Sind Kliniken wirklich keine Kostentreiber?
Vergleichbare westeuropäische Länder geben – gemessen an ihrem Bruttoinlandsprodukt (BIP) – deutlich mehr Geld für ihre Krankenhausversorgung aus als Deutschland. Das ergab eine aktuelle Analyse des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI) für das Jahr 2022 im Auftrag der DKG auf Basis von Daten der OECD und von Eurostat.
Auch gemessen an den gesamten Gesundheitsausgaben liegt laut der Analyse der Anteil der Krankenhausausgaben in Deutschland um 25 Prozent niedriger als in den untersuchten Nachbarstaaten. Und die durchschnittlichen stationären Krankenhauskosten pro Fall seien in kaum einem vergleichbaren europäischen Land so gering wie in Deutschland, führt das Autorenteam in der Analyse weiter an. Verglichen wurden mit Deutschland die Länder Dänemark, Österreich, Frankreich, Finnland, Belgien, die Schweiz, die Niederlande und Norwegen.
Deutschland habe im Jahr 2022 im europäischen Vergleich mit am wenigsten für die Krankenhausversorgung ausgegeben, so die Analyse weiter. Mit Blick auf den Zeitverlauf von 2010 bis 2022 habe der Anteil der Krankenhausausgaben am BIP seit Jahrzehnten stabil bei rund drei Prozent gelegen – und damit aktuell deutlich unter dem Niveau von Österreich (3,7 Prozent), Frankreich (3,6 Prozent) oder Dänemark (4,2 Prozent). Nur Norwegen (2,6 Prozent) habe gemessen am BIP geringere Krankenhauskosten, was jedoch maßgeblich auf das außergewöhnlich hohe BIP pro Kopf dort zurückgeführt werden könne.
Auf Basis der OECD-Daten lasse sich zudem zeigen, welchen Anteil die Krankenhausausgaben an den gesamten Gesundheitsausgaben einnehmen. Während die Ausgaben für Krankenhäuser in den meisten westeuropäischen Nachbarländern seit jeher jeweils etwa ein Drittel, und in Dänemark sogar die Hälfte an den gesamten Gesundheitsausgaben ausmachten, seien es in Deutschland weniger als ein Viertel, bilanzieren die Autoren.
In Deutschland sind die Folgekosten am niedrigsten
Die im Vergleich niedrigen Krankenhausausgaben in Deutschland bringen die Autoren in engen Zusammenhang mit einer niedrigen Vergütung je stationärem Fall. Es zeige sich, dass die durchschnittlichen (kaufkraftbereinigten) Fallkosten in Deutschland aktuell (wie historisch) teils erheblich niedriger sind (und waren) als in fast allen europäischen Vergleichsländern. So betrugen die Fallkosten in der Schweiz im Durchschnitt 8.385 Euro, in Norwegen 8.297 Euro, in den Niederlanden 8.030 Euro, Dänemark 7.297 Euro. Den Schluss bilden Deutschland mit 6.146 Euro und Finnland mit 4.084 Euro.
Die Analyse geht auch auf die Ausgabenstatistik der Gesetzlichen Krankenversicherung ein. Demnach berechneten die Autoren, dass die Krankenhäuser keine Kostentreiber seien: Der Anteil der Krankenhauskosten an den Gesamtausgaben der GKV sei zwischen 2010 und 2022 sogar von 36 auf 33 Prozent gesunken. Damit leisteten Krankenhäuser einen großen Beitrag zur Effizienz der Krankenversicherung und zu stabilen Beiträgen, heißt es in der Analyse.
„In der Studie geht Einiges durcheinander“
Prof. Reinhard Busse, Professor für Management im Gesundheitswesen an der Technischen Universität Berlin, Co-Director des European Observatory on Health Systems and Policies und Fakultätsmitglied der Charité – Universitätsmedizin Berlin, bewertet die DKI-Studie.
„In der DKI-Studie geht Einiges durcheinander, ob durch Unwissenheit oder mit Absicht, sei mal dahingestellt. Man muss erstens zwischen Ausgaben/Kosten pro stationären Fall/ Patient und Gesamtausgaben/-kosten unterscheiden und zweitens den jeweiligen Bezug klären – und zwar (a) in Euro oder US-Dollar, (b) als Prozent der Gesamtgesundheitsausgaben oder (c) als Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Drittens gilt es bei den Gesamtausgaben strikt zwischen 'stationärer Behandlung' und 'Krankenhaus' zu unterscheiden.
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Kosten für stationäre kurative Versorgung als Prozentsatz des BIP, 2010–2022
Dabei ist lange bekannt, dass (1a), also die Ausgaben pro Fall, in Deutschland deutlich unter dem internationalen Durchschnitt liegen (laut Health at a Glance 2023 um circa 19 Prozent). Zusammen mit den hohen Fallzahlen, die um knapp 50 Prozent über denen unserer Nachbarländer liegen, ergeben sich dann aber überdurchschnittliche – und steigende! – Gesamtausgaben für die stationäre Versorgung (in US-Dollar und als Prozent des BIP; siehe Tabelle), NICHT hingegen für die Leistungserbringergruppe 'Krankenhäuser', da in anderen Ländern Krankenhäuser auch ambulante Leistungen erbringen (und wenn ich diese mitbetrachte, liegen die Krankenhausausgaben fast überall höher). So entfallen bei finnischen Krankenhäusern nur 39 Prozent auf stationäre Leistungen (in den Niederlanden 46 Prozent, in Dänemark 51 Prozent und in Frankreich 61 Prozent), bei uns hingegen 92 Prozent (OECD Health at a Glance Europe 2024).“
Die DKG wollte mit der Studie offenbar der Kritik entgegentreten, dass die Ausgaben in Deutschland für Gesundheit und Krankenhaus im internationalen Vergleich auffällig hoch seien. „Krankenhäuser sind weder Kostentreiber der Gesundheitsausgaben, noch ist das deutsche Krankenhaussystem besonders teuer“, ordnete der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Dr. Gerald Gaß, das Ergebnis ein.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte Ausgabenzuwächse im Krankenhausbereich bemängelt, die für ein Drittel der Gesamtausgaben im Gesundheitswesen verantwortlich seien. In den ersten neun Monaten von 2024 sei ein Defizit in Höhe von 3,7 Milliarden Euro erzielt worden, meldete das Bundesgesundheitsministerium kürzlich bei der Vorlage der Finanzentwicklung der GKV vom 1. bis zum 3. Quartal 2024. Die Aufwendungen für den ausgabenstärksten Leistungsbereich der Krankenhausbehandlungen seien in den ersten neun Monaten um 7,8 Prozent beziehungsweise 5,4 Milliarden Euro gestiegen und würden damit einen maßgeblichen Treiber der hohen Ausgabendynamik darstellen.