiagnose eines Lipoms aufgrund des langsamen Wachstums sowie der Verschieblichkeit des Befunds erfolgte daher die weitere Bildgebung mittels MRT (Abbildung 2). Hier zeigten sich fünf subkutane rundliche Läsionen mit gleichartigem Signalverhalten (T1-Wichtung: hypointens, T2-Wichtung: hyperintens) im Subkutangewebe nuchal, okzipital und parietal beidseits, die größte mit 40 mm x 35 mm x 23 mm. Eine Kontrastmittelaufnahme, eine Septierung oder eine Diffusionsrestriktion konnten nicht nachgewiesen werden.
Das radiologische Bild war vereinbar mit primär epidermalen Einschlusszysten, zeitgleich wurde aber die Abklärung einer rein bildgebend möglichen Echinokokkose empfohlen.
Aufgrund fehlender Risikofaktoren dafür erfolgte anschließend die Resektion des größten nuchalen Befunds – unter der Verdachtsdiagnose eines Atheroms – in Lokalanästhesie. Unter Exzision einer elliptischen Hautspindel (Abbildung 4D) ließ sich dabei eine zystische Raumforderung mit glatter, glänzender Oberfläche in toto (Abbildungen 3A–3C und Abbildung 4A) entfernen. Nach Lamellierung entleerte sich eine trübe, gelbliche Flüssigkeit (Abbildungen 4B und 4C) und die Innenwand präsentierte sich homogen und matt.
Histopathologisch zeigte sich die Zystenwand mit atypiefreiem Plattenepithel mit Verhornung, eosinophilem Hornmaterial und kleinherdigen dystrophen Verkalkungen, vereinbar mit einer epidermalen Inklusionszyste ohne Anhalt für Malignität. Nach reizloser Abheilung der Wunden konnten die weiteren Atherome im Verlauf ebenfalls komplikationslos entfernt werden.
Diskussion
Zu den häufigsten benignen Tumoren zählen Atherome und Lipome, doch auch seltenere Diagnosen wie die Echinokokkose müssen bei passender Anamnese in Betracht gezogen werden.
Atherome sind häufige benigne Hauttumoren, wobei man echte Atherome (infundibuläre Follikelzysten) mit Ausführungsgang von Trichilemmalzysten an der Ausführungsgangmündung der Follikel-assoziierten Talgdrüse unterscheidet. Atherome entstehen durch die Obstruktion des Haarfollikels oder der Talgdrüse, was zur Ansammlung von keratinhaltigem Material führt [Plewig et al., 2018]. Bei langsamem Wachstum sind sie typischerweise schmerzlos und können überall am Körper auftreten, bevorzugt jedoch in seborrhoischen Arealen wie Kopf, Nacken und Rücken [Zito und Scharf, 2024]. Sonografisch präsentieren sie sich typischerweise als inhomogene, echoreiche Raumforderung ohne Kontrastmittelaufnahme in erweiterten bildgebenden Verfahren (CT/MRT).
Symptomatisch werden Atherome nach Infektion und Eindringen von typischen Erregern wie Staphylococcus aureus und Staphylococcus epidermidis [Weir und St. Hilaire, 2024], was zu den typischen Entzündungszeichen wie Rötungen und Schmerzen sowie zu Pusbildung führen kann. Nach Entlastung und Drainage sowie Abklingen der akuten Entzündungsreaktion ist die operative Entfernung mit vollständiger Exzision der Zystenwand zur Rezidivprophylaxe Therapie der Wahl [Plewig et al., 2018; Weir und St. Hilaire, 2024]. Eine maligne Transformation in ein Plattenepithelkarzinom ist zwar äußerst selten, sollte aber nicht kategorisch ausgeschlossen werden [Frank et al., 2018].
Von Atheromen abzugrenzen und differenzialdiagnostisch hoch relevant sind Lipome. Dabei handelt es sich um die häufigsten Weichteiltumoren, bestehend aus subkutanem Fettgewebe und mit sehr ähnlicher klinischer Erscheinungsform [Singh et al., 2014]. Sie sind ebenfalls verschiebbar, gut abgrenzbar und prall-elastisch, jedoch sonografisch weniger gut vom umliegenden Gewebe zu unterscheiden.
Aufgrund der hypointensen Darstellung von Lipomen in der T2-Wichtung ist eine Abgrenzung zu Atheromen im MRT aber in der Regel problemlos möglich. Eine operative Entfernung ist insbesondere bei symptomatischen oder ästhetisch störenden Lipomen indiziert [Jain et al., 2020]. Die maligne Transformation von Lipomen zu Liposarkomen ist ebenfalls möglich, wenn auch sehr selten [Casani et al., 2005].
