Mit Zahnärzten ohne Grenzen in Tansania

In Afrika haben wir richtig viel dazu gelernt

Gwendolin Sztankay
,
Friedrich Burkhardt
Das Staatsexamen gerade in der Tasche, war uns klar, so schnell kommt die Chance zu einem Auslandseinsatz nicht wieder. Kurz darauf ging es nach Ostafrika. Jetzt sind wir wieder zu Hause und stellen fest: Von diesen zwei Wochen haben wir unendlich profitiert.

Während der Vorbereitung aufs Staatsexamen merkten wir: Wir wollen noch einmal raus und bei einem Hilfseinsatz mitwirken. Unsere Auslandsfamulatur 2023 in Nepal hatte uns total begeistert. Also bewarben wir uns ganz kurzfristig bei den Zahnärzten ohne Grenzen, den Dentists without Limits Federation (DWLF). Die Organisation hatte direkt Verwendung für uns und so ging es – als frisch gebackene, richtige Zahnärzte – im Oktober für knapp zwei Wochen nach Tansania in Ostafrika.

Mithilfe der DWLF-Zentrale organisierten wir Führungszeugnis, Diplom, Visa und Flugtickets. In Nürnberg trafen wir unseren Gruppenleiter Manfred Adelmann, beim Zwischenstopp in Istanbul lernten wir mit Dr. Thomas Czekalla den Vierten im Bunde kennen. Wir freuten uns sehr über unsere beiden Mitreisenden, da sie nicht nur eine Menge Arbeitserfahrung, sondern auch viel Witz und Humor mitbrachten. Nicht ganz unwichtig bei so einem intensiven Einsatz!

Die Anreise ist beschwerlich – und beeindruckend zugleich

Bis wir schließlich an unserem Einsatzort in Litembo ankamen, vergingen jedoch noch viele Stunden. Von Istanbul flogen wir nach Daressalam und von dort weiter nach Songea. Ab dem Flughafen Songea, der nur eine Hütte mit Wellblechdach ist, ging es mit einem Toyota Land Cruiser über Schotterpisten ins Litembo Hospital. Unser erster Eindruck nach der Ankunft: Das ist eine größere „Stadt“, auch wenn sie nur aus ein paar Wellblechhütten, dem Krankenhaus und der dort ansässigen Diözese besteht. Wir wurden im „Doctors House“ nett empfangen und bekamen gleich ein reichhaltiges Essen (was uns allerdings nach zwei Wochen zum Hals raushängen sollte, denn in diesem Teil Tansanias gibt es morgens, mittags und abends immer nur Kraut, Bohnen und Reis).

Nach einer kurzen Pause brachen wir mit der mobilen Klinik auf in die Health Centers der kleineren Dörfer, um dort medizinische Hilfe zu leisten. Zur Einheit gehörten auch ein Gynäkologe, ein Internist und ein Ophtalmologe. Diese ersten Tage Arbeit waren toll. Nicht nur, weil wir einer Menge Patienten helfen konnten, sondern auch, weil unsere Route am Malawisee entlangführte – ein wunderschönes Panorama.

Jegliche medizinische Hilfe in diesem Teil Tansanias wird von der Kirche organisiert. Daher standen unsere Stationen auf dem Boden von Gotteshäusern oder Klöstern. Da die medizinische Karawane nur einmal im Jahr vorbeikommt, war die Zahl der Patienten entsprechend hoch. Kaum waren wir morgens um acht an den jeweiligen Einsatzorten eingetroffen, füllten sich die Höfe und Gänge vor den Kirchen gleich mit Hunderten Menschen.

Unser Rekord: 70 Extraktionen an einem Tag

In den ersten Tagen waren wir noch etwas zögerlich bei der Entscheidung, welche Zähne wir extrahieren und welche nicht. Doch nachdem wir die ersten 100 Patienten behandelt hatten, fiel uns diese Entscheidung immer leichter, auch wenn es nicht schön ist, gerade bei jungen Patienten Zähne im sichtbaren Bereich zu ziehen. Nur leider bleibt einem dort keine andere Möglichkeit, weil diese Menschen tatsächlich nur einmal im Jahr einen Zahnarzt sehen (oder auch nie wieder) und nicht regelkonform versorgte Zähne schnell zu tödlichen Komplikationen führen können.

