Kritik an Doppelrolle der geplanten Digitalagentur
Kritisch gesehen werden die Fristsetzungen mit Sanktionen und die umfassenden Kompetenzen der Digitalagentur, wie die Anhörung des Gesundheitsausschusses zu dem Gesetzentwurf (20/13249) gestern ergab. Die Sachverständigen äußerten sich in der Anhörung und in schriftlichen Stellungnahmen.
Die 51-prozentige Mehrheit des BMG bleibt kritisch
So warnte die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) vor unrealistischen Fristsetzungen und Sanktionen. Es bestünden erhebliche Zweifel, dass die Neuregelungen zu einer besseren Versorgung, mehr Patientensicherheit und zur Entlastung der Leistungserbringer von Bürokratie führen werden. Die Sanktionierung der Krankenhäuser und Industrie würde voraussichtlich nur zu einer Kostensteigerung führen.
Aus der gematik wird die Digitalagentur für Gesundheit
Die gematik soll zur Digitalagentur für Gesundheit ausgebaut „und ihre Handlungsfähigkeit angesichts der Herausforderungen der digitalen Transformationen im Gesundheitswesen und in der Pflege gestärkt“ werden". Sie soll die Digitalisierung des Gesundheitswesens in Zukunft effektiver steuern, heißt es im Gesundheits-Digitalagentur-Gesetz (GDAG), das im Bundeskabinett am 17. Juli beschlossen wurde.
Die Bundesärztekammer (BÄK) befürwortete gesetzliche Änderungen, um die offensichtlichen Defizite der Telematikinfrastruktur (TI) anzugehen. Die unveränderte Anteilsmehrheit von 51 Prozent bei der künftigen Digitalagentur durch das BMG sei aber kritisch zu sehen. Diese Entscheidungsstruktur bilde nur unzulänglich eine von allen Betroffenen breit getragene Entwicklungs- und Umsetzungsstrategie ab.
„Positive Ansätze sind zwar durchaus vorhanden, aber der Gesetzentwurf atmet noch immer den Geist offenkundigen Misstrauens gegen die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen. Nach wie vor finden sich Sanktionsdrohungen gegen Ärzte und Psychotherapeuten. Sie müssen gestrichen werden – und zwar ohne Wenn und Aber," hieß es dazu von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV).
Wo bleibt der Mehrwert für die Zahnärzte und Patienten?
Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) und die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) unterstützen das vom Gesetzgeber verfolgte übergeordnete Ziel der Digitalisierung im Gesundheitswesen. Die Maßnahmen müssten allerdings zu einem spürbaren Mehrwert für die Vertragszahnärzte und Patienten sowie deren Versorgung führen und technisch ausgereift, hinreichend erprobt und wirtschaftlich, zeitlich wie organisatorisch in realistischer Weise umsetzbar sein.
Kritisch bis ablehnend stehen KZBV und BZÄK zu den Regelungen zur Ausweitung des Aufgabenportfolios der Digitalagentur, sofern diese keine oder nur eine geringe Beteiligung der Selbstverwaltung an den Entscheidungsprozessen der Digitalagentur vorsehen, oder diese gar geeignet sind, in die Handlungs- und Gestaltungsspielräume der Selbstverwaltung einzugreifen.
Und das Geld kommt überwiegend von den Versicherten
Der GKV-Spitzenverband tadelte, dass der nötige Mittelbedarf überwiegend aus Beitragsmitteln aufgebracht werden müsse. Zudem sollten Kompetenzen, Aufträge für die Entwicklung und den Betrieb von Komponenten und Diensten der TI zu vergeben, gesetzlich normiert auf zentral und einmalig vorhandene Systeme beschränkt werden. Der Verband warnte vor einem Interessenkonflikt, weil die Digitalagentur an der Zulassung von Komponenten beteiligt sei. Dies werfe grundlegende Fragen zur Konzeption auf.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) begrüßte, dass die Digitalagentur mit einem neuen Mandat sicherstellen solle, dass Standards eingehalten und Nutzungshürden zur Steigerung der Wirksamkeit digitaler Anwendungen beseitigt werden. Allerdings müssten Aufgaben, mit denen die Digitalagentur beauftragt wird, einschließlich der Fristsetzungen auch künftig vom Gesetzgeber festgelegt werden. Eine Selbststeuerung der Digitalagentur sei nicht akzeptabel.
Kritisch äußerte sich auch der Branchenverband Bitkom. Vorgesehen sei, dass die Digitalagentur als Marktakteur und Regulierungsinstanz agieren könne. Diese Doppelfunktion führe zu ungleichen Wettbewerbsbedingungen. Durch die staatliche Kontrolle zentraler IT-Komponenten entstünden Monopole, die das Risiko flächendeckender Ausfälle erhöhten.
Die geplante Doppelrolle der Digitalagentur als Akteurin einerseits und Regulierungsbehörde andererseits wurde in der Anhörung in zahlreichen Stellungnahmen aufgegriffen und kritisiert. Zwar sei eine starke Instanz notwendig, um die Digitalisierung effektiv voranzubringen, etwa die elektronische Patientenakte (ePA), die Kompetenzen der neuen Agentur gingen aber womöglich zu weit, hieß es.