Publication Bias verzerrt Wissensbasis

Cochrane Deutschland fordert „Pflicht zur Veröffentlichung“

br
Zahnmedizin
Ein großer Anteil der Ergebnisse klinischer Studien bleibt unveröffentlicht. Das verzerre die Datenbasis für evidenzbasierte Gesundheitsentscheidungen, warnt Cochrane Deutschland und schlägt Lösungen vor.

Für rund ein Drittel der klinischen Studien, die zwischen 2014 und 2017 an deutschen Universitätskliniken durchgeführt wurden, waren die Ergebnisse auch fünf Jahre nach Studienabschluss noch nicht veröffentlicht. Das geht aus einer im Jahr 2022 im „Journal of Clinical Epidemiology“ veröffentlichten Studie hervor, an der Cochrane Deutschland-Autoren maßgeblich beteiligt waren [Riedel et al., 2022]. Als Grund für die Nichtveröffentlichung wird unter anderem auch das mangelnde Interesse von Fachjournalen an „negativen“ Ergebnissen angegeben.

Cochrane Deutschland betont demgegenüber, es sei „essenziell, auch ‚negative‘ Ergebnisse zu kennen, ebenso wie Informationen zu abgebrochenen oder vorzeitig beendeten Studien zu haben, um beispielsweise künftige Studien besser planen zu können.“ Die fehlenden Studienergebnisse verzerrten das Gesamtbild der Evidenz und „gefährden die evidenzbasierte Gesundheitsversorgung“, so schreiben die Cochrane Deutschland-Autoren in einem aktuellen Positionspapier, das jetzt gemeinsam mit Partnern vom „Bündnis Transparenz in der Gesundheitsforschung“ veröffentlicht wurde.

Verschwendung von Forschungsgeldern

Das Problem der Nichtveröffentlichung von Studienergebnissen hat auch ökonomische Konsequenzen. Eingesetzte Mittel bleiben ohne ein Reporting der Ergebnisse letztlich wirkungslos – die nicht selten aus öffentlichen Mitteln finanzierten Forschungsgelder müssen abgeschrieben werden. Der Untersuchung von Riedel et al. zufolge nahmen an 188 Studien, deren Ergebnisse auch fünf Jahre nach Studienabschluss noch nicht veröffentlicht waren, insgesamt 21.000 Patienten teil. Die geschätzten Kosten lagen im dreistelligen Millionenbereich.

Gesetzliche Regelung gefordert

Die Lösung des Problems liege „in der lückenlosen Registrierung von klinischen Studien in öffentlichen Studienregistern vor deren Beginn (prospektiv) und der zeitnahen und vollständigen Offenlegung aller Studienergebnisse“, schreiben die Autoren des Positionspapiers. Für die klinische Forschung zu Arzneimitteln und Medizinprodukten sei das Problem bereits teilweise gelöst, bei klinischen Interventionen in anderen Bereichen wie beispielsweise in der Zahnheilkunde, Chirurgie und Psychotherapie bestünde es jedoch unverändert.

Deshalb fordern Cochrane Deutschland und Partner eine gesetzliche Regelung und bieten ihre Mitarbeit an: „Wir fordern das Bundesministerium für Gesundheit und das Bundesministerium für Bildung und Forschung auf, entsprechende Rahmenbedingungen für eine vollständige Studienregistrierung und Ergebnisveröffentlichung in Deutschland zu schaffen und eine gesetzliche Regelung vorzuschlagen. Das Bündnis Transparenz in der Gesundheitsforschung steht für die Entwicklung von Lösungsansätzen beratend zur Verfügung.“

Die Vorschläge

Konkret schlägt das Bündnis Transparenz in der Gesundheitsforschung drei Maßnahmen vor, die – so wird es betont – „kaum zusätzliche Ressourcen erfordern" würden:

  • „Registrierung und zentrale Übersicht von Studien: Ethikkommissionen sollten stärker auf eine frühzeitige und vollständige Registrierung aller klinischen Studien in einem geeigneten Studienregister (zum Beispiel DRKS, CT.gov) hinwirken und darüber hinaus Daten für eine zentrale Zusammenführung zur Verfügung stellen (im besten Falle automatisiert).

  • Monitoring des Registereintrags und der Veröffentlichung: Die Studienverantwortlichen sollten regelmäßig (im besten Falle automatisiert) an ihre Pflicht zur Aktualisierung des Studienregister-Eintrags und an eine fristgemäße Veröffentlichung der Studienergebnisse erinnert werden.

  • Prüfung von Anreizen und Sanktionen: Forschungsförderer, Universitäten und/oder Ethikkommissionen sollten spezifische Anreize und Druckmittel in Erwägung ziehen, zum Beispiel durch Berücksichtigung des bisherigen Veröffentlichungsverhaltens bei Begutachtung von Förder- oder Ethikanträgen sowie der Leistungsorientieren Mittelvergabe (LOM) oder Auszahlung einer Restsumme der Förderung erst bei Veröffentlichung von Zusammenfassungen von Studienergebnissen."

Im Bündnis Transparenz in der Gesundheitsforschung arbeiten Cochrane Deutschland, Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin, HTA.de und BIH Quest Center zusammen.

Zum Positionspapier geht es hier.

Riedel N et al. Results dissemination from completed clinical trials conducted at German university medical centers remained delayed and incomplete. J Clin Epidemiol. 2022, Apr;144:1-7. https://www.jclinepi.com/article/S0895-4356(21)00414-5/fulltext

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