Zahnmedizinische Versorgung zukunftsfest machen!
Jetzt sind es nur noch wenige Tage bis zur vorgezogenen Bundestagswahl. Prognosen, welche Politik in der kommenden Legislaturperiode den Weg vorgeben wird, lassen sich nicht wirklich seriös abgeben. Vieles wird davon abhängen, welche Parteien in den Bundestag einziehen werden und vor allem, welche Koalition sich bildet. Verstöße gegen das „Fairness-Abkommen“ von CDU, CSU, SPD, Grünen, FDP und Linkspartei hat es bislang zwar nicht gegeben; dennoch wurde der kurze Wahlkampf stellenweise sehr unschön geführt.
Unverständlicherweise spielte das Thema Gesundheit hier nicht die wichtige Rolle, die ihm zusteht. Dabei ist Gesundheitspolitik etwas, das ohne Ausnahme alle Bürgerinnen und Bürger angeht. Und die Herausforderungen, vor denen wir aktuell – gerade im Hinblick auf steigende Sozialabgaben – in Deutschland stehen, sind zweifelsohne enorm.
Auch im zahnärztlichen Bereich geht unser Blick sorgenvoll in die Zukunft. Zu Recht fühlen Sie sich, liebe Kolleginnen und Kollegen, durch die Vielzahl an bürokratischen Aufgaben überlastet sowie in Ihrem Praxisablauf infolge einer praxisfernen Digitalisierungsstrategie des BMG beeinträchtigt. Diese Faktoren führen zusammen mit einem sich verschärfenden Fachkräftemangel dazu, dass die Zeit für Ihre Kernaufgabe – die Patientenversorgung – zunehmend eingeschränkt wird. Aber anstatt die Expertise derjenigen einzuholen, die sich täglich um die Versorgung kümmern, und so gemeinsam Lösungen zu finden, hat die Ampelkoalition permanent gegen unsere Interessen und die der Patientinnen und Patienten gearbeitet. Versorgungsschädigende Entscheidungen der Ampel-Regierung haben die Situation in den Praxen noch verschärft. Vor diesem Hintergrund ist es nur folgerichtig, dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, Ihre Praxisabläufe an die sich immer weiter verschlechternden Rahmenbedingungen anpassen mussten.
Dabei haben wir in Deutschland in der Zahnmedizin ein sehr hohes Versorgungsniveau – nicht zuletzt durch die Erfolgsgeschichte des vollzogenen Wandels von der kurativen hin zur präventiven Zahnheilkunde. Das werden auch die demnächst erscheinenden Ergebnisse der Deutschen Mundgesundheitsstudie (DMS • 6) wieder eindrücklich zeigen – ohne an dieser Stelle schon zu viel verraten zu wollen. Ein wichtiger Effekt unseres präventiven Ansatzes ist zudem, dass seit Jahren der Anteil an den Gesamtausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für vertragszahnärztliche Leistungen sinkt.
Dies sollte sich die kommende Bundesregierung als gutes Beispiel nehmen. Eine ihrer zentralen Herausforderungen wird die Stabilisierung der GKV-Finanzen sein. Hier muss die Politik Lösungen finden, um die Finanzierbarkeit nachhaltig zu sichern. Die Antwort kann aber nicht sein, immer wieder nach sogenannten „Wirtschaftlichkeitsreserven“ aufseiten derjenigen zu suchen, die gerade keine Kostentreiber sind. Ganz im Gegenteil: Die Zahnmedizin ist das Paradebeispiel dafür, dass die Investition in Prävention nicht nur mehr Gesundheit schafft, sondern auch Kosten im Gesundheitswesen vermindert oder gar vermeidet.
Will die Politik die Erfolge in der Mundgesundheit nicht verspielen, muss sie jetzt verlässliche Rahmenbedingungen schaffen. Das bedeutet insbesondere, dass die erbrachten Leistungen im Bereich der GKV vollumfänglich bezahlt werden. Zu einer finanziellen Planungssicherheit gehört aber auch, das über viele Jahrzehnte bewährte System der dualen Krankenversicherung beizubehalten. Es ist ein Garant für eine effiziente und qualitativ hochwertige Versorgung. Das Zusammenspiel der GKV mit dem Solidar- und Sachleistungsprinzip und der PKV mit ihrem Kostendeckungs- und Kostenerstattungsprinzip trägt zur wirtschaftlichen Stabilität unserer Praxen bei. Dabei spielt die PKV nicht nur im Bereich der Vollversicherung, sondern auch im Bereich der Zusatzversicherungen eine wichtige Rolle, da auch den GKV-Versicherten ermöglicht wird, eine über das Maß des Ausreichenden hinausgehende, höherwertige Versorgung in Anspruch zu nehmen und diese privat abzusichern. Wer also das immer wieder in politischen Wahlprogrammen auftauchende Modell einer Einheits- oder Bürgerversicherung einfordert, muss wissen, dass jeglicher Wettbewerb um Innovation im Gesundheitswesen zum Erliegen käme und das Therapiespektrum eingeschränkt würde.
Wir erwarten von der künftigen Bundesregierung vor allem, dass sie wieder die reale Versorgungssituation in den Praxen berücksichtigt und die inhabergeführten Praxen, die das Rückgrat unserer Gesundheitsversorgung sind, fördern und unterstützen. Dazu gehört, dass endlich ernsthaft Bürokratie abgebaut und unsinnige Vorschriften und Verordnungen, etwa in Bezug auf die Hygiene, praxisgerecht angepasst oder dort, wo sie unsinnig sind, ganz gestrichen werden. Gleichzeitig muss die Digitalisierung, die wir als Zahnärzteschaft deutlich begrüßen, klar an Ihren Bedürfnissen, liebe Kolleginnen und Kollegen, sowie an denen Ihrer Patientinnen und Patienten ausgerichtet werden. Nur so kann das deutsche Gesundheitssystem weiterhin seine Vorbildfunktion, die es international hat, beibehalten und stärken.
Unter dem Strich hinterlässt die gescheiterte Ampelkoalition der neuen Bundesregierung viele Baustellen. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass Gesundheitspolitik nicht nur eine Nebenrolle spielen darf. Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Politik hängt auch damit zusammen, dass sie auf eine flächendeckende, wohnortnahe und qualitativ hochwertige zahnmedizinische Versorgung zurückgreifen können.
Wie die Bundestagswahl auch immer ausgehen mag, wir hoffen, dass wir möglichst schnell eine stabile und arbeitsfähige Regierung bekommen, deren Gesundheitspolitik sich an den realen Problemen der Praxen sowie der Bürgerinnen und Bürger orientiert. Nur so kann das Thema Gesundheit wieder den Stellenwert erhalten, den es verdient.
Wir als Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung und Bundeszahnärztekammer werden jedenfalls auch für die kommende Bundesregierung mit unserer geballten Expertise zum konstruktiven Dialog bereitstehen und entsprechende Versorgungskonzepte proaktiv in die politische Diskussion einbringen.
Martin Hendges
Vorsitzender des Vorstandes der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung
Prof. Dr. Christoph Benz
Präsident der Bundeszahnärztekammer