„Das System steht an einer Zeitenwende!“
Mut zur aktiven Gestaltung des Gesundheitswesens forderte Benz auf der Bundesversammlung am 15. und 16. November in Hamburg. „Deutschland braucht jetzt Aufbruch statt Abbruch, Mut statt Missmut und Demut statt Dekadenz“, betonte er angesichts des Aus der Ampelregierung – nicht nur an die Delegierten der Versammlung gerichtet, sondern auch an die Politik. Diese glänzte bei der Versammlung durch Abwesenheit. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte kurzfristig abgesagt, die Delegierten mit einer Videobotschaft zu begrüßen.
Zu einem zukunftsgerichteten Gesundheitswesen gehöre der Blick auf die demografische Entwicklung mit immer mehr Alten und immer weniger Jungen, sagte Benz. Das System stehe an einer Zeitenwende, erklärte er. Es gehe künftig darum, immer knapper werdende Ressourcen zu verteilen. Bürokratie und Komplexität im Gesundheitswesen nähmen zu, der ökonomische Druck auf die Arzt- und Zahnarztpraxen steige ebenfalls. Auch namhafte Ökonomen würden inzwischen einen Neustart empfehlen. Prognosen zufolge sei der Kipppunkt der Sozial- und Gesundheitssysteme in den 2030er-Jahren zu erwarten.
Die Lösungsansätze: mehr Prävention, mehr Eigenverantwortung und weniger Bürokratie und Regularien. Bei den ersten beiden Punkten seien die Zahnärztinnen und Zahnärzte gut aufgestellt, gegen die wachsende Regelungswut kämpfe die BZÄK energisch. „Wir wünschen uns in der Politik Kämpfer, die mutige Entscheidungen treffen“, so der Präsident.
Die BZÄK verstehe sich als Netzwerk in den Berufsstand sowie in die Fachöffentlichkeit und die Politik hinein. Als Beispiel nannte er den Austausch mit der Bundesärztekammer, etwa zum Thema GOÄ. Für die BZÄK stehe fest, dass der jetzt vorliegende GOÄ-Entwurf keine Blaupause für eine GOZ-Novelle sei. „Wir werden hier unseren eigenen Weg gehen“, erklärte Benz. Zu den weiteren Themen des Netzwerks BZÄK zählte Benz den Einsatz für die Belange der Studierenden, die Zusammenarbeit mit dem Bundesverband der Freien Berufe (BFB) oder mit der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege (DAJ). Mit der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) befinde man sich in ständigem Austausch zu zahlreichen gemeinsamen Themen.
„Wir müssen Klartext reden!“
„Für die zahnmedizinische Versorgung unserer Patientinnen und Patienten und für die Freiberufler insgesamt in diesem Land muss dringend eine andere Politik her“, bekräftigte BZÄK-Vizepräsident Konstantin von Laffert. „Darüber müssen wir jetzt Klartext reden.“ Ein großes Anliegen des Berufsstands sei die Verschlankung der Bürokratie. Dass dort „viel zu viel ignoriert und ausgesessen wurde„, sei frustrierend, so von Laffert. Das in diesem Jahr von der Ampel beschlossene Bürokratieentlastungsgesetz enthalte eben gerade keine Entlastung für die Praxen. „Betrieben wird aber Bürokratieaufbau – das gilt für das Land als Ganzes und das gilt ganz besonders für die Zahnmedizin“, sagte er und nannte als Beispiele die Themen Wischdesinfektion, neue Pflichten in der Medizinproduktebetreiberverordnung oder die wachsende Zahl von „Beauftragten".
Ein weiteres Anliegen des Vizepräsidenten: Fachkräftemangel und die Ausbildung von Fachkräften für die Praxisteams. Hier müsse man neue Wege gehen, forderte er mit Verweis auf die ZFA-Kampagne der BZÄK, auf die Möglichkeiten der Zuwanderung und auf die Notwendigkeit der Steigerung der Attraktivität des Berufs.
