Warum ich in Nepal eine Zahnklinik aufbaute
Seit 2012 bin ich im Ruhestand und war für den Hilfsverein German Rotary Volonteer Doctors (GRVD) zuerst als ehrenamtlicher Zahnarzt zwei Jahre in Ghana. Nun bin ich seit elf Jahren in Nepal tätig und zweimal im Jahr für jeweils sechs Wochen vor Ort. Anfangs betreute ich eine Praxis in der Kleinstadt Manthali, rund 130 Kilometer östlich der Hauptstadt Kathmandu. Weil es in Nepal außerhalb größerer Städte so gut wie keine Zahnarztpraxen gibt, habe ich schließlich 34 Kilometer weiter östlich in den Bergen, im Dorf Sanghutar, einen Bungalow gebaut und mit Spenden aus Deutschland als Zahnarztpraxis eingerichtet.
Der Praxisbungalow befindet sich auf dem Gelände der Schule mit etwa 600 Schülerinnen und Schülern und macht somit den direkten Zugang zu denen möglich, die noch nie einen Zahnarzt gesehen haben. Für die Unterbringung des zahnärztlichen Personals habe ich noch ein Gästehaus gebaut, denn im Dorf gab es keine annähernd akzeptable Wohnmöglichkeit.
Im Februar 2020 eröffnete die Praxis, unmittelbar vor der Corona-Pandemie. Zu Beginn gab es nur eine nepalesische Dentalhygienikerin. Dann kam der erste Lockdown, der fast sechs Monate dauerte. Wir mussten schließen. Die Praxis öffnete erst im September wieder. Flüge aus Deutschland waren nach Impfbeginn erst im März 2021 wieder möglich. Eine Zahnärztin wurde 2022 eingestellt, aber die Praxis litt, wie alle ländlichen Zahnarztpraxen in Nepal, unter Patientenmangel – obwohl ein riesiger Behandlungsbedarf besteht. Der Grund hierfür ist die bittere Armut der Bauernfamilien, sie leben von der Hand in den Mund und Geld für eine Zahnbehandlung gab es noch nie in ihrem Familienbudget.
Über die Schulkinder erreichen wir auch die Eltern
Seit 2023 betreut die Praxis in Sanghutar zwei weitere Schulen durch Zahnärzte und Zahnärztinnen, die über den Verein aus Deutschland kommen. Unser Ziel ist die Erziehung der insgesamt über 1.100 Schüler aller drei Schulen hin zur selbstständigen Mundhygiene und zur Zahnerhaltung. Prophylaxe und Fissurenversiegelungen sind dabei kostenlos, Füllungen sehr preiswert.
Über die Schülerinnen und Schüler erreichen wir auch manche Eltern. Kommen sie mit Schmerzen in die Praxis und wünschen eine Extraktion, was in Nepal die Standardbehandlung ist, können wir sie meistens von einer Wurzelbehandlung überzeugen. Das vermeidet eine unangenehme und blutige Therapie, gelingt in der Regel und ist für uns auch wirtschaftlich besser. Im Augenblick decken die Einnahmen aber nur die Gehälter. Die GRVD unterstützen das Projekt und die Einsätze durch das Management, dazu kommen finanzielle Spenden und freiwillig helfende Zahnärztinnen und Zahnärzte aus Deutschland.
Wir wollen zeigen, dass Praxen rentabel sein können
Da es für unsere Patienten meistens ihr erster Zahnarztbesuch ist, wissen sie nicht, wie man auf einem Behandlungsstuhl Platz nimmt. Gelegentlich legten sich einige von ihnen auf das Fußende der Behandlungseinheit, des Öfteren wollten sich Patienten schon die Hände in der Speischüssel waschen. Es gibt ein Phänomen in Nepal, das mir dort niemand erklären kann: Anders als bei uns in Deutschland gibt es dort keinen Abszess ausgehend von einem infizierten Zahn, also keine „dicke Backe“. Nervtote Zähne verbleiben im Kiefer und lösen sich über Jahre hinweg auf. Falls sie trotzdem schmerzen, werden sie extrahiert.
