Bildgebung in der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde

DICOM – Warum brauchen wir das?

Ralf Schulze
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Kai Voss
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Edgar Hirsch
Auf der jüngsten Tagung der Arbeitsgemeinschaft Bildgebung in der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (AG BiZ) im September wurde rege über DICOM diskutiert. Das Format ist bisher nicht verpflichtend, sollte aus Sicht der Fachgesellschaft dennoch in der Zahnmedizin zunehmend verwendet werden, um die Standardisierung voranzutreiben. Eine stärkere Nutzung würde auch Druck auf die Industrie ausüben, anwenderfreundlichere und systemübergreifende Viewer zur Verfügung zu stellen.

Vermutlich kennt man die Situation in jeder Praxis: Ein Patient kommt mit einer CD oder einem USB-Stick mit andernorts angefertigten Röntgenaufnahmen. Wenn man Glück hat, können die Aufnahmen irgendwie geöffnet und angezeigt werden. Spätestens bei DVT-Aufnahmen wird es jedoch oft sehr mühsam, da man häufig einen Viewer installieren muss, um die Aufnahmen irgendwie sehen zu können. Man sollte man meinen, dies wäre im Jahr 2024 eigentlich ein lösbares Problem – aber so ist es in der Praxis eben häufig nicht.

Lösbar wäre es schon, wenn alle Praxen einen DICOM-Viewer hätten, in dem man alle in diesem Format abgespeicherten radiologischen Bilddaten unproblematisch importieren und anzeigen kann. Das ist in der Medizin seit vielen Jahren weltweit ein etablierter Standard, aber leider nicht in der Zahnmedizin.

Im Rahmen einer Kooperation zwischen dem American College of Radiology (ACR) und der US-amerikanischen National Association of Electronic Manufacturers (NEMA) wurde DICOM 1993 als neuer Standard für die Kodierung, Speicherung und den Austausch / die Weitergabe digitaler medizinischer Bilddaten eingeführt [Larobina, 2023]. Heute stellt DICOM („Digital Imaging and Communications in Medicine“, auf Deutsch „Digitale Bildgebung und -kommunikation in der Medizin“) den internationalen Standard für diese Anforderungen dar. Dabei ist DICOM ein offener Standard zum Austausch und zur Speicherung von Informationen und medizinischen Bilddaten, der konstant weiterentwickelt wird – mit fünf Revisionen pro Jahr [Larobina, 2023].

Dazu tragen viele unterschiedliche DICOM-Arbeitsgruppen bei. Für die Entwicklung und Implementierung zahnmedizinischer Standards in DICOM ist die Arbeitsgruppe 22 (WG-22: Dentistry) zuständig. Leider hat sich der Standard aus unterschiedlichen Gründen bisher in der Zahnmedizin nicht so verbreitet, wie dies aus Anwenderperspektive und auch aus Sicht der zahnärztlichen Stellen sinnvoll wäre.

Welche Vorteile das Format bietet

DICOM bietet sehr viele einzigartige Vorteile, von denen einige auch für die zahnärztliche Praxis von Bedeutung sind. Zum einen können alle im entsprechenden Format gespeicherten/weitergegebenen Röntgenaufnahmen in einem einzigen DICOM-Viewer im Original – das heißt ohne Informationsverlust – angesehen und auch befundet werden. Dies erspart einem das sehr mühsame Laden und (möglicherweise) Installieren von Fremdsoftware, nur um von Patienten mitgebrachte digitale Röntgenaufnahmen in der eigenen Praxis ansehen zu können. Außerdem macht es unabhängig von einzelnen Herstellerformaten und Lösungen.

Bundeszahnärztekammer

Der barrierefreie Austausch von Röntgenbilddateien inklusive der erfassten Metadaten entlastet die Praxen, hilft die Anfertigung von Doppelaufnahmen zu verhindern und ist deshalb auch für das Gebiet der Zahnmedizin absolut wünschenswert. Wie dies unter Verwendung des DICOM-Standards geschehen kann, haben die Autoren des Artikels anschaulich beschrieben. Anders als in der Medizin, wo in der Regel Radiologen im Auftrag anderer Fachrichtungen Röntgenbilder anfertigen und befunden, ist der Austausch von Bilddaten und Befunden in der Zahnmedizin eher begrenzt. Üblicherweise einigen sich die Beteiligten dann auf geeignete Austauschmodi, zumal Converter für jedes Format existieren.

Der Bundeszahnärztekammer ist ein sanfter DICOM-Einstieg ohne zusätzliche Mühe und Kosten wichtig: Bei allen Geräten, die DICOM unterstützen, sollte dieses Format zunehmend genutzt werden.

