Studie des ifo-Instituts

Bürokratie kostet Deutschland jährlich 146 Milliarden Euro an Wirtschaftsleistung

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Politik
Durch Bürokratie entgeht Deutschland jährlich eine Wirtschaftsleistung in Höhe von 146 Milliarden Euro, meldet das ifo-Institut. Der Anteil des Gesundheitswesens an diesen Kosten liegt im einstelligen Bereich.

Über die Hälfte der jährlichen Bürokratiekosten lassen sich nach Aussage der Autoren Wirtschaft (31 Prozent) und Steuern (22 Prozent) zuordnen, berichtet das ifo in seiner Analyse. Ein geringerer Anteil setzt sich aus Regulierungen in den Bereichen Finanzmarktpolitik (12 Prozent), Gesundheit (9 Prozent) sowie Arbeitsmarkt und Soziales (7 Prozent) zusammen.

Diese Pflichten sind besonders teuer

„Dabei konzentriert sich ein Großteil der Bürokratiekosten auf eine sehr kleine Anzahl an Informationspflichten“, halten die ifo-Ökonomen fest. So verursache allein das Ausstellen von Rechnungen jährliche Bürokratiekosten in Höhe von rund 6,1 Milliarden Euro. Die fünf belastendsten Informationspflichten, wozu unter anderem noch Buchführung und die Aufbewahrung von Rechnungen gehören, sind laut der Studie für knapp ein Drittel der gesamten Bürokratiekosten verantwortlich.

Und wie könnte es besser werden?

Die Wachstumsinitiative der Bundesregierung, die einen jährlichen Bürokratieabbau vorsieht, könne „richtig ausgestaltet“ eine Chance für nachhaltige Verbesserungen sein, meinen die Autoren. Allerdings müssten die Maßnahmen konkretisiert werden. Vor diesem Hintergrund plädieren sie dafür, neben den Bürokratieabbauinstrumenten im engeren Sinne weiteren Hebeln und Maßnahmen Aufmerksamkeit zuzuwenden. Ein paar Vorschläge:

  • Umsetzung einer flächendeckenden Digitalisierung der Informationsflüsse, Interaktionen und Transaktionen für Antrags-, Melde- und Genehmigungsverfahren,

  • Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren,

  • Reduzierung der Vollzugskomplexität im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme und Gewährung von Sozialleistungen durch die Bündelung, Automatisierung und Pauschalierung von Sozialleistungen sowie eine effizientere und strukturiertere Aufgabenverteilung zwischen den zuständigen Stellen in Bund, Ländern und Kommunen,

  • Fokus auf evidenzbasiertes Handeln durch die Einführung einer Evaluate-first-Klausel und die systematische Einspeisung von Evaluationsergebnissen in neue Regulierungsinitiativen,

  • Einführung systematischer Praxischecks für die Instrumente von Evaluierungen und Nutzenabwägungen, um die Vollzugsperspektive von Beginn an im Regulierungsprozess zu berücksichtigen und so die Implementierbarkeit und letztlich die Wirksamkeit neuer Regelungen zu erhöhen,

  • Realisierung der von der Ampelregierung angekündigten Jahres-Bürokratieentlastungsgesetze, um dem Bürokratieabbau permanente politische Aufmerksamkeit zuteil werden zu lassen,

  • Verknüpfung nationaler Bürokratieabbaustrategien mit dem europäischen Rechtsetzungsprozess, denn 70 Prozent der laufenden Belastungen für die Wirtschaft sind auf die Umsetzung von EU-Richtlinien zurückzuführen.

Klinik-Kommission macht Vorschläge zum Bürokratieabbau

Die „Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung“ hat am 14. November in ihrer elften Stellungnahme Vorschläge zum Bürokratieabbau in deutschen Krankenhäusern zusammengestellt. Diese Empfehlungen gehören laut einer Zusammenfassung des Berichts durch das Bundesgesundheitsministerium (BMG) dazu:

  • Die elektronische Patientenakte (ePA) sollte mit dem Ziel einer automatisierten und bundesweit einheitlichen Übertragung erforderlicher Berichte der Krankenhäuser weiterentwickelt werden.

  • Die Gremien der Selbstverwaltung und des medizinischen Dienstes sollten in regelmäßigen Abständen Vorgaben zu Berichts- und Dokumentationspflichten auf ihre Sinnhaftigkeit überprüfen.

  • Auch die Krankenhäuser und Krankenhausverbände sollten selbst auferlegte Berichtspflichten in einem strukturierten Prozess prüfen und unnötige bürokratische Anforderungen abbauen.

  • Derzeit noch parallel laufende Strukturprüfungen sollten mittelfristig in einem einheitlichen Prüfprozess für die künftigen Leistungsgruppen zusammengefasst werden.

  • Ärztinnen und Ärzte sollten künftig stärker durch Pflegefachkräfte und andere kompetente nichtärztliche Berufsgruppen entlastet werden, deren Kompetenzen, etwa bei der Verordnung von Heil- bzw. Hilfsmitteln und Krankentransporten, auszuweiten sind.

  • In einer Machbarkeitsstudie sollte die Möglichkeit eines bundesweit einheitlichen digitalen Standards zum Austausch von Datenträgern (unter Berücksichtigung bereits bestehender Meldesysteme) wissenschaftlich untersucht werden.

  • Die Anforderungen an von Krankenhäusern zur Verfügung zu stellenden Angaben im Rahmen von Budgetverhandlungen zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen sollten vereinheitlicht und vereinfacht werden.

  • Bislang unterschiedliche Vorgaben zur Personalbemessung im Krankenhaus sollten vereinheitlicht werden. Auch sollten die von den Krankenhäusern zu übermittelnden Daten an einen einzigen Datenserver übermittelt werden, auf den alle Stellen, die die Angaben überprüfen müssen, Zugriff hätten.

  • Verhandlungen über die Vergütung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die noch nicht von den Fallpauschalen abgedeckt werden, sollten künftig nicht mehr individuell durch die einzelnen Krankenhäuser, sondern durch den Gemeinsamen Bundesausschuss, innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Antragstellung, erfolgen.

  • Die Behandlungsabrechnungen sollten künftig nicht mehr im Rahmen von Einzelfallprüfungen auf ihre Korrektheit untersucht werden, sondern im Zuge der Einführung von Leistungsgruppen durch Strukturprüfungen ersetzt werden.

Darum fällt die ifo-Schätzung so hoch aus

Für ihre Studie haben die Forschenden direkte und indirekte Kosten, die durch Bürokratie in Deutschland entstehen, berücksichtigt. Aufgrund dieses Ansatzes kommen sie auf mehr als doppelt so hohe Gesamtkosten der Bürokratie als andere Schätzungen. Zum Vergleich: Der Normenkontrollrat schätzt die direkten Bürokratiekosten in Deutschland auf 65 Milliarden Euro.

Als Grundlage für die Berechnungen diente den Autoren der „Bürokratie-Index“, der für eine Vielzahl von Ländern den Bürokratieaufwand in für die Wirtschaft und Unternehmen relevanten Bereichen multidimensional abbildet. Auf Basis dieses Datensatzes identifizierten die Forschenden Länder, die tiefgreifende Bürokratiereformen umgesetzt haben und verfolgten deren wirtschaftliche Entwicklung über die Zeit. Auf Basis dieser Ergebnisse simulierten sie die Wirkung einer Bürokratiereform, die Deutschland auf das niedrige Bürokratieniveau von Schweden, dem Spitzenreiter im Bürokratie-Index, gebracht hätte.

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