„Ziel ist, dass die Praxis safe ist!“
Frau Knauber, wie gelingt es Ihnen, die Teilnehmenden im Seminar für das doch eher unbeliebte Thema Begehung zu begeistern?
Andrea Knauber: Ich starte den Kurs direkt mit der Aussage: QM macht Spaß! Und schaue dann in ungläubige Gesichter. Alle wissen, Hygiene und Arbeitsschutz sind Pflicht und die Dokumentation muss lückenlos sein, denn die behördliche Begehung kommt ja in jedem Fall irgendwann vorbei. Also ist doch die entscheidende Frage, wie bereiten wir uns am besten darauf vor?
Ich arbeite seit 2009 als Beraterin mit Praxen zusammen und habe schnell beschlossen, die Mitarbeiter nicht mit Paragrafen zu quälen – obwohl es davon einige gibt: Allein im Bereich der Hygiene werden über 30 Arbeitsanweisungen und Dokumentationen gefordert. Mir ist jedoch ein praxisnaher Ansatz sehr wichtig, egal, ob das Seminar online oder vor Ort stattfindet. Daher setze ich auf Bilder und kurze Videos, die zeigen, wie einzelne Arbeitsschritte richtig und sicher durchgeführt werden oder was dabei falsch gemacht werden kann. Ich bitte die Teilnehmer immer, sich auf die Bilder zu fokussieren und nicht auf den Text, und frage sie dann: Was fällt euch auf?
Alle wichtigen Richtlinien und Gesetze verschicke ich zusätzlich im Anschluss der Schulung als Skript zum Nachlesen. Wir müssen die Paragrafen aber nicht auswendig lernen. Wichtig ist zu wissen, wo wir etwas nachlesen können, wenn wir Informationen benötigen. Ich motiviere auch dazu, Fragen zu stellen und in den Austausch zu gehen. Darüber hinaus gebe ich Tipps, die im Alltag schnell umsetzbar sind. Im Seminar gehen wir die gesamte Praxis einmal komplett gemeinsam durch. Dabei erlebt jeder in seinem Bereich den einen oder anderen Aha-Moment.
Wie gelingt es dranzubleiben, wenn Sie wieder weg sind?
Dafür empfehle ich, QM-Themen wirklich regelmäßig – aber nicht endlos lang – mit in die Team-Meetings zu nehmen. Am effektivsten spricht man in den ersten zehn Minuten über diese Dinge, dann sind alle noch fit und aufmerksam. Wichtig ist auch, alle mit ins Boot zu holen. Damit meine ich, dass jeder Bereich nach und nach durchgegangen wird und somit auch jeder seinen Aufgaben- und Zuständigkeitsbereich prüfen kann. Das Ziel einer Teambesprechung sollte sein, verbindlich festzulegen, wer macht was, wann und wie. Das ist individuell und nachhaltig. Selbst wenn das Team viel zu tun hat und die Praxistage voll sind, muss klar sein, dass all das, was bei der Begehung kontrolliert wird, letztendlich Sicherheit und Arbeitsschutz ist. Diese Relevanz versuche ich zu vermitteln, damit die Teams dranbleiben.
Wie ist der Kurs strukturiert?
Es ist wie eine Reise durch den Prozess der Begehung, bei der wir vorne anfangen. Was passiert also, wenn sich die Behörde ankündigt? Welche Angaben zur Praxis sind zunächst einzureichen? Wie läuft die Kommunikation zu den Begehern ab? Was darf man rückfragen? Beispielsweise für den Termin. Fast immer werden Unterlagen angefordert. Welche sind das, beispielsweise das Bestandsverzeichnis und der Hygieneplan, und worauf ist zu achten? Wie füllt man sie aus?
Dann gehen wir weiter: Wie muss eine Arbeitsanweisung aussehen? Welche brauchen wir? Was muss vorab für den Termin vorbereitet sein? Die Prüfer werden sich die gesamte Praxis anschauen bis auf die privaten Räumlichkeiten, inklusive Aufbereitungsraum und Wäscheabteilung. Wir gehen überall mögliche Fehlerquellen und Fallstricke durch, auch die Geräte und deren sicherheitstechnische Kontrollen.
Als Nächstes besprechen wir, wie der Tag der Begehung aussieht, gehen den Ablauf im Einzelnen durch und wie sich jeder am besten vorstellt. Wir sprechen auch über Konsequenzen auf Fehler oder drohende Bußgelder, die nicht unerheblich sind. Das Ziel ist, dass die Praxis safe ist und alle eine Vorstellung davon bekommen, was zu tun ist. Das sollte ja tatsächlich auch dann so sein, wenn keine Begehung angekündigt ist. Wenn alle relevanten Bereiche immer auf einem guten Stand gehalten werden, kann jederzeit eine Kontrolle kommen und wir blicken ihr entspannt entgegen. Nach einer Anzeige finden auch unangekündigte Begehungen statt. In diesem Fall muss man die Behörde in die Praxis hereinlassen, wenn sie vor der Tür steht. Gut, wenn es dann keine weiteren Auffälligkeiten gibt.