Ein für von Laffert zentrales Thema ist der Umgang mit Investoren in der Zahnheilkunde: „Es geht hier nicht darum, den Investoren-MVZ und Ketten pauschal zu unterstellen, dass sie die Qualität vernachlässigen. Es geht vielmehr darum zu zeigen, was uns droht, wenn in der Zahnmedizin dieselben kommerziellen Regeln gelten wie beim Vertrieb und der Vermarktung von Pauschalreisen oder Speiseeis.“ Und: „Es muss – und das ist unsere zentrale Forderung – eine räumliche und eine fachliche Nähe zwischen dem Gründungskrankenhaus und dem MVZ geben, sonst macht dieses Konstrukt keinen Sinn und geltendes Recht wird völlig konterkariert.“ Bei all diesen Themen werde man einer nächsten Bundesregierung „auf die Füße treten“, versprach er.
„Kein einziges Problem wurde substanziell angegangen!“
Noch vor wenigen Wochen habe Lauterbach einen „Herbst der Reformen“ ausgerufen. Nun zeige sich aber, dass kein einziges Problem im stationären wie im ambulanten Sektor substanziell angegangen oder gar gelöst worden sei, kritisierte BZÄK-Vizepräsidentin Dr. Romy Ermler. Dringend notwendige Problemlösungen seien in die Zukunft geschoben worden. Was der Zahnärzteschaft aber die Chance gebe, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. „Wir brauchen konstruktive Gespräche auf allen Ebenen, eine zielführende Gesundheitspolitik und keine Staatsmedizin sowie den Erhalt der Freiberuflichkeit“, forderte sie. Dazu gehörten auch Wertschätzung und eine angemessene Honorierung der zahnärztlichen Arbeit, wozu sie die Bundesregierung mit Nachdruck aufforderte.
Im Blick hatte Ermler besonders die Zukunft der jungen Generation von Zahnärztinnen und Zahnärzten. Notwendig sei eine Perspektive, inklusive der Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Berufsausübung. Mentoringprogramme zwischen Jung und Alt könnten den Weg vom Angestelltenverhältnis in die Niederlassung unterstützen. Zur Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) forderte sie eine gesetzliche Verpflichtung der Politik zur regelmäßigen Anpassung. Der Gebührenrahmen sei gelebter Patientenschutz. Eine Gefahr sehe sie darin, wenn „die Regelungen der neuen GOÄ einfach der GOZ übergestülpt werden“.
Ihr Fazit: „Was wir zukünftig brauchen, um die zahnmedizinische Versorgung nachhaltig und wirtschaftlich sicherzustellen, ist ein reformiertes duales Krankenversicherungssystem. Es ist ein solides System, in dem die Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger ein größeres Gewicht erhält und gleichzeitig die Grundversorgung durch eine nachhaltige Reform auf der Einnahmen- wie der Ausgabenseite auf einem angemessenen Niveau erhalten bleibt.“
Die Zahl der Delegierten wird verkleinert
Ihre Kernforderungen an die Politik haben die Delegierten in einer Resolution zusammengetragen. Die Gesundheitspolitik müsse als zentrale Aufgabe behandelt werden, heißt es dort. Zu den Kernthemen gehören die Stärkung der Freiberuflichkeit und der Selbstverwaltung sowie die Abkehr von einem staatlichen Gesundheitssystem. Ferner sollten der ambulante Sektor und die wohnortnahe Versorgung gestärkt werden. Reguliert werden sollten Investoren-MVZ zum Patientenschutz, der „Bürokratie-Burn-out“ in der Kollegenschaft müsse beendet werden. Zu den weiteren Herausforderungen gehörten Lösungen zum Fachkräftemangel, die Stärkung des dualen Systems in der Krankenversicherung und eine angemessene Honorierung in der GOZ. In einer weiteren Resolution forderte die Versammlung dazu auf, dass sich die Anforderungen an die Hygiene sowie Medizinproduktegebrauch und -aufbereitung an wissenschaftlich belegten Erfordernissen und am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientieren sollten.
