„Wir wollen auch in Zukunft verlässlich Zahngold sammeln“
Das Schicksal der krebskranken Kinder in der unmittelbaren Nachbarschaft seiner Zahnarztpraxis hat Cube, heute 74 Jahre alt, sofort sehr berührt. Anfang der Neunzigerjahre befand sich der damalige Standort des Olgahospitals, dem größten Kinderkrankenhaus in Deutschland, direkt nebenan. Die kleinen Patienten auf der Krebsstation mussten für die Therapie oft viele Wochen stationär bleiben. „Wir haben dann angeboten, diese schwerkranken Kinder zahnmedizinisch zu behandeln“, berichtet der Zahnarzt von den Anfängen des Projekts. „Die Begegnungen mit den tapferen kleinen Patienten haben uns tief bewegt. Wir wollten unbedingt helfen und den Aufenthalt irgendwie ein bisschen leichter machen“, erklärt er die Ambitionen. Ein Kollege von ihm hatte damals seine kleine Tochter an Krebs verloren und gründete daraufhin den Förderkreis krebskranke Kinder e.V. Stuttgart. „Das Thema war ganz nah an uns dran“, erklärt Cube.
Direkt an den Förderkreis – ohne Ausgabenverluste
In den folgenden Jahren sprach Cube seine niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen in der Stadt und im Umkreis an und bat um Spenden von Zahnaltgold von deren Patienten. Vor allem aber verhalfen die Berichterstattung in der Lokal- und Standespresse (wie dem Zahnärzteblatt) dem Vorhaben zu Aufmerksamkeit. Um den Aufwand für die hilfsbereiten Praxen möglichst gering zu halten, sammelte Cube die Spenden selbst ein und stellte etwa die Kopiervorlage der Spendenquittungen und Praxisaushänge zur Verfügung.
„Uns war es von Anfang an und ist es bis heute wichtig, dass wir vollständig transparent sind mit unserem Projekt, dem Sammeln von Zahngold. Da wir keine Ausgaben für umfangreiche Administration haben und ich selbst alles in die Hand genommen habe, bleibt der Erlös der Spenden komplett erhalten. Es geht also kein Geld verloren, sondern als Direkttransfer an den Förderkreis. Deshalb brauchen wir keine Aufsichtsstelle“, erklärt er.
Einmal in all den Jahren gab es einen Skandal. Da hatte sich der damalige Vorsitzende des Förderkreises, der inzwischen verstorben ist, gut zwei Millionen heimlich auf das eigene Konto geschafft. „Zum Glück hat uns das aber nicht nachhaltig geschadet. Wichtig war darum der Direkttransfer des Geldes von der Scheideanstalt an den Förderkreis“, sagt Cube.
„Unsere Scheideanstalt war zunächst Degussa, dann die BEGO Bremer Goldschlägerei. Die verlangen für das Scheiden nichts von uns und somit können die Erlöse aus den Altgoldspenden direkt an den Förderkreis gehen, was uns sehr freut“, erklärt er. Der Spendenempfänger, der Förderkreis krebskranke Kinder e.V. Stuttgart, erhielt über die mehr als drei Jahrzehnte rund 6,2 Millionen Euro. Gramm für Gramm Altgold summierten sich. Als das Projekt etabliert war und immer mehr Unterstützer fand, erhielt der Förderkreis etwa 200.000 Euro pro Jahr.
Gramm für Gramm summierten sich über die Jahre 6,2 Millionen Euro
Damit konnte zum Beispiel das „Blaue Haus“ neben dem neuen Standort der Kinderklinik vom Förderkreis erworben und umgebaut werden. Darin gibt es 16 Apartments für die Angehörigen der krebskranken Kinder während deren stationärer Behandlung. „Bei der medizinischen Rundumversorgung blieb leider anfangs die psychologische Unterstützung auf der Strecke. Daher war es unser Anliegen, diese Dinge möglich zu machen“, sagt Cube, der 2014 für seinen Einsatz mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet wurde.
Den Erfolg des Spendenprojekts macht auch die Taktik der Goldeinreichung aus: Cube prüfte regelmäßig die Goldpreise und gab das Zahnaltgold zu einem möglichst hohen Goldpreis an die Scheideanstalt ab. Und diese zahlte dann den Goldpreis, der am Tag der Altgoldabgabe galt – und nicht, wie üblich, den Goldpreis am Tag des Scheidens, der von der Scheideanstalt festgelegt wird.
Doch über die Jahrzehnte konnten die Praxen immer weniger Zahngold sammeln und spenden. „Die Entwicklung geht ganz klar weg vom Edelmetall und hin zu Vollkeramik. Immer weniger Patienten haben Gold im Mund. So nimmt die Menge des gespendeten Zahnaltgoldes signifikant ab. Was uns aber rettet, ist der parallel steigende Goldpreis. Damit können wir tatsächlich das meiste ausgleichen bei der Spendenhöhe“, so Cube.
Jetzt wollen die „neuen Jungen“ an den Erfolg anknüpfen
Das Projekt sei aber auch von seiner Generation getragen worden und viele Kollegen sind oder gehen demnächst in Rente. Cube merke, dass weniger junge Zahnärzte für das Thema erreicht würden oder sich angesprochen fühlten. Nun übergibt er sein Herzensprojekt an Dr. Christina und Dr. Jens Kleinknecht. Das Zahnärzte-Ehepaar, ebenfalls aus Stuttgart, weiß: „Zwar wäre es für Zahnärzte oft leichter, das Zahngold direkt an den Patienten auszuhändigen. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass die meisten sehr gerne spenden, wenn man ihnen das Projekt näher bringt und erzählt, was in den letzten Jahrzehnten durch die Zahngoldspenden erreicht wurde.“
Häufig berichteten Patienten sogar, dass sie von früheren Behandlungen noch Zahngold zu Hause hätten und das zusätzlich für die Initiative spenden möchten. „Wir hoffen sehr, dass das bestehende Spendernetzwerk erhalten bleibt und uns das gleiche Vertrauen entgegengebracht wird wie Dr. Cube. Gleichzeitig möchten wir versuchen den Kreis der Spender zu erweitern, da wir noch einige wertvolle Kontakte aus unserer Zeit an der Universität, vom Zahnärztestammtisch und aus dem Freundeskreis haben“, sagt Jens Kleinknecht.
Die beiden wollen auch überregional Zahnarztpraxen dazu ermutigen, an den Förderkreis für krebskranke Kinder zu spenden. Die Initiative sei keinesfalls regional begrenzt. Schließlich würden in der Klinik kleine Patienten aus dem ganzen Land behandelt. „Unser Wunsch ist es, dass die Zahnärzteschaft gemeinsam mit ihren großzügigen Patienten die Zahngold-Sammelaktion auch in Zukunft als verlässlichen Partner für den Förderkreis für krebskranke Kinder weiterführt.“