Das kommt dabei heraus, wenn Private Equity Implantate setzt
Die American Association of Endodontists (AAE) erklärte, sie sei „alarmiert über die jüngsten Berichte von Zahnärzten, die unnötigerweise gesunde, behandelbare Zähne ziehen, um Zahnimplantate einzusetzen. Diese Praxis ist ein schwerwiegender Verstoß gegen ethische Standards und ein Vertrauensbruch für Patienten.“ Auch die American Academy of Periodontology (AAP) äußerte sich besorgt. Die in den Berichten dargestellten Praktiken, vor allem die Vermutung, dass die zugrundeliegenden Entscheidungen „finanziell motiviert sein könnten, stellen ein ernstes Problem für die Patientenversorgung dar“.
Aus einer monatelangen, Anfang November veröffentlichten Recherche von KFF Health News und CBS News geht hervor, dass in den USA das Geschäft mit Implantaten auch deshalb boomt, weil Zahnärzte – vor allem in großen Ketten in den Händen von Private Equity-Gesellschaften – vermehrt erhaltungswürdige Zähne extrahieren, um Implantate setzen zu können. Die Journalisten interviewten dazu unter anderem zehn Experten, die unisono von einer Vielzahl von Fällen mit Überversorgung berichten.
Gleichzeitig hieß es in verschiedenen Klagen, Patienten seien in Implantatkliniken überredet, unter Druck gesetzt oder gezwungen worden, sich unnötig Zähne ziehen zu lassen. Der Bericht zitiert unter anderem Prof. William Giannobile, Dekan der Harvard School of Dental Medicine in Boston, Massachusetts. „Es gibt viele Fälle, in denen Zähne, die völlig in Ordnung sind, unnötigerweise entfernt werden“, sagte Giannobile. “Viele Zahnärzte machen das, weil diese Verfahren für sie finanziell viel vorteilhafter sind."
„Beeinflusst der Umsatzdruck die Therapieentscheidung?“ – „Kein Kommentar!“
Besonders pikant: Viele Zahnkliniken, die Implantate anbieten, gehören heute zu Ketten im Besitz von Private-Equity-Firmen. Diese haben den Berichten zufolge einen Großteil der Implantologie aufgekauft, hüllen sich zu den Vorwürfen aber in Schweigen. Beide Sender baten alle große US-Dentalketten um Interviews, doch ClearChoice, Aspen Dental, Affordable Care und Dental Care Alliance lehnten ab oder reagierten auch auf wiederholte Anfragen nicht. Auch der Branchenverband Association of Dental Support Organizations lehnte eine Stellungnahme ab.
Dabei sei der Konzentrationsprozess in Richtung Private-Equity in der Zahnmedizin in den vergangenen Jahren unübersehbar, berichten beide Medien. Rund fünf Milliarden Dollar seien geflossen, um in den USA große Dentalketten aufzukaufen, die in Hunderten von Kliniken im Besitz einzelner Zahnärzte und Zahnspezialisten Implantate anbieten. Dieses Darstellung bestätigt auch eine im August veröffentlichte Studie der American Dental Association, wonach sich der Anteil der „mit Private Equity verbundenen Zahnärzte und Zahnarztpraxen“ in den USA zwischen 2015 und 2021 fast verdoppelt habe.
Dentalketten verkaufen die Implantate gleich mit passendem Kredit
Doch nicht jeder ist besorgt über Private Equity in der Implantologie. In Interviews, die von der American Academy of Implant Dentistry (AAID) für Journalisten arrangiert wurden, reklärte der Implantologe und ehemalige AAID-Präsident Dr. Brian J. Jackson, er glaube, Zahnärzte seien zu ethisch und Patienten zu schlau, um sich von Private-Equity-Eigentümern unter Druck setzen zu lassen. Und Dr. Jumoke Adedoyin, eine Führungskraft bei der Zahnarztkette Affordable Care (43 Filialen landesweit) gab zu Protokoll, sie habe „nie Druck von oben verspürt, Implantate zu verkaufen“.
Die beiden US-Medien führen in ihrem gemeinsamen Bericht jedoch auch zahlreiche Fälle an, in denen Patientinnen und Patienten gegen große Zahnarztketten wegen Überversorgung klagten. Deren Vorgehen war immer gleich: Die Ketten bestritten jegliches Fehlverhalten und einigten sich anschließend außergerichtlich mit den potenziell Geschädigten. Das Geld dafür verdienen die Zahnarztketten auch, indem sie Patienten Kredite von bis zu 65.000 US-Dollar mit Laufzeiten von bis zu zehn Jahren für die teuren Eingriffe anbieten.
