Was die Zahnärzteschaft von einer neuen Regierung erwartet
Das neue Jahr hat gerade erst begonnen und schon stehen wir vor großen politischen Weichenstellungen. In etwas über einem Monat wird ein neuer Bundestag und in der Folge eine neue Bundesregierung gewählt. Die aktuelle Parteienlandschaft macht vielfältige Konstellationen möglich. Prognosen zu einer möglichen neuen Regierung lassen sich kaum seriös anstellen. Aber wie auch immer sich eine neue Regierung zusammensetzen und wer das Gesundheitsressort leiten wird, eins steht für uns fest: Der durch die Ampel verursachte Stillstand des Gesundheitswesens muss ein Ende finden und die Weichen müssen endlich in die richtige Richtung gestellt werden. Eine Gesundheitspolitik, die die wahren Probleme in der Gesundheitsversorgung ignoriert und die vermeintlichen Probleme durch eine stetig wachsende Belastung der Leistungsträger lösen will, kann man nur als Irrweg bezeichnen.
Die Selbstverwaltung ist ein zentraler Bestandteil unseres Gesundheitswesens – und dies zu Recht. Denn die Zahnärzteschaft – ebenso wie die Ärzteschaft – weiß, wie sie ihre Patienten gut versorgen kann. Doch statt dieses Erfahrungswissen zu nutzen, hat der amtierende Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach alles getan, die Selbstverwaltung aus Entscheidungsfindungsprozessen herauszuhalten. Vielmehr wurde immer deutlicher, dass er einen Umbau hin zu einem staatlich gelenkten Gesundheitswesen im Blick hatte. Eine neue Regierung muss deshalb diesen Irrweg unbedingt verlassen.
Unsere Forderungen an die nächste Bundesregierung sind klar. Es ist ein riesiger Erfolg, dass sich die Mundgesundheit der Menschen in den vergangenen Jahrzehnten erheblich verbessert hat und Deutschland im internationalen Vergleich seit Jahren einen Spitzenplatz belegt. Diese Bilanz ist die Konsequenz eines von uns und den Zahnärztinnen und -zahnärzten seit über 25 Jahren vorangetriebenen Paradigmenwechsels von einer hauptsächlich kurativen zu einer heute vor allem präventiv ausgerichteten Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde. Dieser konsequent auf Prävention ausgerichtete Versorgungsansatz in der Zahnmedizin hat auch zur Folge, dass der Anteil an den Gesamtausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für vertragszahnärztliche Leistungen – trotz Ausweitungen des GKV-Leistungskatalogs – über die vergangenen Jahrzehnte kontinuierlich gesunken ist. Von einem Ausgabenanteil von etwa 9 Prozent im Jahr 2001 auf nur noch 6,1 Prozent im Jahr 2023. Dies zeigt deutlich: Prävention spart Kosten.
Wir wollen den Weg erfolgreicher Präventionsarbeit deshalb weiterverfolgen und die Mundgesundheit weiter verbessern. Aber das geht nur mit verlässlichen finanziellen Rahmenbedingungen und Planungssicherheit – anstelle kurzsichtiger Kostendämpfungsmaßnahmen. Diese betreffen aktuell vor allem die Parodontitistherapie. Sie muss als Präventions- und Früherkennungsmaßnahme gesetzlich verankert und vollumfänglich finanziert werden.
Die nächste Forderung betrifft, wie oben erwähnt, die Stärkung der Selbstverwaltung und der Freiberuflichkeit. Die Politik muss sich wieder darauf beschränken, adäquate Rahmenbedingungen vorzugeben, die wir mit unserer Expertise und Praxisnähe füllen. Durch unsere Arbeit am Patienten wissen wir am besten, was benötigt wird. Dieses Wissen sollte eine vernunftsorientierte Bundesregierung nutzen, um die Versorgung der Bevölkerung nachhaltig zu verbessern.
