Der zerknirschte Patient
Nicht alles was sich als zahnmedizinisches Bruxismusproblem in den Praxen zeigt, ist kausal im Sinne der Ursachenbeseitigung behandelbar. Darauf wies die wissenschaftliche Leiterin des Fortbildungstages, Prof. Dr. Ingrid Peroz von der Charité, hin. Und so bot das Thema auch viele Anknüpfungspunkte zur aktuellen gesundheitspolitischen Situation.
„Nicht nur die Patienten knirschen mit den Zähnen. Auch wir Zahnärztinnen und Zahnärzte geraten durch die aktuellen gesundheitspolitischen Entwicklungen zunehmend in Bedrängnis“, stellte der sächsische Kammerpräsident Dr. Thomas Breyer in seinem Grußwort fest. Die Budgetierung bringe Unsicherheit in die finanziellen Planungen der Praxen. Die wachsende Bürokratielast und der Nachwuchsmangel erschwerten es, die Qualität der Arbeit aufrechtzuerhalten. Und die unausgereifte TI sei eine weitere ärgerliche Dauerbaustelle. „Für unsere Patienten können wir viel tun. Mit der Politik ist es nicht ganz so einfach.“
Nicht jammern – anpacken!
Doch bei all den Schwierigkeiten dürfe man nicht im Wehklagen über die Verhältnisse verharren, sondern müsse die Probleme selbst anpacken, sagte Breyer. Er beschwor den Geist der Freiberuflichkeit, der eben in solchen Situationen nicht auf politische Vorgaben und Reglementierungen setze, sondern sich auf die eigenen gestalterischen Kräfte verlasse, um gute Lösungen für die Patienten und die eigene Praxis zu finden. Die eigene Praxis biete ein erfüllendes Arbeitsfeld und hohe Berufszufriedenheitswerte – das sei wissenschaftlich gesichert und müsse heute wieder mehr betont werden, ein Schlechtreden der Niederlassung sei schlichtweg falsch und schrecke darüber hinaus die jungen Menschen nur davon ab, ihre Perspektive in der Selbstständigkeit zu suchen. Besonders erfreut war Breyer über 365 neue Ausbildungsverträge für Zahnmedizinische Fachangestellte, ein Plus von 15 Prozent zum Vorjahr und der höchste Wert seit 20 Jahren.
Einen unterhaltsamen, aber kritischen Blick auf die Gefahren der digitalen Welt bot der Festvortrag des Münchner IT-Sicherheitsexperten und Autors Cem Karakaya. Die kriminelle Energie von Betrügern, Erpressern und politischen Interessengruppen nehme zu und sei für den Durchschnittsbürger immer schwieriger zu durchschauen, sagte Karakaya. Er rief besonders dazu auf, Kinder und Jugendliche zu sensibilisieren und zu schulen.
Zum wissenschaftlichen Programm: Dr. Hartwig Messinger aus Dinslaken setzte sich in seinem Vortrag „Was ist physiologisch, was ist pathologisch?“ mit der Abgrenzung der einzelnen nichtkariösen Zahnhartsubstanzdefekte auseinander – nicht jede Abrasion sei pathologisch, in der Biologie des menschlichen Organismus seien Anpassungen an den natürlichen Verschleiß durchaus inkludiert. Prof. Dr. Torsten Mundt aus Greifswald erläuterte in seinem Vortrag „Bruxismus mit okklusalen Parafunktionen ist ein Hochrisikofaktor für jegliche restaurative Tätigkeit“ die unterschiedlichen Therapieansätze, abhängig vom klinischen Befund.
Dr. Matthias Lange aus Berlin stellte das Dahl-Konzept vor, nach dem fortgeschrittene, lokale Substanzschäden im Bereich der Palatinalflächen der Oberkieferinzisiven behandelt werden können. Dabei handelt es sich um ein Verfahren, das eine lokale Erhöhung der vertikalen Dimension in diesen Bereichen ermöglicht. Mithilfe von direkt aufgebrachten palatinalen Plateaus wird der Biss vorübergehend gesperrt. Die in der Folge auftretenden Zahnstellungsveränderungen („gesteuerte Extrusion und Intrusion“) führten dazu, dass sich oft bereits nach wenigen Wochen im Seitenzahnbereich wieder gleichmäßige okklusale Kontakte finden lassen. Der gewonnene Platz im Palatinalbereich der Inzisiven stehe dann für definitive direkte oder indirekte Restaurationen zur Verfügung. Anhand verschiedener klinischer Fälle demonstrierte Lange das praktische Vorgehen.