„Es geht um fünf einfache Buchstaben: M-O-N-E-Y.“
Die American Dental Association (ADA) – mit 159.000 zahnärztlichen Mitgliedern immerhin die größte zahnärztliche Vereinigung in den USA – bezieht zu den Medienberichten nur halbherzig Stellung. Zahnimplantate seien „eine von mehreren Möglichkeiten, um die Mundfunktion wiederherzustellen“, heißt es in einer Mitteilung, die sich vor allem an Laien richtet und in der es vor Allgemeinplätzen nur so wimmelt. Patienten sollten in jedem Fall erwarten dürfen, dass sie zunächst von einem Zahnarzt umfassend untersucht werden und dann ein Gespräch über die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten führen, die sich aus der Diagnose des Zahnarztes ergeben.
„Die Erhaltung eines gesunden Gebisses ist immer eine Überlegung bei der Entwicklung von Behandlungsoptionen“, heißt es außerdem, und: „Gespräche über die Finanzierung komplexer zahnmedizinischer Eingriffe wie Implantate oder Vollkieferimplantate sollten erst geführt werden, nachdem die Patienten mit ihren Zahnärzten das Spektrum der Behandlungsmöglichkeiten erörtert haben.“ Wer mag, kann hier einen zarten Appell an die Implantketten herauslesen. Zur weiteren Klarstellung schreibt die ADA noch, „unabhängig von den Besitzverhältnissen einer Praxis sind Zahnärzte letztlich für die Diagnose, die Behandlungsplanung und die Betreuung ihrer Patienten verantwortlich."
Fragen der zm, ob die in den Medienberichten beschriebenen Fälle oder darüber hinaus weitere bekannt sind, beantwortet die ADA nicht. Zu den Vorwürfen in den Presseberichten steuert ADA-Präsident Dr. Brett Kessler wenig Erhellendes bei: Man sei „der Meinung, dass Zahnärzte sich an die höchsten ethischen Standards halten und das Wohl der Patienten immer an erste Stelle setzen sollten.“ Als freiwillige Berufsorganisation beaufsichtige oder reguliere die ADA jedoch keine Zahnärzte und Zahnarztpraxen. Die Zahnärztekammer der einzelnen US-Bundesstaaten überwachen die Zulassung und mögliche Streitigkeiten über die Erbringung von Leistungen, schließt die ADA. „In den meisten Staaten können die Kammern Patientenprobleme an den Generalstaatsanwalt oder die Verbraucherschutzbehörde des jeweiligen Staates weiterleiten, falls erforderlich.“
Der Medienbericht von CBS News und KFF Health erweckt zumindest den Eindruck, dass genau dies in jüngster Zeit passiert ist, zumindest ist von dutzenden Verfahren die Rede. Der Bericht zitiert auch Edwin Zinman, einen ehemaligen Parodontologen, der als Rechtsanwalt für Patienten im Laufe von vier Jahrzehnten Hunderte von Klagen wegen potenzieller zahnärztlicher Kunstfehler eingereicht hat. Er glaubt, dass viele der schlimmsten Befürchtungen über Private-Equity-Eigentümer in der Implantologie bereits wahr geworden sind, gab er zu Protokoll. „Sie haben viele Implantate verkauft, einige davon unnötigerweise und zu oft fahrlässig." Die Behandelnden hätten oft nicht über die notwendige Ausbildung und Erfahrung verfügt, um Implantate zu setzen, so Zinman. „Es geht um fünf einfache Buchstaben: M-O-N-E-Y.“
Der Vertragsabschluss für diese „Komplettversorgung“ erfolgt dabei mit einem Verkäufer, oftmals bevor ein Zahnarzt den Patienten begutachtet, erzählten mehrere Patienten. Gleichzeitig arbeiteten die klassische Werbung, Influencer und auch Behandelnde an dem Narrativ, dass Implantate eine echte Sorglos-Alternative zu krankheitsanfälligen echten Zähnen darstellen.
So wurden Implantate in den USA zu einem lukrativen Geschäftsfeld. Laut einem Bericht von iData Research, einem Marktforschungsunternehmen für den Gesundheitsmarkt, stieg der landesweit erzielte Umsatz mit Implantaten seit 2010 durchschnittlich um sechs Prozent – pro Jahr. Insgesamt wurde der US-Markt für Zahnimplantate und endgültige Abutments im Jahr 2022 auf 1,4 Milliarden US-Dollar geschätzt.