Protestveranstaltung in NRW und Hessen

Tausende Zahnärzte zeigen der Bürokratie die Zähne

Nach vorangegangenen Protesten ging die Zahnärzteschaft auch in Hessen und Nordrhein-Westfalen auf die Straße, um vor einer Gefährdung der Versorgung durch eine verfehlte Gesundheitspolitik zu warnen.

Im Gesundheitswesen wächst der Unmut und macht sich lautstark Luft: Nach vorangegangenen Protesten von Ärztinnen und Ärzten, Apothekerinnen und Apothekern in Hessen und Aktionen der Zahnärzteschaft in anderen Bundesländern, gingen am Tag der Zahngesundheit in Hessen und Nordrhein-Westfalen auch Zahnärztinnen und Zahnärzte auf die Straße. Ziel der Kundgebung sei es gewesen, Missstände öffentlich anzuprangern, teilten die Landeszahnärztekammer Hessen (LZKH), die Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZV) Hessen und der Freie Verband Deutscher Zahnärzte (FVDZ LV Hessen), die gemeinsam zur Teilnahme an zentralen Kundgebungen in Frankfurt und Kassel aufgerufen hatten, mit.

51 Tage gehen pro Jahr für Bürokratie drauf

Unter dem Motto „Zähne zeigen gegen Bürokratie“ gingen am 25. September auch in Nordrhein Zahnärztinnen und Zahnärzte auf die Straße. In Düsseldorf, Essen, Köln und 13 weiteren Städten warnten sie an Informationsständen vor den Folgen überflüssiger Bürokratie und einer unausgereiften Digitalisierung. Aktuell gebe es 962 Verordnungen und Regeln, die den Arbeitsalltag von Zahnmedizinern betreffen, informiert die Kammer Nordrhein. „Die damit verbundenen Dokumentationspflichten und Verwaltungsaufgaben fressen pro Woche 24 Arbeitsstunden, hochgerechnet auf ein Jahr sind es 51 Tage. Insgesamt gehen 25 Prozent der Behandlungszeiten für Dokumentationen und Co. dadurch verloren“, heißt weiter. Zeit, die für die Behandlung der Patientinnen und Patienten fehlt.

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Manchmal frage er sich, „ob der Patient noch im Fokus der Berliner Gesundheitspolitik steht oder ob der Dokumentationsvorgang inzwischen seinen Platz eingenommen hat“, erklärte Dr. Ralf Hausweiler, Präsident der Zahnärztekammer Nordrhein, der zur Information von Patientinnen und Patienten ebenfalls auf die Straße ging.

„Auch Praxismitarbeiterinnen und -mitarbeiter, Zahntechnikerinnen und -techniker, Patientinnen und Patienten waren den Aufrufen gefolgt, denn eine Gefährdung der Versorgung betrifft alle. Bereits jetzt sind viele Zahnärztinnen und Zahnärzte aufgrund der politischen Rahmenbedingungen ihrer Berufsausübung frustriert“, so die Veranstalter. Praxen fänden keine Nachfolger, müssten früher als geplant schließen „und junge Kolleginnen und Kollegen fragen sich, ob es noch Sinn macht, das Wagnis einer Niederlassung in eigener Praxis anzugehen.“

In Hessen nahmen insgesamt rund 2.500 Menschen an den Protestveranstaltungen in Frankfurt und Kassel, jeweils auf dem Opernplatz, teil. Unterstützt wurden die hessischen Proteste durch Vertreter der Politik wie den Landtagsabgeordneten Maximilian Bathon (CDU) in Kassel sowie die Gesundheitspolitischen Sprecher Dr. Ralf-Norbert Bartelt (CDU) und Yanki Pürsün (FDP) bei der Kundgebung in Frankfurt.

Unterstützung erhielten Benz und Hendges von Dr. Christian Öttl, dem Bundesvorsitzenden des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte (FVDZ), der Kammerpräsidentin Ursula Funke vonseiten der Apotheken sowie von Vertreterinnen und Vertretern des Verbandes medizinischer Fachberufe (vmf) und den Zahntechnikerinnungen, die für die Praxisteams und Labore vor Ort waren.

„Wir führen täglich in unseren Praxen ambulante chirurgische Eingriffe durch, anästhesieren und implantieren. Wenn es aber darum geht, Leitungswasser zur jährlichen Überprüfung der Trinkwasserqualität in ein Fläschchen abzufüllen, kommen unsere Fertigkeiten offenbar an ihre Grenzen, denn hierfür haben wir in Hessen einen akkreditierten Wasserprobennehmer einzubestellen“, gab Seiz ein Beispiel. Diese Bürokratie fresse „inzwischen knapp ein Viertel unserer Zeit, die wir eigentlich für die Behandlung unserer Patientinnen und Patienten brauchen“.

Patientinnen und Patienten wollten auch weiterhin gut, wohnortnah und zuverlässig zahnmedizinisch versorgt werden, so Allroggen. Neben dem Abbau unnötiger Bürokratie gehöre dazu jedoch auch die Gewissheit, dass neue Therapiekonzepte wie die seit Mitte 2021 geltende Behandlungsstrecke bei Parodontitis auch bei den Versicherten ankommen können. „Das funktioniert aber nicht ohne eine verlässliche, angemessene Vergütung. In den vergangenen zehn Jahren ist die Anzahl der vertragszahnärztlichen Praxen in Hessen um fast zehn Prozent gesunken – ein deutliches Warnsignal!" Politische Entscheider auf Bundes- und Landesebene sollten dieses Warnsignal sehen und jetzt umsteuern. Allroggen: „Andernfalls ist die zahnmedizinische Versorgung in den kommenden Jahren definitiv gefährdet!“

„Wir stehen hier und heute nicht nur als zahnärztliche Kolleginnen und Kollegen auf den Plätzen, um zu zeigen, dass es so nicht mehr weitergehen kann“, so Koch. „Mit uns protestieren unsere Praxisteams mit ihren Berufsvertretungen und zeigen sich ebenso solidarisch wie auch die Zahntechnikerinnen und Zahntechniker, die uns tagtäglich zuarbeiten. Diese Einigkeit brauchen wir, denn letztlich sind alle im Gesundheitswesen von der Gesundheitspolitik der Bundesregierung betroffen – einem Gesundheitswesen, das zu den besten der Welt zählt, aber seit einigen Jahren mit Vollgas an die Wand gefahren wird. Leidtragende sind dabei nicht nur wir, sondern vor allem unsere Patientinnen und Patienten.“

Weiterführende Informationen zu den Protesten in Hessen bietet die eigens geschaffene Informationswebsite sowie ein Podcast auf Spotify.

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