Gleichzeitig muss sich die nächste Regierung für wohnortnahe und flächendeckende Versorgungsstrukturen einsetzen. Dies gelingt am besten durch die Stärkung der freiberuflichen und inhabergeführten Praxisstrukturen, insbesondere in ländlichen und strukturschwachen Regionen. Und endlich, endlich muss der nach wie vor unkontrollierte Zugang renditeorientierter, fremdinvestorenbetriebener Großversorgungstrukturen zur zahnärztlichen Versorgung gestoppt werden. Die Problematik ist hinlänglich bekannt, aber passiert ist bis heute nichts. Dies ist umso problematischer, als dass sich einmal etablierte negative Versorgungsstrukturen nicht ohne Weiteres zurückdrehen lassen.
Ein Dauerthema – aber deswegen nicht weniger dringlich – ist die Digitalisierung im Gesundheitswesen. Hier muss endlich eine Abkehr von der Sanktionspolitik erfolgen hin zu einer Politik, die durch positive Anreize Motivation und Akzeptanz schafft. Zahnärztinnen und Zahnärzte nutzen seit vielen Jahren digitale Anwendungen in ihrem beruflichen Alltag und sind alles andere als technikfeindlich. Aber TI-Anwendungen müssen gut erprobt und praxistauglich sein – und eine wirkliche Verbesserung im Praxisalltag bieten. Dann finden sie ganz von selbst den Weg in die Praxen. Als positives Beispiel sei an dieser Stelle das aus der Selbstverwaltung heraus entwickelte Elektronische Beantragungs- und Genehmigungsverfahren (EBZ) genannt, das als Leuchtturmprojekt der Digitalisierung einen echten Mehrwert für Praxen sowie Patientinnen und Patienten bietet.
Weiteres Dauerärgernis in den Zahnarztpraxen bleibt die Bürokratielast, die immer größer statt kleiner wird. Durch eine erhebliche Zunahme regulatorischer Vorgaben wird der Versorgungsalltag in den zahnärztlichen Praxen heute in großem Maße von Bürokratielasten und Verwaltungsaufgaben beeinträchtigt. Große Teile wertvoller Zeit, die eigentlich der Versorgung der Patientinnen und Patienten zugutekommen sollte, werden dadurch gebunden. Wir fordern deshalb ein Bürokratieabbaugesetz für die vertragszahnärztliche Versorgung mit wirkungsvollen Maßnahmen auf Basis der Vorschläge der Selbstverwaltung, die wir wiederholt eingebracht haben. Bürokratieabbau muss eine Daueraufgabe und das Grundprinzip bei neuen Gesetzen werden.
Wir brauchen außerdem gute Ausbildungsbedingungen für Zahnmedizinerinnen und Zahnmediziner sowie eine Stärkung des erfolgreichen dualen Ausbildungssystems für die Mitarbeitenden in den Praxen. Der Fachkräftegewinnung kommt ebenso viel Bedeutung zu wie der Fachkräftesicherung. Hierfür brauchen wir eine entsprechende Unterstützung der Politik.
Auch das Jahr 2025 wird mit weiteren Herausforderungen für die Zahnärzteschaft verbunden sein. Wir werden uns aber mit aller Kraft dafür einsetzen, dass eine neue Regierung endlich wieder die Selbstverwaltung als tragende Säule des Gesundheitswesens anerkennt und die Organisation der Versorgung in ihre Hände legt. Wir stehen bereit.
Martin Hendges
Vorsitzender des Vorstandes der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung
Dr. Karl-Georg Pochhammer
Stellvertretender Vorsitzender des Vorstandes der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung
Dr. Ute Maier
Stellvertretende Vorsitzende des Vorstandes der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung
Prof. Dr. Christoph Benz
Präsident der Bundeszahnärztekammer
Konstantin von Laffert
Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer
Dr. Romy Ermler
Vizepräsidentin der Bundeszahnärztekammer