Zum anderen werden im DICOM-Format alle wichtigen Metainformationen (Aufnahmedatum, Aufnahmegerät, Expositionsdaten. Patientendaten) zusätzlich abgespeichert, so dass diese Informationen explizit für jede DICOM-kodierte Aufnahme vorliegen. Hierzu gehören neben vielen anderen Angaben demografische Informationen zum Patienten, Expositionsparameter, Angaben zum Überweiser, zum Behandler, Betreiberkennungen sowie Informationen zu Bildabmessungen und -Orientierung [Graham et al., 2005]. Dadurch dass DICOM ein internationaler und offener Standard ist, haben die ebenfalls international agierenden Herstellerfirmen auch ein inhärentes Interesse, entsprechende DICOM-Funktionalitäten in ihre Softwarelösungen zu implementieren. Bereits heute bieten daher nahezu alle Hersteller zahnärztlicher Röntgengeräte und entsprechender Software die Möglichkeit, die Bilddaten im DICOM-Format zu exportieren. 

Die ideale Lösung wäre die Integration eines DICOM-Viewers in die typischen Zahnarzt-Praxissoftwarelösungen, beispielsweise indem die Herstellerfirmen bereits vorhandene DICOM-Lösungen integrieren. Einige bekanntere DICOM-Viewer sind ohne Anspruch auf Vollständigkeit in Tabelle 1 aufgelistet.

In der Medizin funktioniert es doch auch

DICOM-Bilder können unter Windows auch – jedoch einfach als Bilder und ohne DICOM-Viewer-Funktionalitäten – in der kostenlosen Software Irfanview (https://www.irfanview.com/) angesehen werden. Plattformunabhängig gelingt dies ebenso mit dem Tool ImageJ (https://imagej.net/). In diesem Tool kann man sich auch die Metadaten über den Aufruf „Image“–>„Show Info“ anzeigen lassen. Nähere Infos zum DICOM-Standard finden sich auf den offiziellen NEMA-Webseiten (https://dicom.nema.org/standard.htm).

DICOM ist also ein seit vielen Jahren in der Medizin für unterschiedlichste medizinische Bilddaten (2-D-Röntgenbilder, CT, MRT, Sonografie) gut funktionierender und etablierter internationaler Standard. Warum also sollte das für die wenig unterschiedlichen digitalen zahnärztlichen Röntgenaufnahmen in der Zahnmedizin nicht ebenso gut funktionieren?

DICOM stellt die Basis für die Interoperabilität zwischen digitalen Bildsystemen dar, die die Übertragbarkeit der Daten gewährleistet und die Gefahr der Veralterung dieser Systeme reduziert, um zu vermeiden, dass digitale Bilddaten nicht mehr lesbar sind. Darauf wies der Initiator und langjährige Vorsitzende der DICOM-Arbeitsgruppe 22, Allan G. Farman von der University of Louisville, Kentucky, USA, bereits im Jahr 2005 hin [Farman, 2005].

Aufgrund der genannten Vorteile und Möglichkeiten muss DICOM – wie seit Jahrzehnten im ärztlichen Bereich – auch in Deutschland zeitnah offiziell der Standard in der Zahnmedizin für die Weitergabe, Befundung und Archivierung von digitalen zahnmedizinischen Bilddaten werden. Endlich wäre eine einheitliche Lösung verfügbar, um dem gegenwärtigen Dschungel an Insellösungen zu entkommen!

Literaturliste

  • Farman AG. Applying DICOM to dentistry. J Digit Imaging. 2005 Mar;18(1):23-27.

  • Graham RN, Perriss RW, Scarsbrook AF. DICOM demystified: a review of digital file formats and their use in radiological practice. Clin Radiol. 2005 Nov;60(11):1133-1140.

  • Larobina M. Thirty Years of the DICOM Standard. Tomography. 2023 Oct 6;9(5):1829-1838.

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Prof. Dr. med. dent. Ralf Schulze

Leiter der Abteilung Oral Diagnostic Sciences
Zahnmedizinische Kliniken Universität Bern
Freiburgstr. 7, 3010 Bern
138321-flexible-1900

Dr. Kai Voss

Vizepräsident der Zahnärztekammer Schleswig-Holstein und stellv.
Vorsitzender des Ausschusses
Röntgen und Strahlenschutz
der Bundeszahnärztekammer
Praxisanschrift: Am Alten Bahnhof 1, 24245 Kirchbarkau

Dr. med. dent. Edgar Hirsch

Universitätsklinikum Leipzig
Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie
Leiter der Röntgenabteilung für Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten
Liebigstr. 12, Haus 1, 04103 Leipzig

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