Amalgamverbot ab 2025

Regelung zum Amalgamersatz ab Januar 2025

Entgegen aller Bedenken aus der Wissenschaft und der Zahnärzteschaft hat die EU beschlossen, Amalgam ab dem 1. Januar 2025 ohne Übergangsfristen zu verbieten. Ab dem kommenden Jahr darf Dentalamalgam damit in der Union also nicht mehr für die zahnärztliche Behandlung verwendet werden, es sei denn, die Zahnärztin beziehungsweise der Zahnarzt hält eine solche Behandlung wegen der spezifischen medizinischen Erfordernisse bei der Patientin oder dem Patienten für zwingend notwendig. Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) und GKV-Spitzenverband ist trotz des hohen Zeitdrucks gelungen, die Versorgung sicherzustellen.

Bisher war Amalgam eines der Füllungsmaterialien, auf das im Rahmen einer zuzahlungsfreien Füllung im Seitenzahnbereich zurückgegriffen werden konnte. Der Verwendung von Amalgam hat die EU nun – vorgeblich aus Umweltgründen – ein Ende gesetzt. Aufgrund des Verbots waren KZBV und GKV-Spitzenverband gefordert, in kurzer Zeit die bestehenden Regelungen im BEMA anzupassen, um auch ab dem 1. Januar 2025 die Versorgung mit wissenschaftlich erprobten Materialien in der Füllungstherapie sicherzustellen.

Die im Oktober beschlossenen Regelungen sorgen nun dafür, dass alle GKV-Versicherten mit qualitativ hochwertigen modernen amalgamfreien Zahnfüllungen nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig zuzahlungsfrei versorgt werden können. „Die Regelungen wurden durch Einbindung der Fachgesellschaften unter Hinzuziehung der maßgeblichen wissenschaftlichen Expertise in diesem Bereich erarbeitet. Damit haben wir den aktuellen Stand der Zahnmedizin abbilden können“, erklärt Martin Hendges, Vorsitzender des Vorstandes der KZBV.

Selbstadhäsive Füllungsmaterialien als Sachleistung

Der Beschluss des Bewertungsausschusses zur Änderung der Gebührenposition 13 des BEMA sieht vor, dass weiterhin plastische Füllungsmaterialien, die ausreichend, zweckmäßig, erprobt und praxisüblich sind, Gegenstand der vertragszahnärztlichen Versorgung sind.

Im Frontzahnbereich: adhäsiv befestigte Restaurationen zum Beispiel aus Dentalkompositen

Im Seitenzahnbereich: direkte Restaurationen aus selbstadhäsiven Materialien. Im Ausnahmefall, wenn zum Beispiel aufgrund der Ausdehnung der Kavität mittels selbstadhäsiver Materialien keine permanente Versorgung möglich ist, sind Bulkfill-Komposite in Verbindung mit Haftvermittlern Gegenstand der vertragszahnärztlichen Versorgung.

Selbstadhäsive Füllungsmaterialien umfassen alle Füllungsmaterialien, die ohne Haftvermittler auskommen. Dazu zählen:

Glasionomerzemente

Glasionomerzemente (GIZ) werden aus speziellen Glas-Pulvern und Flüssigkeit angemischt und härten durch eine Säure-Base-Reaktion aus. Der große Vorteil von Glasionomerzementen gegenüber Kompositen besteht darin, dass sie direkt chemisch an die Zahnoberfläche binden können und keinen separaten Haftvermittler benötigen (selbstadhäsiv). Das macht ihre Anwendung deutlich einfacher und schneller. Ihr Nachteil gegenüber Kompositen ist, dass sie weniger abrasionsstabil und Restaurationen aus GIZ frakturanfälliger und weniger gut polierbar sind. Daher sind Glasionomerzemente vor allem bei kleinen bis mittelgroßen Defekten im Bereich der Seitenzähne oder am Zahnhals (Klasse V) indiziert.

Gemäß der aktuell erschienenen S3-Leitlinie „Direkte Kompositrestaurationen in Front- und Seitenzahnbereich“ besteht ein starker Konsens, dass Glasionomerzemente als Alternative zu Kompositen in spezifischen Indikationsbereichen (unter anderem kleinere Kavitätengrößen, eingeschränkte Mitarbeit, erhöhtes Kariesrisiko) für die direkte Versorgung bei Klasse-I- und -II-Kavitäten an bleibenden Zähnen verwendet werden können [DGZ/DGZMK, 2024]. Bei der Verwendung im Seitenzahnbereich ist zu beachten, dass nicht alle Produkte für permanente Restaurationen im kaulasttragenden Bereich zugelassen sind.

