Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern

Arbeitgeber muss bei AU-Bescheinigung zahlen

LL
Praxis
Ein neues Urteil stärkt den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) und schützt so die Arbeitnehmer. Verhandelt wurde der Fall eines angestellten Chefarztes.

Folgender Fall lag dem Urteil zugrunde: Dem Kläger, ein als Chefarzt angestellter Orthopäde, wurde das Arbeitsverhältnis fristgerecht kündigte. In der Folgezeit wurde der Arbeitnehmer immer wieder krank. Bei einer dieser Erkrankungen meldete sich bei seinem Arbeitgeber krank und fuhr mit der Bahn per erster Klasse zu seinem Erstwohnsitz. Seine ihn dort behandelnde Ärztin stellt ihm eine AU aus. Die Arbeitgeberin weigerte sich allerdings, die Zeit der Krankmeldung zu vergüten, weil sie der AU keinen Glauben schenkte. Vielmehr ging sie davon aus, dass der Arbeitnehmer keine Motivation mehr für die Arbeit aufbrachte. Daraufhin erhob der Chefarzt Klage auf Entgeltfortzahlung.

Gericht schützt die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

In dem Verfahren ging es nun um die zentrale Frage: Kann eine Bahnfahrt, die zehn Stunden in Anspruch nimmt, den Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zerstören und in der Folge zur berechtigten Verweigerung der Entgeltfortzahlung führen? Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern stellte sich dem entgegen. Denn an der AU heften nach Ansicht des Gerichts keine Makel, wenn der Arbeitnehmer eine zehnstündige Bahnfahrt in die Heimat unternimmt. Denn eine Bahnfahrt sei nicht mit dem Arbeitsalltag eines Chefarztes in der Orthopädie vergleichbar, so die Begründung. Bei einer Bahnfahrt komme es vor allem nicht zu vergleichbaren körperlichen Anstrengungen. Daher könne diese alleine den Beweiswert einer AU nicht zerstören. Das Gericht gab also der Klage des Klägers statt und die Arbeitgeberin musste das Entgelt fortzahlen.

Hinweise für die Praxis

Ist eine AU ordnungsgemäß ausgestellt, kommt ihr weiterhin ein hoher Beweiswert zu. Dann kann dieser Beweiswert nur zerstört werden, wenn der Arbeitgeber Umstände darlegt, die schwerwiegende Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers begründen. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer während der AU Sport treibt oder anderweitige Arbeitsleistungen erbringt.

Den Fall beschrieb der Kölner Fachanwalt für Arbeitsrecht Volker Görzel, Leiter des Fachausschusses „Betriebsverfassungsrecht und Mitbestimmung“ des VDAA - Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Stuttgart. Er empfiehlt, in Zweifelsfällen rechtlichen Rat einzuholen.

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Urteil vom: 13.07.2023
Az.: 5 Sa 1/23

Melden Sie sich hier zum zm Online-Newsletter an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Online-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm starter-Newsletter und zm Heft-Newsletter.