Die Echinokokkose, eine seltene parasitäre Infektion, die durch Echinococcus-Würmer – unter anderem Fuchs- und Hundebandwurm – verursacht wird, kann ebenfalls zystische Raumforderungen hervorrufen. Hauptsächlich finden sich die Zysten in der Leber und in der Lunge, in selteneren Fällen manifestieren sie sich aber auch cerebral oder subkutan [Hosaini et al., 2024]. Je nach Erreger unterscheidet man zwischen alveolärer und zystischer Echinokokkose, wobei der Mensch in beiden Fällen als Fehlwirt fungiert.
Aufgrund ihrer ähnlichen Darstellung und Erscheinung in bildgebenden Verfahren ist eine genaue Anamnese wegweisend, um Risikofaktoren wie den Kontakt zu infizierten Tieren oder Reisen in endemische Gebiete zu identifizieren. Nach serologischer Diagnosesicherung [Hajjafari et al., 2024] kommen therapeutisch im Gegensatz zu Lipomen und Atheromen bei Gefahr einer Parasitenstreuung selten chirurgische Verfahren zur Anwendung. Stattdessen erfordert die Behandlung der Echinokokkose eine langfristige spezialisierte Chemotherapie mit antiparasitären Medikamenten wie Mebendazol oder Albendazol, die über mehrere Jahre oder in wenigen Fällen sogar lebenslang erfolgt [Jensenius et al., 2024]. Im beschriebenen Fall konnte anamnestisch keiner der genannten Risikofaktoren identifiziert werden, weshalb keine weiteren diagnostischen Maßnahmen notwendig waren.
Zusammenfassend zeigt dieser Patientenfall die Bedeutung einer genauen klinischen und radiologischen Untersuchung, ergänzt durch die histopathologische Bestätigung in der Diagnosestellung bei benignen Raumforderungen. Atherome und Lipome sind die häufigsten benignen Ursachen, während die Echinokokkose als seltenere, aber wichtige Differenzialdiagnose nicht übersehen werden darf. Die Prognose nach vollständiger Exzision eines Atheroms oder Lipoms ist sehr gut und weist nur ein ausgesprochen niedriges Risiko für Rezidive oder maligne Transformationen auf.
Fazit für die Praxis
Raumforderungen im Kopf-Hals-Bereich erfordern eine sorgfältige Abklärung, sowohl um eine häufige als auch um eine seltene Ursache zu identifizieren.
Atherome und Lipome sind klinisch ähnlich, lassen sich jedoch sonografisch und im MRT differenzieren.
Beim Atherom ist die vollständige chirurgische Entfernung der Zystenwand entscheidend für die Rezidivprävention.
Bei passender Anamnese sollten auch seltene Ursachen und Differenzialdiagnosen in Betracht gezogen werden.
Zystische Raumforderungen sollten grundsätzlich als verdächtig angesehen werden, bis die genaue Diagnose durch entsprechende Abklärungen erfolgt ist. Bildgebende Verfahren und Anamnesedaten sind essenziell, um zwischen benignen und malignen Prozessen zu unterscheiden.
Benigne Tumoren wie Atherome und Lipome zeichnen sich in der Regel durch langsames Wachstum, Schmerzfreiheit und Verschiebbarkeit aus. Malignitätskriterien sind dagegen schnelles Wachstum, Unverschieblichkeit, Schmerzhaftigkeit sowie unscharfe Abgrenzungen zum umliegenden Gewebe. Seltene Ursachen wie parasitäre Infektionen sollten insbesondere bei entsprechender Anamnese und bei Risikofaktoren in Betracht gezogen werden.
Literaturliste
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Hajjafari, Ashkan, Soheil Sadr, Cinzia Santucciu, Giovanna Masala, Mansour Bayat, Narges Lotfalizadeh, Hassan Borji, Soroush Partovi Moghaddam, and Khashayar Hajjafari. 2024. 'Advances in Detecting Cystic Echinococcosis in Intermediate Hosts and New Diagnostic Tools: A Literature Review', Veterinary Sciences, 11: 227.
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Zito, P. M., and R. Scharf. 2024. 'Epidermoid Cyst.' in, StatPearls (StatPearls Publishing Copyright © 2024, StatPearls Publishing LLC.: Treasure Island (FL)).