Interview mit der Zahnärztin Katja Griethe zu Fluorid-Fragen besorgter Eltern

„Das Thema ist ein Dauerbrenner!“

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Die Fluorid-Diskussion ist nicht neu, sondern ein fester Bestandteil der täglichen Praxis. Kinderzahnärztin Katja Griethe verrät, was sie kritischen Eltern mit Fragen rund um Fluorid antwortet – und wie sie mit Fluorid-Gegnern umgeht.

Frau Griethe, wie häufig erleben Sie im Praxisalltag, dass Eltern skeptisch oder ablehnend gegenüber Fluorid sind?

Katja Griethe: Das kommt regelmäßig vor. Insbesondere bei Neupatienten wird im Rahmen der Fluoridanamnese deutlich, dass nicht wenige Eltern eine ablehnende Haltung gegenüber Fluorid einnehmen. Bei langjährigen Patienten wurde das Thema bereits bei der Neuaufnahme ausgiebig besprochen und steht somit nicht mehr im Vordergrund.

Haben Sie das Gefühl, dass die Skepsis gegenüber Fluorid in den letzten Jahren zugenommen hat?

Das Thema ist in meinem beruflichen Alltag ein Dauerbrenner – schon seitdem ich in der Kinderzahnheilkunde tätig bin, begegnet mir immer mal wieder eine gewisse Fluorid-Skepsis. In den letzten 15 Jahren hat das Thema nicht signifikant zugenommen, sondern bleibt ein wiederkehrender Gesprächspunkt.

Welche Bedenken äußern Eltern am häufigsten in Bezug auf Fluorid?

Man muss da zwei Gruppen unterscheiden: Zum einen gibt es überzeugte Fluorid-Gegner, die sich intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt haben und an Theorien aus dem Internet glauben – etwa, dass Fluorid hochgiftig sei oder negative Auswirkungen auf den IQ und andere Körperfunktionen habe. Diese Ansichten werden oft mit großer Hartnäckigkeit vertreten.

Zum anderen sind die meisten Eltern jedoch weniger ideologisch motiviert. Sie möchten schlicht das Beste für ihr Kind und greifen deshalb zu teuren, vermeintlich besseren Alternativen – etwa fluoridfreie „Bio“-Zahnpasten. Dabei herrscht oft nur eine diffuse Skepsis gegenüber Fluorid – eine Art vages Unbehagen, das selten genauer hinterfragt wird. Besonders bei kleinen Kindern besteht bei manchen Eltern die Sorge, dass sie fluoridhaltige Zahnpasta verschlucken könnten, was häufiger als Argument gegen deren Verwendung angeführt wird.

Wie gehen Sie mit Eltern um, die Fluorid für ihr Kind strikt ablehnen?

Das ist gar nicht so einfach. Schließlich hat man selbst im Studium eine fundierte Lehrmeinung vermittelt bekommen und setzt sich kontinuierlich mit aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen auseinander. Wenn man dann auf Eltern trifft, die für sachliche Argumente nicht zugänglich sind und stattdessen ausschließlich an alternative Theorien glauben, kann das durchaus herausfordernd sein.

Ich versuche in solchen Situationen, ruhig und sachlich die aktuellen Empfehlungen von Kinderärzten und Kinderzahnärzten zu vermitteln. Dabei merkt man jedoch relativ schnell, ob die Eltern bereit sind, sich mit diesen Argumenten auseinanderzusetzen. Wenn dauerhaft eine kompromisslose Ablehnung erfolgt, ist das schwierig für das Zahnarzt-Patienten-Verhältnis. Eine gute Zusammenarbeit setzt ja ein gewisses Maß an Offenheit und Vertrauen voraus. Ich hatte beispielsweise eine Familie mit drei Kindern, die strikte Fluoridgegner waren und deren Kinder immer wieder neue Kariesläsionen entwickelt haben. Es kann sehr frustrierend sein, wenn Therapieempfehlungen dauerhaft nicht umgesetzt werden. Die Leidtragenden waren aber natürlich die Kinder.

Zum Glück kommt das eher selten vor. Viele Eltern sind durchaus offen für ein Gespräch. Ein gewisses Maß an Kompromissbereitschaft kann helfen, Eltern für Fluorid zu gewinnen – besonders bei ganz kleinen Kindern, die noch nicht ausspucken können. In solchen Fällen schlage ich manchmal vor, morgens eine fluoridfreie Zahnpasta zu verwenden und abends eine mit Fluorid. So lässt sich zumindest ein Minimum an Kariesprophylaxe gewährleisten.

Bei Schulkindern hingegen kann man argumentieren, dass sie die Zahnpasta bereits ausspucken können, so dass Fluorid fast gar nicht mehr vom Körper aufgenommen wird. Manche Eltern reagieren darauf positiv, weil sie erkennen, dass Fluorid gezielt nur auf den Zahnschmelz wirkt und nicht in den Organismus gelangt. Solche pragmatischen Ansätze erleichtern oft die Überzeugungsarbeit.

Und bei manchen reicht tatsächlich eine sachliche Erklärung, warum Fluorid so wichtig für die Mundgesundheit ist und sie reagieren überrascht: Ach so, das wusste ich gar nicht – kein Problem, dann machen wir das ab jetzt so.“

Wie kann man den Zeitaufwand für Diskussionen mit skeptischen Eltern minimieren?

Bei der Erstuntersuchung, wenn die Fluoridanamnese erhoben wird und eine Diskussion entsteht, nehme ich mir gerne mehr Zeit, um das Thema ausführlich zu erläutern – vorausgesetzt, das Interesse ist vorhanden.

Wenn ich das Gefühl bekomme, dass das Gespräch ins Leere läuft oder die Zeit in dem Moment einfach nicht reicht, gibt es hilfreiche Materialien, die Eltern zusätzlich informieren können. Eine besonders empfehlenswerte Broschüre stammt von der Bundeszahnärztekammer: „Wieso ist Fluorid in meiner Zahnpasta?“. Sie erklärt das Thema klar und verständlich.

Zudem gibt es eine Untersuchung der Stiftung Warentest zu Kinderzahnpasten, in der fluoridfreie Produkte durchweg schlecht abschneiden. Für manche Eltern ist das ein überzeugendes Argument, denn die Stiftung Warentest ist eine Institution, der viele Menschen vertrauen. Ich verweise deshalb gern auf diesen Artikel.

Das Gespräch führte Dr. Nikola Lippe.

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