Von Navsari nach Zittau

Ein indischer Zahnarzt in Sachsen

Eine eigene Praxis und ein sehr gutes Auskommen – schon mit 30 Jahren hatte Dr. Swapnil Chandratre in seiner Heimat Indien viel erreicht. Dafür arbeitete er rund um die Uhr. Über einen deutschen Freund kam er in das kleine Städtchen Zittau und fand dort nach langer Anerkennungsphase eine neue Heimat.

Chandratre arbeitet seit 2022 in der Praxis Mandau-Dental als angestellter Zahnarzt. Die Patienten reagieren positiv auf den indischen Mediziner, obwohl einige am Anfang etwas skeptisch waren, wie Praxisleiter Dr. Sebastian Matauschek berichtet. Zwischen den beiden Kollegen passte es auf Anhieb.

Chandratre hat an der Universität in Nadiad studiert und leitete danach eine Zahnklinik in Navsari, seiner Heimatstadt im indischen Bundesstaat Gujarat. Mit einem „Master of Dental Surgery“ hat er die Schwerpunkte Parodontologie und Implantologie. Zahnärztliche Behandlungen sind in Indien Privatleistungen, was bedeutet, dass die Zahnmediziner nahezu rund um die Uhr für ihre Patienten erreichbar sein müssen. Work-Life-Balance sieht anders aus, erzählt Chandratre, vor allem als Nachwuchs ins Haus kam. „Zu viel Arbeit, zu wenig frei. Ich war von Montagmorgen bis Samstagabend im Dienst der Patienten. Manchmal sogar am Sonntag.“ Er habe gut verdient, aber wenig Gelegenheit gehabt, das zu genießen.

Da entstand der Wunsch, das zu ändern. Die Familie in der Heimat war erst skeptisch, vertraute ihm jedoch und half, den Umzug vorzubereiten: Seine Frau ist 33 Jahre alt und arbeitet als Ärztin im Krankenhaus in Zittau in der Inneren Medizin, sein Sohn ist drei Jahre alt.

Viele Instrumente waren „made in Germany“

Chandratre begann sich im Internet umzusehen: Wo gibt es bessere Bedingungen und vor allem auch gute Fortbildungsmöglichkeiten? Er wollte sich schließlich weiterentwickeln. Bei der Recherche erinnerte er sich, dass er während seiner Ausbildung eine Vielzahl von Instrumenten in den Händen hielt, die „made in Germany“ waren. Er kontaktierte einen Freund, der als Arzt in Sachsen lebt und arbeitet, und fragte ihn. Gemeinsam bündelten sie die Unterlagen und reichten sie bei der Landeszahnärztekammer Sachsen (LZKS) ein.

Zahnärzte aus Indien werden im Freistaat mit ihrem Abschluss anerkannt. Die LZKS hat außerdem als erste deutsche Kammer einen Vorbereitungskurs für die zahnmedizinische Kenntnisprüfung eingeführt. Im April fand der erste Durchlauf mit 35 ausländischen Zahnärztinnen und Zahnärzten statt. Ziel ist, eine strukturierte Vorbereitung – insbesondere auf die schriftliche Prüfung – zu ermöglichen.

Chandratre nahm damals an einem Vorbereitungskurs der Freiburg International Academy teil und investierte zusätzlich rund 15.000 Euro selbst, um hier als Zahnarzt tätig werden zu können. Nach zweijähriger Assistenz bestand er alle erforderlichen Prüfungen im ersten Versuch. Die Regularien schreiben jedoch zwei weitere Jahre Ausbildungsassistenz beziehungsweise Vorbereitungsassistenz vor. Der Anerkennungsprozess dauerte insgesamt über drei Jahre.

„Das Verfahren war nicht ganz einfach. Auf der einen Seite war Deutsch lernen für mich herausfordernder als die fachliche Kenntnis. Da hatte ich keine Schwierigkeiten. Auf der anderen Seite musste ich mit der Wartezeit und der Unsicherheit, ob ich den Prüfungsstandards genüge, umgehen.“ In Zittau fing Chandratre quasi wieder bei null an. Rückblickend sagt er aber, dass eine gute Vorbereitung der Schlüssel zum Erfolg sei. Das Warten sei ja beispielsweise auch auf die Bürokratie zurückzuführen. „Man braucht Geduld, denn hier laufen die Prozesse wirklich langsamer“, fügt er hinzu.

In Zittau fing er wieder bei null an

Mit den Deutschkenntnissen auf C1-Niveau erhielt er im Anschluss viele positive Rückmeldungen auf seine Bewerbungen. Entschieden hat er sich dann für die Anstellung bei Matauschek. Der Klinikleiter ist beeindruckt, wie gut der junge Kollege aus Indien in das deutsche Gesundheitssystem hineingewachsen ist: „Obwohl Herr Chandratre bereits eine Praxis geleitet hat, war das hier ja komplettes Neuland.“ Inzwischen sei Chandratre eine tragende Säule der Praxis.

Und was fehlt ihm hier in Deutschland? „Am meisten vermisse ich natürlich das indische Essen“, sagt er. Und das Wetter sei für ihn an vielen Tagen schon noch gewöhnungsbedürftig, zu kühl. Dafür schätzt er die offene und freundliche Art der Deutschen. Zurzeit sei er rundum zufrieden mit seiner Entwicklung, dem Chef und dem Arbeitsteam. „Alle sind sehr nett und hilfsbereit, auch während des Verfahrens um meinen Aufenthaltstitel. Ich hoffe, dass das Verfahren für ausländische Zahnärzte in Zukunft ein bisschen einfacher und schneller geht – gerade für Zahnärzte mit einer Staatsbürgerschaft außerhalb der Europäischen Union.“ 

Anerkennungsverfahren in Sachsen

In Deutschland setzt die zahnärztliche Approbation laut Zahnheilkundegesetz (ZHG) § 2 Abs. 1 Nr. 5 „erforderliche Kenntnisse der deutschen Sprache“ voraus. Zahnärztinnen und Zahnärzte müssen sicher kommunizieren können, um Anamnesen zu erheben, Diagnosen und Behandlungsverläufe zu erläutern sowie Vor- und Nachteile geplanter Maßnahmen zu erklären. Eine klare Verständigung mit Kolleginnen, Kollegen und anderen Berufsgruppen ist essenziell, um Missverständnisse und Therapiefehler zu vermeiden. Auch schriftliche Fachsprachkenntnisse sind notwendig. Die Sprachkenntnisse werden meist durch ein maximal drei Jahre altes Zertifikat nachgewiesen. Die Landesregierung hat der Landeszahnärztekammer Sachsen die Fachsprachprüfung übertragen, die mündliche und schriftliche Fähigkeiten überprüft.

Auch sein Chef hofft, dass es in Zukunft etwas einfacher geht. Chandratres Beispiel zeige, wie internationale Fachkräfte mit viel Einsatz und Willen die hohen Hürden überwinden können, die ihnen hier im deutschen Berufsleben oft begegnen. Matauschek: „Wir hoffen, dass seine Geschichte auch anderen Ärzten und Fachkräften Mut macht und die Debatte über Anpassungen im Anerkennungsverfahren anstößt, damit wir künftig noch mehr engagierte Kollegen willkommen heißen können.“

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