Brüssel ist wieder im Arbeitsmodus
Es gibt zahlreiche Beispiele: die Medizinprodukteverordnung, die Datenschutzgrundverordnung, der sich abzeichnende Europäische Gesundheitsdatenraum oder nicht zuletzt die EU-Quecksilberverordnung mit dem allgemeinen Verbot von Dentalamalgam – viele der für unseren Berufsstand wichtigen Fragen werden nicht mehr in Berlin, sondern in Brüssel entschieden. EU-Gesetze betreffen zunehmend unseren Praxisalltag.
Und diese Entwicklung wird sich fortsetzen. Am 12. Februar hat die EU-Kommission ihr neues Arbeitsprogramm für 2025 vorgestellt. Spätestens jetzt hat die seit den Europawahlen im Juni 2024 andauernde Phase der politischen Neusortierung ihr Ende gefunden. Der Brüsseler Politikbetrieb ist wieder in den Arbeitsmodus gegangen.
Politikwechsel in Sicht
Der Blick ins neue Arbeitsprogramm macht dabei einen tiefgreifenden Politikwechsel auf europäischer Ebene deutlich. Das zentrale Ziel der kommenden fünf Jahre ist die Stärkung der europäischen Wirtschafts- und Wettbewerbsfähigkeit – der Klimawandel ist nicht mehr das beherrschende Thema. Mit dem Arbeitsprogramm stellt die Kommission eine „Rekordzahl“ von Maßnahmen zum Bürokratieabbau in Aussicht – in allen „unternehmerischen Lebenslagen und auch für KMU. Das selbstgesteckte Ziel ist es, Unternehmen um mindestens 25 Prozent und speziell für KMU um mindestens 35 Prozent von EU-Bürokratie zu entlasten. Frei nach dem Motto von Bill Clintons Wahlkampagne von 1992 „It's the economy, stupid“ will man den Kontinent für den Wettbewerb mit den USA und China fit machen und bürokratische Hindernisse abbauen.
Neue politische Mehrheiten
Aktuell scheinen die Chancen der EU-Kommission, ihre wirtschaftspolitischen Ambitionen umzusetzen, vergleichsweise gut zu sein. Mit den Europawahlen haben sich die politischen Gewichte im Europaparlament verschoben. Im Parlament, aber auch unter den im Rat versammelten EU-Mitgliedstaaten gibt es Sympathien für einen solchen umfassenden Kurswechsel.
Gesundheit bleibt ein Thema
Trotz des Paradigmenwechsels bleibt Gesundheit in den kommenden Jahren ein wichtiges Politikfeld auch auf europäischer Ebene So gibt es seit Januar 2025 im Europäischen Parlament erstmals einen eigenständigen Gesundheitsausschuss. Damit möchte das Parlament der gestiegenen Bedeutung der Gesundheitspolitik auf europäischer Ebene Rechnung tragen.
Das neue Arbeitsprogramm der Kommission weist verschiedene gesundheitspolitische Initiativen aus, die auch unsere Aufmerksamkeit dringend erfordern. So wurde bereits vorab im Januar ein EU-Aktionsplan zur Verbesserung der Cybersicherheit von Gesundheitseinrichtungen vorgelegt. Noch in diesem Jahr soll ein „Critical Medicine Act‘ auf den Weg gebracht werden. Ziel ist hier Schwachstellen in der Lieferkette für kritische Arzneimittel zu beheben, die Abhängigkeiten der EU zu verringern, um die Versorgung mit kritischen Arzneimitteln zu verbessern.
Ferner soll die umfassende Evaluierung der umstrittenen EU-Medizinprodukteverordnung bis Ende 2025 abgeschlossen werden. Hinzu kommt die Umsetzung des Europäischen Gesundheitsdatenraums. Die aktuelle Diskussion in der EU-Chemikalienagentur über ein Verbot von Ethanol ließ uns besonders aufhorchen, denn es würde uns im Praxisalltag sehr hart treffen. Daher haben wir als BZÄK gemeinsam mit anderen Heilberufen frühzeitig den Druck auf die Entscheidungsträger erfolgreich erhöht.
Die EU im Blick
Der kritische Blick der Zahnärztinnen und Zahnärzte muss auch in den kommenden Jahren auf Brüssel und Straßburg gerichtet sein. Wir haben mit unserem Dachverband der europäischen Zahnärzteschaft, dem Council of European Dentists (CED), eine Stimme, die sich Gehör verschaffen kann. Seit November 2024 darf ich als Vizepräsidentin der BZÄK, den Vorstand des CED verstärken. Einen inhaltlichen Schwerpunkt möchte ich dort beim Thema Bürokratieabbau und einer sinnvollen Digitalisierung setzen. Zudem muss der CED noch politischer werden und die Kontakte in die unterschiedlichen EU-Institutionen vertiefen. Nur so können wir gemeinsam erfolgreich sein.
Dr. Romy Ermler
Vizepräsidentin der Bundeszahnärztekammer