Interview mit Dr. Angelika Brandl-Riedel, Zahnärztin und Schriftführerin im DÄB

„Als Verband ist man eine Marktmacht und wird gehört!“

Die Zahnärztin Dr. Angelika Brandl-Riedel ist Schriftführerin im Deutschen Ärztinnenbund. Sie sagt: Zahnärztinnen sollten verstehen, dass die Niederlassung für sie eine Riesenchance bedeutet.

Frau Dr. Brandl-Riedel, die Verbindung von Zahnmedizin und Medizin war immer schon eng. Wieso eigentlich?

Dr. Angelika Brandl-Riedel: Der Begriff „Approbation“ wurde 1869 in der Gewerbeordnung für den Norddeutschen Bund erstmals als Vorbedingung für die ärztliche Niederlassung in den deutschen Bundesstaaten eingeführt, und zwar für die ärztliche wie für die zahnärztliche Approbation. Bekanntlich waren damals nur Männer angesprochen. Eine Besonderheit beim zahnärztlichen Beruf war seinerzeit die Dualität des Berufsstands: Es gab akademisch ausgebildete Zahnärzte und nichtakademische Dentisten. Erst im Zahnheilkundegesetz von 1952 wurde die Dualität aufgehoben. Wie viele Dentistinnen es gab, ist nicht bekannt. Aber die Gemeinsamkeiten von Medizin und Zahnmedizin wurden schon im 19. Jahrhundert vom Verordnungsgeber „mitgedacht“.

Wie konnten sich Zahnärztinnen vor hundert Jahren im Vorläufer des Deutschen Ärztinnenbundes mit ihren Belangen wiederfinden – und wie sieht das heute aus?

Ganz zu Anfang ging es vor allem um die Grundrechte von Frauen im medizinischen Beruf. Sie wollten sich dort etablieren und arbeiten – und hatten mit politischen und gesellschaftlichen Widerständen zu kämpfen. Das betraf Ärztinnen und Zahnärztinnen gleichermaßen. Und sie arbeiteten bis zur Selbstausbeutung und hatten oft keine Familien, weil das bei dem Arbeitsaufwand nicht möglich war.

Was den DÄB heute betrifft: Für mich sind Zahnärztinnen genauso Ärztinnen, wir üben nur eine andere – zahnbezogene – Fachrichtung aus. Als ich vor zwei Legislaturperioden im DÄB angefangen habe, gab es bereits etliche ältere Zahnärztinnen, die sich – bundesweit und eingebettet in den Verband – politisch engagiert und für die Belange der Frauen in der Zahnmedizin eingesetzt haben. Das galt für die Standespolitik wie auch für die Gremienarbeit in Kammern und KZVen. Als Verband ist man eine Marktmacht, man wird auch gehört.

Der Berufsstand wird zunehmend weiblicher. Welche Chancen haben Zahnärztinnen, sich im Beruf und in Führungspositionen zu etablieren?

Ich als Zahnärztin bin schon lange in der Standespolitik aktiv, auf Bezirksebene, im Kammer- und KZV-Bereich, als Obfrau, im Gutachterwesen und in der Wirtschaftlichkeitsprüfung. Seit zwölf Jahren bin ich Vorsitzende des Deutschen Zahnärzteverbands (DZV). Das war damals ein Novum, inzwischen nicht mehr. Das ist auch ein Ergebnis der Quote. Früher war ich der Überzeugung, dass keine Quote nötig ist, meine Qualifikation reicht aus, inzwischen sehe ich das anders.

Früher sind wir von der Universität in die Assistenzzeit und von dort in die Niederlassung gegangen. Da brauchte man keine Quote. Ärztinnen hingegen machen ihre Facharztausbildung in der Klinik. In dieser Zeit ist oft die Familienplanung ein Thema. Automatisch scheiden die jungen Ärztinnen dann erst einmal – mehr oder weniger – aus dem Berufsleben aus. Währenddessen verfolgt der junge Mann in gleicher Situation seine beruflichen Ziele weiter. Er ist früher mit seiner Facharztzeit fertig – und bekommt dann die freie Oberarztstelle. Daraus habe ich gelernt, wie wichtig eine Quote sein kann, um Frauen eine Chance zu geben, ihre Karrieren weiterzuführen. Immer noch sind die Zahlen geschlechtsbezogen nicht ausgeglichen und in der Standespolitik etwa müssen Dinge immer noch erkämpft werden. Durch die Quote wird es einfacher.