Was übersehen Praxen immer mal wieder gerne?
Es gibt tatsächlich einige Defizite, die ich immer wieder feststelle. Da wird dann doch mal eben ohne Handschuhe noch etwas im Behandlungsraum geräumt oder ins Desinfektionsbecken gegriffen. Oder es fehlt die Schutzbrille bei der PZR und der Aerosolnebel gelangt ungehindert ins Gesicht. Oder der Klassiker: Der Desinfektionsspender ist nicht sauber und korrekt beschriftet. Darauf achten die Begeher auf jeden Fall!
Oder dass Validierungsberichte zwar korrekt angefertigt, aber nicht unterschrieben wurden. Die Dokumentation gilt dann als fehlerhaft oder unvollständig. Oder geforderte Routinekontrollen sind nicht dokumentiert. Oft fehlt die Kennzeichnung der Medizinprodukte, die geöffnet ein verkürztes Haltbarkeitsdatum aufweisen oder wir finden sogar abgelaufene Medizinprodukte in den Schränken.
Ein weiterer Fehler sind Papiereinlagen in den Schubladen, die verhindern eine Desinfektion. Abgefüllte Flüssigkeiten sind ebenfalls häufig nicht korrekt oder gar nicht beschriftet. Wenn geforderte Wartungen und Überprüfungen erst gar nicht durchgeführt werden, kann das sogar zu hohen Bußgeldern führen. Die Liste ist lang. Ein zentraler Fehler ist auch, sich erst dann mit den Problemen auseinanderzusetzen, wenn der Prüfungstermin ins Haus flattert.
Was sind versteckte Fehlerquellen, die die Prüfer aber im Blick haben?
Jede Praxis muss auf jeden Fall erklären können, warum welche Hygienemaßnahmen so durchgeführt werden, wie sie in den Arbeitsanweisungen beschrieben sind. Die Begeher prüfen hier die Plausibilität. Ich rate auch dazu, alles, was sich an den Behandlungseinheiten und Medizingeräten auseinandernehmen lässt, sprich abnehmbar ist, wirklich sehr regelmäßig nach Herstellerangaben aufzubereiten und zu pflegen. Diese Bereiche werden gerne nachgeprüft.
Im Endeffekt empfehle ich grundsätzlich, nicht erst bei der Ankündigung der Begehung ins Tun zu kommen. Das ist nämlich kaum machbar und artet in großen Stress aus. Sondern die Hygiene und die Dokumentation so gut zu bewerkstelligen, als könnte jederzeit eine Begehung stattfinden. Das Selbstverständnis, der Blick für eine optimale Praxishygiene muss sich im Team etablieren. Eine Möglichkeit der Selbstüberprüfung wäre daher, sich regelmäßig selbst zu fragen: Würde ich mich im Anschluss der Nachbereitung des Raums ohne schlechtes Gewissen selbst dort behandeln lassen? Kann man das reinen Herzens mit „Ja“ beantworten, dann ist es gut.
Und noch etwas: Am Tag der Begehung selbst sollte nicht das gesamte Team in der Praxis sein, in jedem Fall aber die Chefin oder der Chef und alle Hygiene-beauftragen Personen. Bitte nicht die Auszubildende, die erst seit drei Wochen da ist und mit großer Wahrscheinlichkeit dann genau das gefragt wird, was sie nicht gut beantworten kann. Besser ist auch, keine Behandlungen in den Begehungszeitraum zu legen. Da kann in der Hektik immer mal etwas passieren, das nicht sein muss.
Viele Teams beklagen mangelnde Zeit im Praxisalltag. Was entgegnen Sie, wenn Stress als Entschuldigung für eine vernachlässigte Vor- und Nachbereitung genannt wird?
Hygiene ist eine Frage von Sicherheit und sollte deshalb unbedingt Platz finden, selbst wenn der Arbeitsalltag schon sehr voll und durchgetaktet ist. Eine gute Unterstützung für eine schnellere Dokumentation bieten hier moderne Software-Systeme, die zum Beispiel durch die Nutzung von QR-Codes viel Zeit einsparen können. Ich versuche das Team dann zu sensibilisieren und fordere es auf, sich eine zentrale Frage stellen: Bin ich wirklich sicher und geschützt, wenn ich den Patienten versorge? Denn wir wissen alle nicht, was Patienten eventuell unsichtbar mit sich in die Praxis bringen. Nur eine konsequente Hygiene und ein angemessener Arbeitsschutz sichern ab – beide Seiten natürlich.
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„Ich empfehle, nicht erst bei der Ankündigung der Begehung ins Tun zu kommen. Das ist kaum machbar und artet in großen Stress aus.“
Das Gespräch führte Laura Langer.