Kunststoffmodifizierte Glasionomerzemente

Kunststoffmodifizierte Glasionomerzemente sind eine Unterklasse der Glasionomerzemente. Sie enthalten neben Glaspulver und Flüssigkeit zusätzlich Kunststoffanteile. Sie sind daher kaustabiler als die herkömmlichen GIZ und haben eine etwas glattere Oberfläche. Auch sie benötigen keine Haftvermittler. Für diese Materialgruppe gelten die oben genannten Empfehlungen für die direkte Versorgung bei Klasse-I- und -II-Kavitäten an bleibenden Zähnen ebenfalls [DGZ/DGZMK, 2024].

Glas-Hybride

Glas-Hybride sind ebenfalls eine Unterklasse der (selbstadhäsiven) Glasionomerzemente. Bei ihnen wird die frisch gelegte Füllung mit einem speziellen Lack (Coating) abgedeckt, um die feuchtigkeitsempfindliche Abbindereaktion zu schützen. Für Glas-Hybride existieren mittlerweile ausreichend gute klinische Daten für den Seitenzahnbereich.

Selbstadhäsive Komposit-Hybride

Selbstadhäsive Komposit-Hybrid-Kunststoffe sind Komposite, die aufgrund von speziellen Zusätzen direkt chemisch an den Zahn binden und keine Haftvermittler benötigen. Zu dieser Gruppe zählen auch selbstadhäsive Komposite. Die selbstadhäsiven Komposit-Hybride erreichen keine so starken Haftwerte am Zahn wie Dentalkomposite in Verbindung mit Haftvermittlern, sind aber sehr kaustabil. Es sind neuartige Materialien, die zum Teil noch nicht über längere Zeiträume erforscht sind.

Adhäsive Füllungsmaterialien

Von den selbstadhäsiven Füllungsmaterialien zu unterscheiden sind solche Materialien, die einen zusätzlichen Haftvermittler benötigen. Dazu zählen Komposite (einschließlich Bulkfill-Komposite), Kompomere und Alkasite.

Damit stehen aus Sicht der Wissenschaft heute mehrere bewährte und zudem auch neue und vielversprechende selbstadhäsive Materialien und Materialgruppen als Amalgamalternative zur Verfügung. „Klar ist, dass das Amalgamverbot, gegen das sich die KZBV mit guten fachlichen Argumenten zur Wehr gesetzt hat, auch weiterhin eine Entscheidung im Einzelfall notwendig macht, welches Material bezogen auf den Einzelfall das fachlich Beste ist. Gerade diese Entscheidung wird durch die Neuregelung gewährleistet“, betont Hendges.

Wie bisher entscheidet die behandelnde Zahnärztin oder der behandelnde Zahnarzt in Abstimmung mit den Patientinnen und Patienten, welches konkrete Füllungsmaterial im jeweiligen Einzelfall verwendet wird. Wichtig ist, dass Patientinnen und Patienten über die in ihrem Fall bestehende GKV-Versorgung und mögliche Versorgungsalternativen durch ihre Zahnärztin oder ihren Zahnarzt vor der Behandlung aufgeklärt werden und sich so für eine Versorgung entscheiden können.

Bezogen auf die Materialien existieren jeweils individuelle Datenlagen. Der Einsatz sollte anhand von verschiedenen Faktoren auf Patienten-, Mund- und Zahnebene, beispielsweise der Compliance, dem Kariesrisiko und dem Ausmaß an vorhandener Restzahnsubstanz, der Kavitätengröße sowie der Möglichkeit einer Trockenlegung während der Behandlung sorgfältig und fallbezogen abgewogen werden.

„Eine pauschale Kritik an der Neuregelung ist weder angebracht noch zielführend. Gleiches gilt für Aussagen, dass Amalgam das deutlich bessere Material sei. Dies mag für einzelne Versorgungsszenarien zutreffend sein. Diese Option wurde uns aber durch das EU-weite Verbot genommen und wir müssen uns daher der uns seitens der EU vorgegeben faktischen Lage stellen“, stellt Hendges klar.

DGZMK-Online-Seminar

Aus aktuellem Anlass bietet die DGZMK am Montag, den 9. Dezember 2024 um 19 Uhr, ein Online-Seminar zum Thema „Das Amalgam-Aus: Was jetzt?“ an. Prof. Dr. Roland Frankenberger (Marburg) wird dort gemeinsam mit dem Präsidenten der DGZMK, Prof. Dr. Dr. Jörg Wiltfang, die möglichen Amalgamalternativen und die vorliegende Evidenz dazu für die infrage kommenden Indikationen vorstellen. Für die KZBV wird Rechtsanwalt Christian Nobmann, Leiter der Abteilung Koordination G-BA, teilnehmen und die rechtlichen Hintergründe des Verbots und der getroffenen Neuregelungen erläutern.

Die Veranstaltung wird entsprechend den Leitsätzen der KZBV/BZÄK/DGZMK mit zwei Fortbildungspunkten bewertet.

