Projekt „Gesunder Mund“ zur Gruppenprophylaxe

„Ihr Lieben, schön euch wieder zu sehen!“

Erny Grundmann
Seit zehn Jahren unterstützen wir in unserem Projekt „Gesunder Mund“ in Berlin Menschen mit körperlicher oder geistiger Beeinträchtigung ehrenamtlich mittels Gruppenprophylaxe. Das ist manchmal anstrengend, aber auch erfüllend, und vor allem macht es sehr viel Spaß.

Grundlage dafür ist der §21 im SGB V, der die Gruppenprophylaxe und Betreuung von Kindern bis zwölf Jahren und Menschen mit Behinderungen bis 16 Jahre vorsieht. Das bedeutet einen Anspruch auf zahnärztliche Gruppenausbildung, zahnärztliche Förderung und Versorgung. Die Maßnahmen sollten vor allem in Gruppen, insbesondere in Kindergärten und Schulen, durchgeführt werden und umfassen die Untersuchung der Mundhöhle sowie die Beurteilung des Zahnstatus, eine Ernährungsberatung und eine Anleitung für die Mundhygiene.

Für Betroffene über 16 sieht das SGB V leider keine dieser Programme mehr vor. Dabei benötigen gerade diese Menschen dauerhafte Unterstützung. Sie brauchen mehr Hilfe und Aufmerksamkeit, um eine optimale Zahnversorgung zu erreichen, wie Studien untermauern.

2005 wurde deshalb das Gruppenprophylaxe-Programm zur Verbesserung der Zahn- und Mundgesundheit für erwachsene Bewohnerinnen und Bewohner in Behinderteneinrichtungen in und um Berlin ins Leben gerufen, das seit 2015 den Namen „Gesunder Mund“ trägt. Unsere Mitglieder sind Zahnärzte und ZFA, die hier in ihrer Freizeit ehrenamtlich tätig sind. Das Projekt wird von der Zahnärztekammer Berlin organisiert und von dem Berliner Hilfswerk Zahnmedizin e.V. finanziert. Unser Ziel ist die Verbesserung der Lebensqualität und eine nachhaltige Erweiterung der Handlungskompetenzen, der Selbstbestimmung und Teilhabe an der eigenen Mundgesundheitsvorsorge. Dazu informieren wir die Bewohner und ihre Betreuer über das behinderungsspezifische Mundpflegeverhalten und die Bedeutung einer zahngesunden Ernährung. Speziell geschulte Teams besuchen halbjährlich Wohngruppen in Berliner Behinderteneinrichtungen und deren Betreuer.

Spielerisch durchs Programm

Nach einer kurzen Vorstellungs- und Kennenlernrunde beginnen wir das Programm mit der Aufklärung über gesunde Ernährung und versteckte Zuckerquellen – möglichst interaktiv und spielerisch mithilfe von vielen Bildern und kleinen Rollenspielen. Die Bewohner lernen dabei gesunde von ungesunder Ernährung zu unterscheiden. Dabei verdeutlichen wir ihnen auch, wie viel Zucker sich in ihre Lieblingsspeisen versteckt. Diese Art von Aufklärungsspiel wird sehr gut angenommen und sorgt für eine entspannte und häufig auch lustige Atmosphäre. Wir beantworten Fragen der Bewohner, wo nötig, in Leichter Sprache.

„Der Umgang mit dieser ausgesprochenen gutherzigen und einnehmenden Patientengruppe ist sehr erfüllend und bereichernd."

Dr. Jens Füting, Direktor der Berliner Hilfswerk Zahnmedizin

„Im Kontakt mit diesen Menschen geht einem das Herz auf. Es ist anstrengend, macht aber unheimlich viel Freude.“

Dr. Peter Nachtweh, Leiter des Projekts

Dann werden Zahnbürsten, Zahnpasta und andere Zahnpflegeprodukte vorgestellt. Es folgt eine kurze Aufklärung zu Zahnkaries und zu Krankheiten des Zahnhalteapparats. Dabei wird die Instruktion mit Putzübungen am Modell oder an Kroko, dem Berliner Maskottchen zum Zähneputzen, vorgeführt. Das können die Bewohner, soweit sie daran Interesse haben, gern selbst ausprobieren. Bei Menschen mit Mehrfachbehinderungen ist die Anwesenheit der Betreuer beim Zähneputzen erforderlich. Zum Schluss werden alle Vorschläge und Hinweise auf einem Dokumentationsblatt festgehalten, das den Betreuern und uns beim nächsten Besuch für Feedback und zur Erfolgskontrolle dient. Gegebenenfalls enthält es auch die Empfehlung zur Weiterbehandlung.

Ein ausgezeichnetes Projekt

Das Projekt erreichte 2017 den dritten Platz des Präventionspreises „Gruppenprophylaxe Interdisziplinär“ der „initiative für eine mundgesunde Zukunft in Deutschland“ von Bundeszahnärztekammer (BZÄK) und CP Gaba. Es wurde auch auf dem Kongress der International Association for Disability (iADH) und der Korean Association for Disability & Oral Health (KADH) im September 2024 in Seoul in einem der sechs Hauptvorträge vorgestellt.

Weniger ängstlich in die Praxis

Der Einsatz zahlt sich aus. Viele Betreuer melden uns, dass die Bewohner motivierter zum Zahnarzt gehen – und regelmäßiger. Und auch, dass ihre Motivation zur Mundpflege steigt. Auch über unsere Dokumentationsblätter können wir diese Erfolge feststellen. Die Verbesserungen bei der täglichen Zahnpflege zeigen also, dass die Bewohner weniger Angst vor dem Zahnarztbesuch haben. Und dass die empfohlenen Behandlungen auch umgesetzt wurden. Im besten Fall haben sie auch ein höheres Bewusstsein bei der Auswahl von Lebensmittel und Getränken entwickelt.

Erny Grundmann

Projekt „Gesunder Mund"
Berliner Zahnärztekammer

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