Ein deutliches Signal an die Politik, dass die Zahnärzteschaft bereit für Reformen ist, zeigte sich in einem Beschluss zur BZÄK-Satzung. Konkret wurde eine Reduzierung der Delegiertenzahl beschlossen. Wörtlich heißt es: „Die Bundesversammlung besteht aus 139 von den Mitgliedern entsandten Delegierten. Die auf das einzelne Mitglied entfallende Zahl der Delegierten wird nach folgendem Modus festgelegt: a) Die Delegierten werden auf die Mitglieder im Verhältnis der in ihrem Kammerbereich vertretenen Zahnärzte zu der Summe der Zahnärzte aller Mitglieder nach dem Höchstzahlverfahren nach Sainte-Laguë verteilt. b) Die Mindestanzahl an Delegierten je Mitglied beträgt 2.“
„Die Reduzierung der Delegiertenzahl ist ein wichtiges Zeichen, dass die deutsche Zahnärzteschaft – im Gegensatz zur Politik – reformwillig und reformfähig ist“, sagte der Vorsitzende des Ausschusses Recht, Berufsrecht und Satzung der BZÄK, Dr. Thomas Breyer. Die Bundesversammlung habe die Reduzierung ihrer Delegiertenzahl um 18 Prozent beschlossen. Damit würden Beitragsmittel eingespart und die Handlungsfähigkeit der Versammlung gesichert, unterstrich er.
Als ebenso zukunftsgerichtetes Projekt beschlossen die Delegierten eine Änderung der BZÄK-Musterweiterbildungsordnung (MWBO). So wurde Anpassungsbedarf im Paragrafenteil gesehen. In Angleichung an internationale Standards der Wissensvermittlung sollen die fachspezifischen Inhalte der MWBO als Erwerb von Kompetenzen beschrieben werden. Zuvor wurde Konsens mit allen relevanten Berufsverbänden und wissenschaftlichen Experten bei der Beschreibung der Leistungen erzielt.
Wichtige neue Informationen zur GOZ
Zentral diskutiert wurde auch das Thema GOZ. So hat der GOZ-Ausschuss der BZÄK eine Webseite („www.goz-honorarvereinbarung.de") entwickelt: Auf der Seite finden sich alle wichtigen Informationen zur Vereinbarung nach § 2 Abs. 1 und 2 GOZ. Die Informationen sind so strukturiert, dass alle Schritte bestens aufgestellt und vorbereitet sind – von der Entscheidung zur Honorarvereinbarung über die Honorarkalkulation und die Vereinbarung bis hin zu Argumentationshilfen.
Es folgten – nach intensiven Diskussionen – mehrere Beschlüsse zur GOZ. Wiederholt erfolgte die Forderung aus der Versammlung nach einer Erhöhung des GOZ-Punktwerts. Aus Sicht der Delegierten auch wichtig war der Aufruf in die Kollegenschaft hinein, angesichts ausbleibender Punktwertanpassungen die Honorierung zahnärztlicher Tätigkeiten im betriebswirtschaftlich erforderlichen Maß mithilfe des § 2 GOZ zu vereinbaren oder bei analoger Berechnungsmöglichkeit mittels des § 6 GOZ zu gestalten. Einig war man sich darin, die Forderungen des Berufsstands klar herauszuarbeiten und – falls eine neue Regierung das Thema GOÄ aufgreifen wolle – politisch mit Argumenten gewappnet zu sein, um die eigenen Positionen zu stärken. So beschloss man etwa auch, eine Referenz-GOZ intern zu entwickeln.
Intensiv diskutiert wurde auch die Digitalisierung im Gesundheitswesen. So wurde das Gesundheits-Digitalagentur-Gesetz (GDAG) in der jetzt vorliegenden Fassung abgelehnt.
Die politischen Beschlüsse der Bundesversammlung finden Sie unter: https://bv2024.bzaek.de