Doch die Niederlassung von Zahnärztinnen in eigener Praxis spiegelt diese Entwicklung noch nicht wider. Woran liegt das?

Ich erinnere mich: Vor zehn, zwanzig Jahren wurde in der Standespolitik noch von einer „drohenden Feminisierung des Berufstands“ gesprochen. Das ist heute vorbei. Inzwischen wird eher kolportiert, dass sich Frauen weniger gern in eigener Praxis niederlassen wollen. Viele junge Frauen befürchten, dass sie eine Niederlassung nicht in die Familienplanung integrieren können. Hier kommt der Vorteil eines Verbands wie dem DÄB mit ins Spiel. Mittels Best-Practice-Beispielen können Frauen sehen, wie andere ihre eigene Praxis aufgebaut haben. Wir zeigen im Verband Vorbilder, bieten Netzwerke und Mentorinnenprogramme an. In der Zahnmedizin hat sich das Umfeld stark gewandelt: Zur Zeit meiner Niederlassung gab es nur wenige Informationen für Niederlassungswillige, heute gibt es viele seriöse Partner, die sie unterstützen, etwa im betriebswirtschaftlichen Bereich oder bei der Beurteilung von Praxen.

Kann man denn heute Beruf und Privatleben in zahnärztlichen Führungspositionen vereinbaren?

Ich favorisiere die Idee der Doppelspitze, denn: Warum soll nur einer oder eine die Führungsposition innehaben? Sei es in der Universität, in der Klinik oder in der Praxis: Führungspositionen können geteilt werden, auch zwischen Frauen und Männern. Es geht hier um Lebensqualität, was heute auch jungen Männern wichtig ist. Mit großen Praxisstrukturen gibt es da neue Möglichkeiten. Ich führe viele Gespräche dahingehend, dass es Möglichkeiten gibt, mit zwei bis drei Kolleginnen zusammen eine Praxis zu gründen – das ließe sich mit der Lebensplanung gut verbinden. Die Zahnärztinnen und Ärztinnen sollten verstehen, dass die Niederlassung für sie eine Riesenchance bedeutet.

Was sollten Zahnärztinnen beachten, wenn sie ihre eigene Praxis gründen?

Entscheidend ist die Frage: Wo will ich hin? Ich empfehle jungen Zahnärztinnen die Niederlassung im ländlichen Bereich. Das hat vor allem den Vorteil, genug Patienten zu haben, dadurch ist die Budgetierung nicht so problematisch. Doch der Fachkräftemangel ist das allergrößte Problem. Durch die Digitalisierung brauchen wir heute noch mehr qualifizierte oder zumindest weitergebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mit Technik und digitalen Geräten umgehen können. Und wir brauchen Migrantinnen und Migranten in unserer Gesellschaft. Weder die Pflege in den Kliniken noch die Arzt- und Zahnarztpraxen werden es ohne externe Fachkräfte schaffen.

Wie sind die Zahnärztinnen im DÄB in die Politik und Standespolitik eingebunden?

Wo immer ich Kontakt zu jungen Ärztinnen und Zahnärztinnen habe, berichte ich vom Deutschen Ärztinnenbund. Auch in die Sitzungen der zahnärztlichen Gremien bringe ich unsere Belange mit ein. Es ist immer wieder wichtig, auf die Verbindung beider Bereiche hinzuweisen. Sehr früh treten wir im Verband mit unserem Mentoring-Programm auch an Studentinnen heran. Dadurch wächst der Ärztinnenbund im Moment sehr – während die meisten Verbände derzeit um Mitglieder kämpfen. Junge Mitglieder sind bei uns sehr früh schon in die Gremien- und Vorstandsarbeit des Verbands eingebunden.

Welche Vorteile haben Zahnärztinnen und Ärztinnen, die sich im DÄB engagieren?

Wir erlangen dadurch mehr Sichtbarkeit gegenüber der Politik, und auch bei den Patienten, als in kleineren Verbänden, da der DÄB bundesweit aufgestellt ist. Unsere Mitgliedsstärke nimmt zu. Je mehr Ärztinnen und Zahnärztinnen verbunden sind, desto mehr können wir erreichen.

Das Gespräch führte Gabriele Prchala.

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