Die Mehrkostenregelung bleibt

Gesetzlich Versicherte können wie bisher über die zuvor beschriebene vertragszahnärztliche Versorgung (Paragraf 28 Abs. 2 Satz 1 SGB V) hinausgehende Leistungen wählen (gesetzliche Mehrkostenregelung gemäß Paragraf 28 Abs. 2 Satz 2 und 3 SGB V), während die Krankenkasse auf jeden Fall die Kosten für die im BEMA festgelegte Füllung übernimmt. Das bedeutet: Neben einer guten Grundversorgung bleibt die Entscheidungsfreiheit der Patientinnen und Patienten ohne finanzielle Einbußen bestehen. Zu diesen Leistungen zählen adhäsiv befestigte Restaurationen im Seitenzahnbereich, Restaurationen in Mehrschicht- und Mehrfarbentechnik, Einlagefüllungen sowie Goldhämmerfüllungen.

Die meisten Patientinnen und Patienten bevorzugen seit vielen Jahren ohnehin zahnfarbene Materialien, zum Beispiel aus dentalen Kompositmaterialien. Von den aktuell 46 Millionen Füllungen bei GKV-Versicherten ist nur noch ein Anteil von knapp über zwei Prozent Amalgamfüllungen zu verzeichnen.

Amalgam kann im Ausnahmefall weiter eingesetzt werden

In sehr engen Grenzen ist die Verwendung von Amalgam weiter gestattet. Wenn die Zahnärztin oder der Zahnarzt den Einsatz von Amalgam im individuellen Einzelfall für zwingend erforderlich halten, kann das Material weiterhin verwendet werden. Der praktische Anwendungsbereich dürfte aber eher gering sein. Denkbar sind etwa Fälle bei vulnerablen Patientengruppen mit hoher Kariesaktivität, in denen mangels ausreichender Möglichkeit der Mitarbeit (Stichwort Compliance) andere Füllungsmaterialien ausscheiden.

Verbot ist kein Eingeständnis von Gesundheitsrisiken des Materials

Mehr Patientenkommunikation könnte möglicherweise aus einem anderen Grund auf die Praxen zukommen: Amalgamgegner, die einst gegen das „toxische“ Füllungsmaterial mobilisiert haben, könnten sich in der öffentlichen Wahrnehmung des Amalgamverbots nachträglich bestätigt sehen. Der Beschluss der EU-Gremien hat aber erklärtermaßen nichts mit der zahnmedizinischen Anwendung des Materials am Menschen zu tun.

Den EU-Verantwortlichen ging es um Umweltschutzaspekte und die Umsetzung internationaler Übereinkommen wie der Minamata-Konvention, in der eine schrittweise Reduktion des Quecksilbereintrags in die Umwelt vereinbart worden war. Durch hohe Quecksilberkonzentrationen in der Umwelt sehen die Verantwortlichen „die Gesundheit des Menschen (u. a. durch Methylquecksilber in Fischen und Meeresfrüchten), die Ökosysteme und die natürliche Tier- und Pflanzenwelt“ gefährdet, wie es in einem EU-Papier von 2017 heißt [EU, 2017].

Da Amalgam Quecksilber enthält, geriet das Material in den Fokus der EU-Verordnungen zur Reduktion der Verwendung dieses Metalls. Adressiert waren aber nicht etwaige Gesundheitsgefahren durch das Material, sondern ausschließlich der mögliche Eintrag in die Umwelt. In der aktuellen EU-Verordnung, die das weitgehende Amalgamverbot enthält, wurde „die unsachgemäße Verwendung der vorgeschriebenen Abscheider in Zahnarztpraxen“ [EU, 2024] als Grund für die Restriktionen benannt. Dieses Argument trägt in Deutschland, wo Amalgamabscheider seit Langem verpflichtend waren und laufenden Kontrollen unterliegen, jedoch nicht.

Literaturliste

  • DGZ/DGZMK. Direkte Kompositrestaurationen an bleibenden Zähnen im Front- und Seitenzahnbereich. S3-Leitlinie (Langfassung). AWMF-Registernummer: 083-028. 083-028l_S3_Direkte-Kompositrestaurationen-bleibende-Zaehnen-Front-Seitenzahnbereich_2024-05.pdf (awmf.org).

  • VERORDNUNG (EU) 2017/852 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 17. Mai 2017 über Quecksilber und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1102/2008, eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/.

  • VERORDNUNG (EU) 2024/1849 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 13. Juni 2024 zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/852 über Quecksilber im Hinblick auf Dentalamalgam und andere mit Quecksilber versetzte Produkte, die Ausfuhr-, Einfuhr- und Herstellungsbeschränkungen unterliegen, eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/.

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.