Eine weitere Sache, die uns Kopfzerbrechen bereitete, war die Stromversorgung, die nicht überall in dem Maß gegeben war, dass wir ordentlich behandeln konnten. Licht gab es sowieso keins, dafür nutzten wir unsere Kopflampe. Auch die mobile Einheit war nicht immer einsatzfähig, weil der Strom oftmals nicht ausreichte. Wasser gab es auch nicht, und als Behandlungsstühle dienten uns Bürostühle, simple Liegen oder manchmal auch nur Plastikstühle.

Behandlungen wie normale Füllungen, Zahnsteinentfernung und größere operative Eingriffe, etwa die Freilegung abgebrochener Wurzeln, waren dementsprechend erschwert. Die Kommunikation mit den Patienten erleichterte uns zum Glück die vor Ort ansässige Zahnärztin Neema Chungu. Obwohl sie, wie in Tansania üblich, gerade einmal ein Jahr studiert hatte, konnte sie die notwendigen Behandlungen gut durchführen.

Zu dem hohen Patientenaufkommen kamen die langen Fahrwege über holprige Straßen zwischen den einzelnen Dispensaries und das ständige Auf- und Abbauen unserer Dentaleinheit. Solche langen Tage zehren an der eigenen Kondition, das haben wir bei aller Euphorie festgestellt. Gut, dass Tansania vier gute Brauereien hat und wir abends in gemütlicher Runde mit einem Bier und viel Spaß runterkommen konnten.

Wir haben auch Patienten gesehen, die klare Anzeichen von tumorösen Veränderungen zeigten. Vor allem Zungenkarzinome gab es einige, die wir aber schweren Herzens unbehandelt lassen mussten, ohne etwas ausrichten zu können. In diesem Teil des Landes gibt es keine Möglichkeit der Bildgebung, der Chemotherapie, der Radiotherapie oder für größere Operationen.

Jammern und Wehklagen sind hier verpönt

Um die allgemeine Prophylaxe zu verbessern, bekam jeder Patient einige Zahnbürsten mit auf den Weg. Auch das ist dort kein Standard. Für eine Zahnbürste oder Zahnpasta muss man normalerweise in die Apotheke gehen, die es allerdings nicht überall gibt und die zudem recht teuer sind. Das durchschnittliche monatliche Einkommen liegt zwischen 20 und 30 US-Dollar. Zahnärzte verdienen um die 180 US-Dollar im Monat.

Was uns besonders beeindruckt hat, war das Verhalten der Patienten. Wenn man in Deutschland mit einer Spritze und einer Zange auf ein Kind zukommt, ist das Geschrei oft groß. Aber: Egal wie viele Zähne hier bei einem Kind extrahiert wurden, nie wurde gemault oder eine einzige Träne vergossen. Zu jammern oder Schwäche zu zeigen, ist hier verpönt. Dankbarkeit und Respekt werden dagegen großgeschrieben.

Der Gynäkologe erzählte uns, dass die Frauen während der Geburt normalerweise keinen Ton von sich geben, und – wenn überhaupt – nur mal etwas schneller atmen. Im Durchschnitt bekommt eine Frau hier sieben bis zehn Kinder, da sie die Altersvorsorge sicherstellen. In einigen Teilen des Landes liegt die Kindersterblichkeit bei bis zu 20 Prozent.

Wir freuen uns über Unterstützung!

Zahnärzte ohne Grenzen e.V.
Evangelische Bank
IBAN: DE16 5206 0410 0005 0161 69
BIC: GENODEF1EK1
Website: www.dwlf.org

Diese zwei Wochen waren ein ganz besonderes Erlebnis für uns und haben die Sicht auf unser wahnsinnig privilegiertes Leben noch einmal verändert. Die Zeit hat uns darin bestärkt, dass wir solche Einsätze unbedingt wiederholen möchten – wenn möglich. Es ist eine tolle Option, neue Länder und andere Kulturen hautnah kennenzulernen und gleichzeitig anderen Menschen – wenn auch nur einem Bruchteil der Bevölkerung – mit unserer sehr guten medizinischen Ausbildung zu helfen. An der Seite der beiden erfahrenen Zahnärzte konnten wir über das Uni-Studium hinaus noch sehr viel lernen. Solche Einsätze können wir daher jedem empfehlen.

Gwendolin Sztankay

Friedrich Burkhardt

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