Unser langfristiges Ziel ist es, aufzuzeigen, wie eine moderne und hygienische Zahnarztpraxis im ländlichen Nepal wirtschaftlich betrieben werden kann – als Modellbeispiel für andere nepalesische Zahnärzte. Denn während in den Städten 20 Prozent der Bevölkerung leben, sind die restlichen 80 Prozent auf dem Land von fast jeglicher Zahnbehandlung ausgeschlossen. Die Niederlassung eines Zahnarztes auf dem Land wäre allerdings zurzeit ein finanzieller Selbstmord, da die Patienten ausbleiben. Es wird wohl Jahre dauern bis sich das mit den nächsten Generationen ändert. Mit Schülern, die wir betreuen, machen wir aber nun den Anfang.
Ein sozialer Einsatz in Nepal kann sehr lehrreich sein
Wir sind dankbar über jede Materialspende aus Deutschland. Für das kommende Jahr brauchen wir auch noch Volontäre. Interessenten können sich jederzeit bei den GRVD melden. Die Flugpreise nach Nepal sind zwar gestiegen, aber dafür sind die Lebenskosten für einen Europäer extrem niedrig. Ich bin der Ansicht, dass ein sozialer Einsatz im armen, friedlichen und freundlichen Nepal für jungen Menschen aus Deutschland sehr lehrreich sein. Der Kontrast zu unseren Lebensbedingungen, der umfassenden und modernen medizinischen Versorgung und unserem aufgeblähten materiellen Wohlstand regt uns wohlhabende Europäer unweigerlich zum Nachdenken an.
Aus den angelsächsischen Ländern trifft man häufig Medizinstudierende, die eine Famulatur machen. Ich würde gerne mehr Deutsche sehen! Und wenn man sich nach dem Einsatz einmal ablenken will, geht es zum Trecking und River Rafting oder zum Sightseeing, etwa zu den drei Königsstädten, um die Kulturbauten zu bewundern, aber den Mount Everest muss man nicht unbedingt besteigen.
Die German Rotary Volunteer Doctors (GRVD e.V.)
... sind eine humanitäre Hilfsorganisation, die von allen Rotary-Distrikten in Deutschland getragen wird. Der Verein kümmert sich um die Einsatzplanung und Organisation sowie um die Übernahme der Reisekosten und der Versicherung der Einsätze von den ehrenamtlich tätigen Ärzten und medizinischen Hilfskräften. Die Ziele vor Ort sind die Akutversorgung der Kranken, Hilfe zur Selbsthilfe für Partnerkliniken und die Stärkung der medizinischen Versorgung in den Einsatzländern.
Die Mittel kommen durch Spenden, Mitgliedsbeiträge und Benefizveranstaltungen zusammen. Freiwillige Helfer, gerne auch Studierende, die sich für eine Auslandsfamulatur interessieren, Geld sowie Sachspenden werden stets gebraucht.
Spendenkonto:
Hypovereinsbank Kaufbeuren
IBAN: DE83734200710002104008
BIC: HYVEDEMMXXX
Der abklingende Monsun Ende September brachte unerwartet starke Regenfälle mit Hochwasser und überdurchschnittlich viele Erdrutsche. In Kathmandu und an Flussufern sind zahlreiche Häuser zerstört worden. Für die Menschen sind die verschütteten Straßen und zerstörten Brücken verheerend – bei den wenigen Baumaschinen in Nepal wird die Wiederherstellung Monate dauern. Das Dorf Sanghutar war für einige Tage nicht zu erreichen, auch später nur umständlich mit dem Allrad-Auto über gefährliche Bergstraßen. Laut behördlichen Angaben fiel in dieser Saison so viel Regen wie seit Jahrzehnten nicht.